«In Alpträume verfalle ich nicht»

Interview mit VW-Konzernvertriebschef Detlef Wittig

Der Zusammenschluss mit Porsche bringt für VW vielversprechende Perspektiven. Im Interview mit der Autogazette spricht Konzernvertriebschef Detlef Wittig zudem über die Absatzkrise, Fördersysteme und die Mehrmarkenstrategie der Wolfsburger.

Detlef Wittig sieht durch den Zusammenschluss mit dem Sportwagenbauer Porsche vielversprechende Perspektiven für den Wolfsburger Autobauer. «Ich sehe hier schon einen deutlichen Wettbewerbsvorsprung», sagte der VW-Konzernvertriebschef im Interview mit der Autogazette.

«Sind guten Mutes»

Obwohl der VW-Konzern im ersten Halbjahr weltweit einen Auslieferungsrückgang von 4,4 Prozent auf 3,1 Millionen Fahrzeuge hinzunehmen hatte, sieht Wittig den Konzern auf dem richtigen Weg. «Mit diesen Auslieferungszahlen stehen wir deutlich besser da als die Konkurrenz. Schließlich ist der Gesamtmarkt um über 17 Prozent gesunken. Erwartet hatten wir für VW einen Rückgang von zehn Prozent, jetzt liegen wir bei der Hälfte unserer eigenen Voraussage.»

Trotz der weltweit schwierigen Absatzsituation zeigt sich Wittig zuversichtlich, dieses Jahr mit einem Auslieferungsrückgang von fünf Prozent beenden zu können. «Das ist unser Ziel - und wir sind gutes Mutes, dass uns das auch gelingen wird.»

«Bin historisch interessierter Mensch»

Die Konzernzentrale in Wolfsburg Foto: dpa

Autogazette: Herr Wittig, wie gefällt Ihnen der Name Auto-Union?

Detlef Wittig: Ich bin ein historisch interessierter Mensch. Von daher ist die Auto Union für mich mit ihren Marken DKW, Horch, Wanderer und Audi ein klangvoller Name.

Autogazette: Würde dieser klangvolle Name auch zu einem gemeinsamen Autokonzern aus Volkswagen und Porsche passen?

Wittig: Herr Dr. Winterkorn hat hier ein erstes kleines Steinchen ins Wasser geworfen. Lassen Sie uns das nun intern diskutieren.

Autogazette: Für den Kauf der Porsche AG veranschlagen Experten eine Summe von mindestens acht Milliarden Euro. Ist das nicht ein Betrag, der selbst VW mit seiner Nettoliquidität von 12,3 Milliarden Euro vor Probleme stellt?

Wittig: Wir müssen hier zunächst einmal den Prüfungs- und Bewertungsprozess abschließen. Warten wir das doch erst einmal ab.

«Mehrmarkenstrategie äußerst erfolgreich»

Qualität dank Porsche Foto: dpa

Autogazette: Verfügt der VW-Konzern künftig gemeinsam mit Porsche Audi, Bugatti, Lamborghini und Bentley über eine marktbeherrschende Stellung im Luxuswagensegment?

Wittig: Die Mehrmarkenstrategie des Konzerns hat sich als äußerst erfolgreich erwiesen. Volkswagen und Porsche haben nun gemeinsam die Chance, noch stärker zu werden.

Autogazette: Wird der Zusammenschluss dazu führen, dass VW sein Ziel leichter erreicht, weltweit erfolgreichster Automobilhersteller zu werden?

Wittig: Wenn Sie allein die Quantität nehmen, dann sicher nicht. Die zu schließende Lücke zu Toyota ist größer als das Volumen, das wir durch Porsche hinzubekommen werden. Doch die Qualität, die wir durch Porsche und seine hochqualifizierten Mitarbeiter hinzugewinnen, ist ein sehr guter Fundus, dieses Ziel zu erreichen. Auch hier werden wir die Stärke unseres Mehrmarkenkonzerns nutzen können.

«Deutlicher Wettbewerbsvorsprung»

Der neue Golf GTI Foto: VW

Autogazette: Wird durch den integrierten Autokonzern der Wettbewerbsdruck auf BMW und Daimler zunehmen?

Wittig: Für uns ergeben sich durch den Zusammenschluss vielversprechende Perspektiven. Ich sehe hier schon einen deutlichen Wettbewerbsvorsprung.

Autogazette: Bei der Vorlage der Halbjahreszahlen sagten Sie, dass der VW-Konzern im ersten Halbjahr trotz eines Auslieferungsrückganges von 4,4 Prozent auf 3,1 Millionen Fahrzeuge auf dem richtigen Weg sei. Müssen Sie sich selbst Mut machen?

Wittig: Nein, mit diesen Auslieferungszahlen stehen wir deutlich besser da als die Konkurrenz. Schließlich ist der Gesamtmarkt um über 17 Prozent gesunken. Erwartet hatten wir für VW einen Rückgang von zehn Prozent, jetzt liegen wir bei der Hälfte unserer eigenen Voraussage. Das spricht für unsere Produkte.

Autogazette: Wären Sie angesichts der Branchenkrise zufrieden, wenn Sie das Jahr mit einem Auslieferungsrückgang von fünf Prozent beenden können?

Wittig: Das ist unser Ziel - und wir sind gutes Mutes, dass uns das auch gelingen wird.

«Von Fördersystemen profitiert»

Autogazette: Im Juni konnten Sie weltweit ein Auslieferungsplus von 6,5 Prozent erzielen. Werten Sie das schon als Trendwende?

Wittig: Nein, denn wir haben in Europa von den unterschiedlichen Fördersystemen wie der Abwrackprämie in Deutschland profitiert, die den Absatz gestützt haben. Von daher haben wir 2010 ein schwieriges Jahr vor uns.

«In Alpträume verfalle ich nicht»

Von Abwrackprämie stark profitiert Foto: dpa

Autogazette: VW hat auf dem deutschen Markt maßgeblich von der Umweltprämie profitiert. Bekommen Sie Alpträume, wenn Sie ans nächste Jahr denken?

Wittig: Nein, in Alpträume verfalle ich nicht. Wir sind mit unseren Marken und unserem jungen, umweltfreundlichen Produktportfolio global gut aufgestellt. Damit besitzen wir genügend Ausgleichsmöglichkeiten auf den internationalen Märkten.

Autogazette: Es ist aber davon auszugehen, dass dem Strohfeuer durch die Abwrackprämie ein desaströser Nachhalleffekt folgen wird.

Wittig: Natürlich werden wir in Deutschland 2010 einen rückläufigen Markt sehen. Doch es gibt auch Förderprämien in anderen Ländern Europas, die nicht alle zeitgleich enden. Entsprechend werden wir den Rückgang in Deutschland durch andere Märkte kompensieren können.

Autogazette: In diesem Jahr wird in Deutschland ein Gesamtmarkt von 3,5 bis 3,7 Millionen Autos erwartet. Wo wird der Markt in 2010 liegen?

Wittig: Es kann sein, dass der deutsche Markt um bis zu eine Million Fahrzeuge zurückgehen wird. Von einem Gesamtmarkt in der Größenordnung von 2,6 bis 2,7 Millionen Fahrzeuge auszugehen, ist daher nicht verkehrt.

«Marktkräfte wieder sich selbst überlassen»

Der VW Phaeton Foto: VW

Autogazette: Sollte die Abwrackprämie nochmals verlängert werden, bis die Konjunktur wieder anspringt?

Wittig: So etwas kann man nicht unbegrenzt machen. Die Umweltprämie war die richtige Entscheidung, den Absturz beim Automobilabsatz zu bremsen. Nun muss man die Marktkräfte wieder sich selbst überlassen.

Autogazette: Erwarten Sie für das kommende Jahr durch das Auslaufen der Abwrackprämie eine Rabattschlacht auf dem deutschen Markt?

Wittig: Diese Befürchtung könnte man haben, weil die Krise weltweit ja nicht vorbei ist. Was genau passieren wird, werden wir voraussichtlich ab Herbst sehen, wenn der Fördertopf in Deutschland ausgeschöpft ist. Wir werden uns das genau ansehen, aber wie gehabt sehr sorgfältig mit diesem Thema umgehen und nicht die Restwerte unserer Fahrzeuge strapazieren.

Autogazette: Ist der westeuropäische Markt mit einem Minus von 11,7 Prozent im ersten Halbjahr der Markt, der Ihnen am meisten Sorge bereitet?

Wittig: Nein, es ist nicht allein der westeuropäische Markt. Am stärksten trifft uns derzeit der zentral- und osteuropäische Markt, auch wenn er mit seinem Volumen bei uns noch nicht so stark ist. Doch ein Rückgang von rund 50 Prozent im ersten Halbjahr auf dem russischen Markt ist besorgniserregend.

«Geht langsam aufwärts»

Die US-Version des VW Jetta Foto: Volkswagen

Autogazette: In Nordamerika musste VW einen Auslieferungsrückgang von 12,6 Prozent hinnehmen. Ist damit der Bodensatz erreicht?

Wittig: Ich denke schon. Der Juli zeigt, dass es bei einem Gesamtmarkt von 9,5 Millionen Fahrzeugen in den USA langsam wieder aufwärts geht. Dazu beigetragen hat sicher die Prämienaktion «Bares für Rostlauben», die aber schon nach vier Wochen beendet war, weil das Geld ausgeschöpft war, jetzt wahrscheinlich verlängert wird.

Autogazette: Kann VW in den Staaten durch die neue Klimapolitik profitieren, die den Durchschnittsverbrauch bis 2016 von derzeit neun Litern für Autos und Kleinlaster auf 6,6 Liter reduzieren soll?

Wittig: Ja, gerade unsere Fahrzeuge mit Clean Diesel laufen enorm gut. Bei unserem Jetta liegt der Clean Diesel-Anteil derzeit bei über 40 Prozent. Was noch erfreulicher ist: Beim Jetta-Kombi beläuft sich der Dieselanteil schon auf 80 Prozent Anteil. Früher hatten wir in den USA von einem Dieselanteil von sieben bis acht Prozent gesprochen.

Autogazette: Ab wann wird sich das in den Verkaufszahlen niederschlagen, erst 2016?

Wittig: Nein, schon jetzt. Nehmen Sie doch nur den Jetta. Hätten wir ihn nicht als Clean Diesel im Angebot, könnten wir von den Verkäufen nur die Hälfte bei unseren Benzinern unterkriegen. Die Klimapolitik wirkt sich für uns schon heute aus.

Autogazette: Ihr USA-Chef Stefan Jacoby peilt für Ende des Jahres einen Marktanteil von zwei Prozent an. Ist das ein Ergebnis, mit dem Sie unter den schwierigen Rahmenbedingungen zufrieden wären?

Wittig: Das wäre ein schöner Zwischenschritt, aber nicht das endgültige Ziel.

«Es bleibt bei generellen Zielen»

Das Elektroauto Golf TwinDrive Foto: VW

Autogazette: Ist es angesichts der Marktsituation realistisch, bis 2018 800.000 VW und 200.000 Audi in den USA verkaufen zu wollen?

Wittig: Es gibt keinen Grund, etwas von unseren generellen Zielen zurückzunehmen. Diese Bezugsgröße bedeutet indes, dass sich der Markt wieder auf 14 bis 15 Millionen Fahrzeuge erholt. Mit unseren neuen Produkten werden wir mitten im Herzen des amerikanischen Marktes liegen.

Autogazette: Der Erfolg eines Autobauers wird in Zukunft davon abhängen, welche Antwort er den Kunden auf das Thema nachhaltige Mobilität geben kann. Schauen Sie hier neidisch auf Daimler und BMW, die bereits mit Projekten zur Elektromobilität am Start sind?

Wittig: Überhaupt nicht. Auch wir gehen das Thema engagiert an. Der Weg zum Elektro-Auto ist allerdings ein sehr langer. Wir haben bei VW den Golf TwinDrive. Wir sind genauso in Pilotprojekte involviert wie andere. Sie wissen, dass wir ein breites Feld an Kooperationen haben. Ich denke, dass kaum jemand hier so breit aufgestellt ist wie wir.

Autogazette: Beschönigen Sie hier nicht die Situation?

Wittig: Die Frage ist doch nicht, ob ich heute einige hundert Fahrzeuge in Pilotprojekten unterwegs habe. Die Frage ist doch, wann ich so etwas in Serie vorstellen kann. Da bringen mir 100 Fahrzeuge wenig.

Autogazette: Auf dem Autosalon in Paris sagten Sie 2008, dass es keine fünf Jahre mehr dauern werde, bis der Golf TwinDrive mit einer Reichweite von über 100 Kilometern auf den Markt kommt. Wann ist es denn nun so weit?

Wittig: Dann gehen Sie mal davon aus, dass wir ab dem Jahr 2013 so ein Fahrzeug auf den Markt bringen können.

Das Interview mit Detlef Wittig führte Frank Mertens

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