«Haben viele Mitbewerber rechts überholt»

Interview mit Chevrolet Geschäftsführer Markus Leithe

Die Marke Chevrolet hat nach sechs Jahren in Deutschland einen Wandel vollzogen. Markus Leithe, Geschäftsführer von Chevrolet Deutschland, spricht im Interview mit der Autogazette über den Beginn einer neuen Ära, das Image der Marke sowie technologische Führerschaft.

Im sechsten Jahr nach der Umbenennung von Daewoo zu Chevrolet steht laut Markus Leithe eine Zäsur für die Marke Chevrolet an. «Wir haben den Wandel der Marke bereits mit dem Cruze eingeleitet und nun mit dem Spark fortgesetzt. Ab dem kommenden Jahr geht es weiter. Chevrolet wird dann keine Marke mehr sein, die man nur über einen günstigen Preis definiert. Wir sind mit unseren Modellen erwachsener geworden, werden von der Konkurrenz ernst genommen», sagte der Geschäftsführer von Chevrolet Deutschland im Interview mit der Autogazette.

Sieben Neueinführungen in 2011

Sieben Neueinführungen vom Familien-Van Orlando über den legendären Camaro hin zum Elektroauto Volt sollen nicht nur den Absatz der GM-Tochter ankurbeln. «Wir hatten vorher eindeutig eine Positionierung, die auf den Preis zielte. Die neuen Fahrzeuge dagegen haben viel mehr zu bieten als nur den günstigen Preis. Dementsprechend wird auch die Möglichkeit des Verkaufs eine andere sein. Die Händler müssen keine Billigheimer verkaufen, sondern tolle Autos zu einem günstigen Preis», so Leithe weiter.

Je nach Einführungsdatum der neuen Modelle hält Leithe eine Zahl über 30.000 verkauften Einheiten in Deutschland für machbar. In diesem Jahr, dem Jahr eins nach der Abwrackprämie, wird der Kleinwagenanbieter mit etwa 24.000 verkauften Fahrzeugen sein selbst gestecktes Ziel erreichen. Allein die Hälfte werden durch den Matiz und seinen Nachfolger Spark, der einen ungünstigen Start hinlegte, erbracht. «Aufgrund des Einbruchs im A-Segment war mehr Panik aufgetreten als ich vermutet hätte. Mit unserem neuen Modell, dem Spark, wollten wir uns nicht am Rabattwettbewerb unserer Mitbewerber beteiligen. Aber wir haben mittlerweile ein Konzept gefunden, das gut funktioniert.»

Neben den Volumenbringern Cruze Hatchback und Aveo erwartet Leithe auch vom Volt einen wichtigen Beitrag, auch wenn das Elektroauto nicht die nennenswerten Stückzahlen bringen wird wie andere Modelle der Marke. «Der Volt ist nicht nur für Chevrolet als Imageträger sehr wichtig, sondern für den GM-Konzern überhaupt. Gerade in Deutschland heißt es, dass amerikanische Automobilkonzerne technisch hinten dran sind und nicht so weit wie der ein oder andere deutsche Konzern. Mit dem Auto beweisen wir, dass wir technologisch sehr wohl führend sein können.»

Marktanteilziel wird erreicht

Anfangsschwierigkeiten mit dem Spark Foto: Chevrolet

Autogazette: Herr Leithe, im April haben Sie das Minus von Chevrolet von 25 Prozent auf die katastrophalen Winterverhältnisse zurückgeführt. Nun haben Sie im September sogar ein Minus von 39 Prozent. Rechnen Sie nun mit einem katastrophalen Jahr?

Markus Leithe: Nein, überhaupt nicht. Gerade im Hinblick auf die Zahlen der letzten beiden Monate, in denen wir beide über einen Prozent Marktanteil verbuchen konnten. Die Anfangszeiten in diesem Jahr waren schwierig, gerade im Frühjahr beim Übergang vom Matiz zum Spark. Aufgrund des Einbruchs im A-Segment . . .

Autogazette: . . . das auf das Ende der Abwrackprämie zurückzuführen ist. . .

Leithe: . . . war mehr Panik aufgetreten als ich vermutet hätte. Mit unserem neuen Modell, dem Spark, wollten wir uns nicht am Rabattwettbewerb unserer Mitbewerber beteiligen. Aber wir haben mittlerweile ein Konzept gefunden, das gut funktioniert.

Autogazette: Sie meinen das Finanzierungskonzept ?

Leithe: Ja, genau. Wir bieten den Spark mit null Prozent Anzahlung, null Prozent Finanzierung an. Wir hatten im August und im September Marktanteile, die über denen des Vorjahres lagen. Ich gehe davon aus, dass wir unser Ziel, den Marktanteil zu halten, auch am Ende des Jahres erreichen werden.

Autogazette: Erreichen werden Sie dabei aber nicht die anvisierten 12.000 Verkäufe allein mit dem Spark?

Leithe: Wir wollten unseren Marktanteil halten, was schon sehr sportlich war. Dazu sollte der Spark zu rund 50 Prozent beitragen. Diese 50 Prozent werden wir gemeinsam mit dem Spark und dem Matiz erreichen.

Beginn einer neuen Ära

Der Olrando kommt im Frühjahr 2011 Foto: Chevrolet

Autogazette: Im kommenden Jahr werden Sie sieben Neuheiten auf den Markt bringen. Ist das der Beginn einer neuen Ära für die Marke Chevrolet?

Leithe: Ja, absolut. Wir haben den Wandel der Marke bereits mit dem Cruze eingeleitet und nun mit dem Spark fortgesetzt. Ab dem kommenden Jahr geht es weiter. Chevrolet wird dann keine Marke mehr sein, die man nur über einen günstigen Preis definiert. Wir sind mit unseren Modellen erwachsener geworden, werden von der Konkurrenz ernst genommen. Früher war unser Portfolio noch limitiert und nicht immer konnten wir den Anforderungen des westeuropäischen Marktes gerecht werden. Doch diese Zeiten sind vorbei, spätestens mit den neuen Modellen werden wir den einen oder anderen Mitbewerber spürbar ärgern.

Autogazette: Wurden Sie früher von Opel belächelt . . .

Leithe: . . . nein, nein, nein, wir wurden nie belächelt. Aber es gab und gibt einfach eine unterschiedliche Positionierung der Fahrzeuge. Wir hatten vorher eindeutig eine Positionierung, die auf den Preis zielte. Die neuen Fahrzeuge dagegen haben viel mehr zu bieten als nur den günstigen Preis. Dementsprechend wird auch die Möglichkeit des Verkaufs eine andere sein. Die Händler müssen keine Billigheimer verkaufen, sondern tolle Autos zu einem günstigen Preis.

Autogazette: In diesem Jahr konnten Sie in einem schwierigen Marktumfeld mit dem Spark nur eine Modellneuheit präsentieren. Wie sieht dann die Absatzerwartung für das kommende Jahr aus? Lautet die Devise 30.000 plus X?

Leithe: Wir dürfen dabei eines nicht vergessen: Der Orlando und der Captiva kommen im März, das sind zwei wichtige Autos, aber nicht die Fahrzeuge, die uns das Volumen bringen, um die von Ihnen genannte Zahl zu erreichen ...

Autogazette: ...sondern?

Leithe: Vom Volumen her sind der Aveo und der Cruze Hatchback die viel wichtigeren Autos. Diese beiden kommen aber erst Mitte des Jahres. Die Frage ist indes, wann sie genau kommen: Da wir es noch nicht genau wissen, können wir auch nicht Prognosen wagen, wo wir kommendes Jahr abschließen wollen.

Autogazette: Vorausgesetzt, die Autos sind früh verfügbar: Steht dann eine drei vor dem Komma?

Leithe: Auf jeden Fall.

Volt als Imageträger sehr wichtig

Der Volt feiert gerade in den USA Premiere Foto: Chevrolet

Autogazette: Sie sprachen bisher nur den Aveo, Captiva, Orlando oder Cruze an. Den Volt verschweigen Sie. Er wird sicher kein großes Volumen bringen, aber wohl doch dem Image der Marke gut tun?

Leithe: Der Volt ist nicht nur für Chevrolet als Imageträger sehr wichtig, sondern für den GM-Konzern überhaupt. Gerade in Deutschland heißt es, dass amerikanische Automobilkonzerne technisch hinten dran sind und nicht so weit wie der ein oder andere deutsche Konzern. Mit dem Auto beweisen wir, dass wir technologisch sehr wohl führend sein können.

Autogazette: In wie weit wird der Orlando dem Zafira weh tun?

Leithe: Das ist ein komplett anderes Fahrzeug. Wir versuchen uns über das stärker akzentuierte Design abzugrenzen. Von der Funktionalität ist es ein Papa-Auto, aber Papa kann mit dem Orlando auch zeigen, was für ein cooler Typ er ist. Wie gehen da bewusst einen anderen Weg.

Autogazette: Welches ist denn im kommenden Jahr der wichtigste Neueinstieg für Chevrolet?

Leithe: Es ist schwierig, das wichtigste Auto zu benennen. Alle Autos sind wichtig, weil alle Autos ein sehr gutes Statement abgeben, wo Chevrolet hin möchte. Der Orlando wird diesem Statement am ehesten gerecht, weil wir mit ihm ein neues Segment betreten. Der Volt ist wegen seiner Technologie-Führerschaft sehr wichtig. Er zeigt, dass wir nicht nur rangekommen sind, sondern viele rechts überholt haben. Und der Aveo und der Cruze Hatchback werden für das Volumen unheimlich wichtig sein, weil wir damit ernstzunehmende Fahrzeuge in den wichtigen B- und C-Segmenten anbieten.

Autogazette: Kann man davon sprechen, dass das kommende Jahr aufgrund der neuen Modelle das Jahr eins für Chevrolet auf dem deutschen Markt sein wird?

Leithe: Ich würde es nicht so sagen, aber ich kann es nachvollziehen, wenn es jemand so sieht.

Mehr Profil als einige Wettbewerber

Der neue Camaro
Der Camaro soll auch die Breite der Marke verdeutlichen Foto: Chevrolet

Autogazette: Werden Sie denn als Chevrolet wahrgenommen oder noch als Daewoo?

Leithe: Wir haben eine spontane Umfrage gemacht und Kunden angesprochen, was Sie zu Chevrolet sagen. Ich habe kein einziges Mal das Wort Daewoo gehört. Chevrolet wird noch immer als amerikanisch wahrgenommen, vielleicht nicht gerade als ein Anbieter von Kleinfahrzeugen. Da müssen wir noch dran arbeiten.

Autogazette: Welche Marke hat mehr Profil: Dacia oder Chevrolet?

Leithe: Eindeutig haben wir mehr Profil als einige Wettbewerber. Ich möchte mich auch gar nicht mit Dacia vergleichen, da Dacia sich mehr über den Preis definiert als wir das machen wollen.

Autogazette: In wie weit hat Sie denn die Aussage des Autoexperten Ferdinand Dudenhöffer getroffen, der Dacia mehr Profil bescheinigte?

Leithe: Ich kenne Herrn Dudenhöffer nicht persönlich und gestehe ihm seine Meinung zu, die er teilweise auch sehr vehement vertritt. Das wars.

Autogazette: Welchen Stellenwert wird der ebenfalls im nächsten Jahr kommende Camaro für Sie spielen?

Leithe: Wir können damit zeigen, dass wir sehr viel mehr können als nur Kleinwagen oder den Volt. Ebenso wie mit der Marke Corvette. Beide haben ihren Platz in der Automobilgeschichte. Der Kunde soll sehen, dass die Firma breit aufgestellt ist und ebenso den coolen V8-Big Block anbietet wie einen Kleinwagen. Das ist die Idee, die wir mit der Einführung dieser PS starken Fahrzeuge verfolgen, zu zeigen, welch eine Substanz hinter der Marke Chevrolet steht.

Unglaubliche Herausforderung

Der Aveo soll Volumen bringen Foto: Chevrolet

Autogazette: Sie sind jetzt seit einem Jahr bei Chevrolet. In den knapp sechs Jahren zuvor wechselten die bisher vier Geschäftsführer häufiger als so mancher Fußball-Bundesligist seine Trainer. Gehen Sie nun in Ihr letztes Jahr bei Chevrolet?

Leithe: Ich gehe nicht davon aus. Mir macht der Job viel Spaß. Es ist eine unglaubliche Herausforderung, mit diesen Produkten auf den Markt zu kommen und zu zeigen, was in dieser Marke steckt.

Autogazette: Aber das kommende Jahr soll doch für Chevrolet sehr erfolgreich werden. Das wäre doch ein schöner Abschluss?

Leithe: Das Jahr darauf soll ja noch erfolgreicher werden. Man soll ja immer aufhören, wenn es am schönsten ist. Aber noch wissen wir nicht, wann dieses Jahr kommen wird. Das wird schon noch ein paar Jährchen dauern.

Das Interview mit Markus Leithe führte Thomas Flehmer

Vorheriger ArtikelElektro-Stadtflitzer „City“ strebt in die USA
Nächster ArtikelPorsche unterliegt Umwelthilfe
Thomas Flehmer
Der diplomierte Religionspädagoge arbeitete neben seiner Tätigkeit als Gemeindereferent einer katholischen Kirchengemeinde in Berlin in der Sportredaktion der dpa. Anfang des Jahrtausends wechselte er zur Netzeitung. Seine Spezialgebiete waren die Fußball-Nationalelf sowie der Wintersport. Ab 2004 kam das Autoressort hinzu, ehe er 2006 die Autogazette mitgründete. Seit 2018 ist er als freier Journalist unterwegs.

Keine Beiträge vorhanden