«Konzern wird auf Marke noch stolz sein»

Interview Seat-Geschäftsführer Dielenschneider

Seat hat die ersten vier Monate in Deutschland mit einem satten Minus beendet. Deutschland-Chef Rolf Dielenschneider zeigt sich dennoch mit dem bisherigen Geschäftsverlauf zufrieden, wie er der Autogazette sagte.

Trotz einen Absatzrückganges von über 35 Prozent zieht Deutschland-Chef Rolf Dielenschneider ein positives Fazit der ersten vier Monate. Zwar seien die Verkaufszahlen gegenüber dem Vorjahr zurückgegangen, doch das sei nach dem Ende der Abwrackprämie auch nicht anders zu erwarten gewesen, sagte Dielenschneider im Interview mit der Autogazette.

Zugleich hätte man sich aber besser entwickelt als die meisten Importeure, «die im Schnitt rund 38 Prozent unter dem Vorjahr liegen», wie der 57 Jahre alte Automanager sagte.

«Ende der Fahnenstange erreicht»

Autogazette: Herr Dielenschneider, Seat feiert seinen 60. Geburtstag. Ist Ihnen angesichts der aktuellen Absatzzahlen die Feierlaune eigentlich vergangen?

Rolf Dielenschneider: Nein, natürlich nicht. Zwar ist die Absatzsituation gegenüber 2009 schlechter geworden, doch das konnte man nach dem Ende der Abwrackprämie auch nicht anders erwarten. Doch wir haben uns positiver als die meisten Importeure entwickelt, die im Schnitt rund 38 Prozent unter dem Vorjahr liegen.

Autogazette: So viel besser sieht es bei Ihnen auch nicht aus. Nach den ersten vier Monaten des Jahres musste Seat ein Minus von über 35 Prozent hinnehmen. Ist damit der Tiefpunkt in diesem Jahr erreicht?

Dielenschneider: Bitte, drei Prozent sind schon ein Unterschied. Wir haben mit einem Gesamtmarkt von 2,8 Millionen Fahrzeugen geplant und liegen nun schon deutlich über Plan...

Autogazette: ...wobei der Gesamtabsatz nach vier Monaten bei knapp 16.000 Fahrzeugen liegt....

Dielenschneider: ...ja, und deshalb können wir auch unser 60-jähriges Jubiläum feiern. Ich denke, dass wir mit dem Minus von über 35 Prozent das Ende der Fahnenstange erreicht haben.

Autogazette: Einige Experten gehen davon aus, dass der Gesamtmarkt in Deutschland bei drei Millionen liegen könnte. Warum sind Sie da zurückhaltender?

«Gab partiell einen künstlichen Markt»

Seat Ibiza ST Seat

Dielenschneider: Ich bin deshalb zurückhaltender, weil die ersten Auslieferungen dieses Jahres noch auf die Abwrackprämie zurückzuführen sind. Entsprechend gab es bei uns als auch bei der Konkurrenz zum Jahresauftakt partiell noch einen künstlichen Markt. Deswegen glaube ich, dass es nicht mehr werden als 2,8 Millionen Neuzulassungen.

Autogazette: Sie konnten im Vorjahr dank der Abwrackprämie ein Absatzplus von rund 41 Prozent bei fast 70.000 Fahrzeugen erzielen. Mit welcher Zielsetzung gehen Sie in dieses Jahr?

Dielenschneider: Wir planen auf dem Niveau des Jahres 2008 und das werden wir auch schaffen.

Autogazette: Ist 2008 auch Ihr Referenzjahr?

Dielenschneider: Ja, denn man muss auch Rücksicht auf seine Mitarbeiter nehmen. Es ist doch demotivierend, wenn man sie an dem Vorjahr messen würde und sie dann ständig einem Minus von 25, 30 oder 35 Prozent hinterherlaufen.

«Einzelkundengeschäft gut entwickelt»

Der Exeo ST Seat

Autogazette: Der Marktanteil von Seat lag im Vorjahr bei 1,8 Prozent. Wird er zu halten sein?

Dielenschneider: Im April hatten wir einen Anteil von 1,8 Prozent. Eigentlich hätte es noch besser ausschauen können, wenn wir mehr Umsatz im Großabnehmer-Geschäft gemacht hätten. Doch das Einzelkundengeschäft hat sich gut entwickelt, entsprechend haben wir uns darauf konzentriert. Im Vergleich zu 2008 haben wir 80 Prozent mehr Einzelkunden bekommen. Das ist das Geschäft der Zukunft.

Autogazette: Aber Sie konzentrieren sich 2010 verstärkt auf das Großkundengeschäft?

Dielenschneider: Ja, das Großkundengeschäft ist noch ausbaufähig. Doch dank Modellen wie dem Seat Exeo ST, dem Leon und auch dem Ibiza ST fassen wir hier immer besser Fuß. Aber es besteht hier natürlich Nachholbedarf. Mit ordentlich kalkulierten Restwerten bauen wir deshalb jetzt unser Großkundengeschäft auf.

Autogazette: Welcher Anteil soll bei Ihnen von den Neuzulassungen auf das Großkundengeschäft entfallen?

Dielenschneider: Der Gesamtmarkt bei den Großkunden (Flotte > 10) hat sich allein im März um 17,3 Prozent erhöht. Seat hat seinen Anteil um über 200 Prozent erhöht.

«Haben uns intern besser aufgestellt»

Autogazette: Das hört sich gewaltig an, doch was bedeutet das an verkauften Fahrzeugen?

Dielenschneider: In den ersten vier Monaten sind es 645 Autos gewesen.

Autogazette: Und was wollen Sie im Gesamtjahr an Großkunden absetzen, sind 2000 Fahrzeuge realistisch?

Dielenschneider: Das dürfte schon etwas mehr werden. Der Exeo und der Exeo ST laufen ja jetzt erst so richtig an und ab Juli kommt dann auch der Ibiza ST, ein sehr interessantes Autos, von dem wir uns einiges versprechen. Damit das Geschäft noch besser läuft, haben wir uns intern besser aufgestellt und eine Fleet-Abteilung mit professionellen Leuten besetzt.

Autogazette: Sie haben den Ibiza ST angesprochen: Ist es das Auto, das Ihnen etwas die Sorgenfalten nimmt?

Dielenschneider: Es ist für uns ein sehr wichtiges Auto, ohne Frage. Für ein volles Jahr gehe ich davon aus, dass wir etwa 20 Prozent unseres Gesamtvolumens absetzen können, in diesem Jahr rechne ich noch mit rund 10 Prozent. Was meine Sorgenfalten betrifft: Für uns geht es darum, den Bekanntheitsgrad der Marke weiter zu stärken, der ungestützt bei 23 Prozent liegt.

Autogazette: Welchen Bekanntheitsgrad streben Sie an?

Dielenschneider: In den kommenden vier Jahren soll er bei 35 Prozent liegen. Das ist der Schlüssel zum Erfolg im Privat- und Großkundengeschäft.

Autogazette: Seit Anfang des Jahres versucht Seat seinen Bekanntheitsgrad als Sponsor der Uefa Europa League zu steigern. Kann man daraus schon etwas mit Blick auf den deutschen Markt ableiten?

Dielenschneider: Eindeutig, es zeigt schon Wirkung. Natürlich wäre es uns lieber gewesen, wenn im Finale auch ein deutscher Verein gestanden hätte, doch auch so geht der Bekanntheitsgrad bereits nach oben. In den kommenden drei Jahren werden wir auch als Seat Deutschland viel Geld in die Hand nehmen, um den Bekanntheitsgrad zu steigern. Wir schauen uns fußballnahe Felder an, in denen wir uns engagieren können. Das kann von der Bandenwerbung bis hin zum Titelsponsoring einer Sportsendung reichen.

«Wir sind die Einsteigermarke»

Der Leon Seat

Autogazette: Bekanntheitsgrad ist das eine, die Positionierung der Marke das andere. Weiß der Kunde trotz des Markenclaims Auto emocion überhaupt, was er von Seat erwarten kann?

Dielenschneider: Natürlich: Wir sind sportlich, jung und setzen aufs Design. Mit 38 Jahren stellen wir innerhalb des Konzerns die jüngste Kundschaft, damit sind wir die Einsteigermarke.

Autogazette: Seit 1986 gehört Seat zum VW-Konzern und ist seither das Sorgenkind. Befürchten Sie manchmal den Liebesentzug der Mutter?

Dielenschneider: Aber nein. Wir sind die Einstiegsmarke in den Konzern und verkaufen weltweit 360.000 Autos. Davon profitiert auch der Konzern mit Blick auf Motoren oder die Karosserie. Mit dem Ibiza haben wir zudem den Turnaround eingeleitet. Wenn Sie sich die nächsten Jahre mit den noch kommenden Modellen anschauen, dann wird der Konzern auf diese Marke noch stolz sein. Derzeit liegen wir mit Seat in Deutschland bei einer Marktabdeckung bei 59 Prozent, die 70 Prozent werden wir in vier Jahren schaffen.

«Leon als ST-Variante wäre interessant»

Autogazette: Dazu brauchen Sie auch neue Modelle?

Dielenschneider: Ja, ohne Frage. Und sie werden kommen.

Autogazette: Auch oberhalb des Exeo?

Dielenschneider: Nein, das ist für uns nicht relevant. Vielmehr wäre es interessant, neben dem Exeo und dem Ibiza, auch den Leon als ST-Variante anzubieten. Wenn wir überall ST-Modelle anbieten könnten, hätten wir eine noch bessere Abdeckung im Großabnehmer-Geschäft.

Das Interview mit Rolf Dielenschneider führte Frank Mertens

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Frank Mertens
Nach dem Studium hat er in einer Nachrichtenagentur volontiert. Danach war er Sportjournalist und hat drei Olympische Spiele begleitet. Bereits damals interessierten ihn mehr die Hintergründe als das Ergebnis. Seit 2005 berichtet er über die Autobranche.

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