«Die Regierung muss Benchmarks setzen»

Interview Opel-Entwicklungschefin Rita Forst

Rita Forst erwartet vom Elektrogipfel am 3. Mai mehr als nur Absichtserklärungen. Im Interview mit der Autogazette spricht die Entwicklungschefin von Opel über nötige Schritte zur Marktdurchdringung der E-Mobilität.

Opel-Entwicklungschefin Rita Forst fordert kurz vor dem Elektrogipfel am 3. Mai in Berlin eine stärkere Zusammenarbeit der Hersteller. «In der Batterieentwicklung sind wir noch längst nicht in der Phase, in der wir uns zurücklehnen können. Deshalb muss es zu einer Zusammenarbeit der deutschen Hersteller kommen», sagte Rita Forst im Interview mit der Autogazette. «Gelingt uns dies nicht, besteht die Gefahr, dass andere Länder uns überholen.»

Position überdenken

Für die Marktdurchdringung der Elektromobilität sei es zudem wichtig, dass es aufgrund des in der Startphase noch hohen Preises für Elektroautos zu Kaufanreizen seitens der Regierung komme. «Wenn Deutschland im Bereich der Elektromobilität zum Weltleitmarkt werden will, wird auch die Bundesregierung nicht umhin kommen, ihre Position zu überdenken», sagte die Managerin. Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) als auch Bundesumweltminister Norbert Röttgen (CDU) lehnen eine solche Förderung bislang ab.

Kein aussichtsloses Unterfangen

Autogazette: Frau Forst, Sie wollen sich am 3. Mai beim Elektrogipfel dafür einsetzen, dass dabei mehr herauskommt als nur belanglose Absichtserklärungen? Ist das nicht ein aussichtsloses Unterfangen?

Rita Forst: Es ist ein Anspruch, den jeder Teilnehmer an diesen Gipfel haben sollte. Die Kanzlerin und die Regierung haben die Elektromobilität als wichtiges Thema ausgemacht. Entsprechend glaube ich, dass das kein aussichtsloses Unterfangen ist und wir zu mehr als nur Absichtserklärungen kommen.

Autogazette: Was wäre ein Resultat, mit dem Sie zufrieden wären?

Forst: Ein wichtiges Resultat des Gipfels wäre, wenn die Bundesregierung die richtigen Rahmenbedingungen schafft. Hersteller und andere Forschungseinrichtungen müssen sich vernetzen können, um zielgerichtet das Thema Elektromobilität voranzutreiben. Es sollte ein Ministerium als Anlaufstelle geben, damit wir mit unseren Anliegen nicht unkoordiniert zwischen den einzelnen Ministerien hin- und herlaufen müssen.

«Es geht darum, was gefördert wird»

Das Elektroauto Opel Ampera
Der Opel Ampera Opel

Autogazette: Werden Sie bitte konkreter?

Forst: Es geht darum, was von der Bundesregierung gefördert wird, wie es gefördert wird und wie wir das, was die Hersteller mittlerweile bei dieser Technologie an Fortschritten erreicht haben, so in den Forschungsprozess einbringen können, damit die Elektromobilität für den Kunden erschwinglich wird,

Autogazette: Sie haben eine engere Kooperation der Hersteller bei der Entwicklung von Elektroautos gefordert und sich dafür ausgesprochen, dass man sich eine teure Komponente wie die Batterien teilen sollte. Auf Gegenliebe stieß ihr Vorschlag nicht. Hat Sie das nicht ernüchtert?

Forst: Es ist doch normal, dass jeder Hersteller versucht, seine eigenen Komponenten wie die Batterietechnologie sicherzustellen. Dennoch hat jeder ein Interesse daran, dass man bei Themen zusammenarbeitet, die in der vorwettbewerblichen Phase liegen. Das bündelt Kräfte und spart Kosten, sodass die Technik am Ende günstiger wird. Da gibt es mit Blick auf die Batterie, aber auch mit Blick auf die Brennstoffzelle einiges, was man zusammen tun könnte.

«Besteht Gefahr, überholt zu werden»

Autogazette: Die Batterie wird zukünftig wie heute der Verbrennungsmotor das Teil des Autos sein, mit dem man sich vom Wettbewerb abgrenzen kann. Wieso sollte man einen möglichen Technologievorsprung aufgeben, wenn man glaubt, dass ein Mitbewerber hier noch hinterherhinkt?

Forst: In der Batterieentwicklung sind wir noch längst nicht in der Phase, in der wir uns zurücklehnen können. Deshalb muss es zu einer Zusammenarbeit der deutschen Hersteller kommen. Gelingt uns dies nicht, besteht die Gefahr, dass andere Länder uns überholen. Ich glaube zudem nicht, dass die Batterie das Differenzierungskriterium ist, wenn es um das Thema Elektromobilität geht. Vielmehr entscheidet die Integration der Komponenten und vor allem das Kostenmoment über die Zukunft dieser Technologie.

Autogazette: Sehen Sie aufgrund der Ablehnung Ihres Vorschlages die Gefahr, dass eine schnelle Marktreife der Elektromobilität behindert wird?

Forst: Ich nehme mich mit diesem Vorschlag gar nicht so wichtig. Ich denke einfach, dass viele es aus politischen Gründen nicht aussprechen wollen, dass dies ein Weg wäre, die Technologie schneller und kostengünstiger auf den Markt zu bringen. Deshalb hoffe ich auf eine gute Zusammenarbeit innerhalb der Arbeitsgruppen, die vom Verband der Automobilindustrie gesteuert werden.

«Sind einen Entwicklungsschritt voraus»

Das Concept-Car Opel Flextreme ist ebenfalls elektrisch unterwegs Opel

Autogazette: Liegt der Grund für Ihren Vorschlag auch darin, dass Opel beziehungsweise der Mutterkonzern GM allein nicht in der Lage ist, die hohen Entwicklungskosten für Elektroautos und andere alternative Antriebe wie die Brennstoffzelle zu stemmen?

Forst: Nein, keineswegs. Opel hat doch den Vorteil, integraler Bestandteil des globalen GM-Entwicklungsverbundes zu sein. Deshalb sind wir mit unserem Opel Ampera im Gegensatz zu den Mitbewerbern auch einen Entwicklungsschritt voraus und werden ihn Ende 2011 auf den deutschen Markt bringen.

Autogazette: Sie sagen, Opel sei weiter als die Mitbewerber. Doch die haben bereits Testflotten auf den Straßen. Sie nicht. Passt das mit Ihrer Aussage zusammen?

Forst: Natürlich. Wir haben im März auf dem Autosalon in Genf bereits unser Produktionsauto vorgestellt und wir werden dieses Auto Ende 2011 für Deutschland in die Produktion geben. Mitbewerber agieren mit Testflotten, die für Demoveranstaltungen unterwegs sind. Ich denke, dass Opel hier deutlich weiter als mancher Mitbewerber ist.

«Kunden sind umweltbewusster geworden»

Autogazette: Peugeot bringt Ende des Jahres das Elektroauto iOn auf den deutschen Markt. Dort scheint man indes noch einen Schritt weiter zu sein.

Forst: Auch die Franzosen sind bei dieser Technologie schon sehr weit. Ich denke jedoch, dass durch den Elektrogipfel die Entwicklung noch einmal deutlich an Fahrt zunehmen wird. Die deutschen Hersteller haben verstanden, dass man sich diesem Thema nicht verweigern kann, da die Kunden umweltbewusster werden und unabhängig von fossilen Energieträgern sein wollen. Sie wollen Autos, die nicht nur zu Demozwecken unterwegs sind, sondern für den realen Alltag geeignet sind – so wie unser Opel Ampera.

Autogazette: Wann kommt ein rein batteriebetriebenes Fahrzeug von Opel?

Forst: Natürlich arbeiten auch wir schon an einem rein batteriebetriebenen Fahrzeug. Da gibt es vielfältige Konzepte, die jedoch alle stark an der Infrastruktur hängen. Was nützt uns ein reines Elektroauto, wenn wir nicht die Infrastruktur haben, damit es aufgeladen werden kann? Wir können nicht erst auf die Infrastruktur warten, sondern müssen jetzt handeln. Deshalb ist unser Ampera auch das ideale Automobil für die Startphase.

«Ein sehr ambitioniertes Ziel»

Der Opel Astra 1.3 CDTI EcoFlex
Der Opel Astra Ecoflex Opel

Autogazette: Halten Sie angesichts des derzeitigen Stands der Technologie die Aussage der Bundesregierung für realistisch, bis zum Jahr 2020 eine Million Elektrofahrzeuge auf deutschen Straßen zu haben?

Forst: Das ist ein sehr ambitioniertes Ziel.

Autogazette: Konterkarieren Bundesverkehrsminister Ramsauer und Bundesumweltminister Röttgen dieses Ziel nicht dadurch, dass sie Kaufanreize für Elektroautos ablehnen?

Forst: Ich glaube nicht, dass man eine solche Position lange durchhalten kann. Vor allem dann, wenn der Rest der Welt für den Kauf eines Elektromobils Anreize auslobt. Wenn Deutschland im Bereich der Elektromobilität zum Weltleitmarkt werden will, wird auch die Bundesregierung nicht umhin kommen, ihre Position zu überdenken.

Autogazette: Ohne Kaufanreiz geht es also nicht?

Forst: Jedem muss klar sein, dass diese Technologie im Vergleich zum Verbrennungsmotor zunächst deutlich teurer ist. Kaum jemand wird ein Elektroauto kaufen, wenn es nicht zu einem Preis angeboten wird, der für den Kunden noch tragbar ist. Die Hersteller werden die Autos aber nicht in den Markt bringen, um damit Verluste zu machen. Wenn Elektromobilität wirtschaftlich tragfähig sein soll, dann geht das nur über das Volumen. Und ein entsprechendes Volumen werden wir nur dann machen, wenn auch der Preis stimmt.

«Regierung muss Benchmarks setzen»

Autogazette: In Frankreich zahlt der Staat 5000 Euro beim Kauf eines Elektroautos. Läuft Deutschland Gefahr, ohne Anreizsystem nur zweiter Sieger zu werden?

Forst: Ja, diese Gefahr sehe ich. Die Bundesregierung muss hier Benchmarks setzen. Vor allem auch vor dem Hintergrund der Bedeutung des europäischen Marktes für die Hersteller.

Autogazette: Teilen Sie Auffassung von Ford-Chef Mattes, der sagte, dass die 500 Millionen Euro aus dem Aktionsplan Elektromobilität möglicherweise nicht reichen, um Deutschland als Weltleitmarkt zu positionieren?

Forst: Ja, aber es geht nicht nur um Geld, sondern auch um Ressourcen. Wir brauchen gut ausgebildete Ingenieure, die dieses Thema voranbringen. Es geht auch um die Ausbildung junger Menschen. Mit Blick auf die Elektromobilität müssen sich auch die Ausbildungsberufe verändern. Ein normaler Kfz-Mechaniker kann kein Elektroauto reparieren, es gibt ganz vieles zu tun.

Autogazette: Sie sehen also einen Fachkräftemangel auf uns zukommen?

Forst: Ich glaube, dass wir perspektivisch durchaus einen Mangel an entsprechend ausgebildeten Facharbeitern haben werden, wenn nicht jetzt begonnen wird, dem entgegen zu steuern. Auch hierum wird es beim Gipfel gehen müssen.

Autogazette: Der Preis eines Elektroautos wird wohl zwischen 30.000 bis 40.000 Euro liegen. Ist diese Technologie damit weniger etwas für den Privatkunden als vielmehr für den Gewerbekunden?

Forst: Sicher wird durch den Preis zunächst eher der Gewerbekunde angesprochen. Die Hersteller müssen sich Gedanken machen, wie sie Elektroautos vermarkten. Es geht hier um innovative Leasing- und Finanzierungskonzepte.

Autogazette: Alle Welt redet von Elektromobilität, kaum einer mehr von der Brennstoffzelle. Welche Zukunft hat diese Technologie für Opel?

Forst: Wir arbeiten am gesamten Spektrum von Elektrofahrzeugen. Wir nennen diese Strategie e-mobility unlimited: Kleine, rein batteriebetriebene Elektroautos für Menschen, die kurze Strecken zurücklegen – und für Städte auf der ganzen Welt, in denen solche Autos stark gefördert werden, Elektrofahrzeuge mit verlängerter Reichweite für Menschen, die mit einem Fahrzeug sowohl lange als auch kurze Distanzen fahren,
sowie Elektrofahrzeuge mit Brennstoffzellen für lange Strecken ohne jegliche Emissionen und ohne Einschränkung bei Fahrzeuggröße oder Funktion.

«Elektrizität spielt Schlüsselrolle»

Autogazette: Wenn über Elektroautos gesprochen wird, wird gerne von emissionsfreier Mobilität gesprochen. Macht man dem Verbraucher aufgrund des Strommixes der Energieversorger hier nicht etwas vor?

Forst: Der Anteil erneuerbarer Energie an der Stromversorgung wächst kontinuierlich, nicht zuletzt durch gesetzliche Förderungen. Langfristig zählen elektrisch angetriebene Autos zu den besten Lösungen hinsichtlich der Energie- und Umweltanforderungen unserer Gesellschaft.

Autogazette: Wäre es für die CO2-Bilanz nicht sinnvoller statt auf die Elektromobilität auf effizientere Motoren zu setzen?

Forst: Mit unseren ecoFLEX-Modellen verfügen wir bereits heute über ein großes Angebot an Fahrzeugen, die nicht nur niedrige CO2-Emissionen aufweisen, sondern auch jede Menge Fahrspaß bieten: beispielsweise der Corsa mit nur 98 g/km CO2, der Astra mit 109 g oder der Insignia mit 136 g. Auch auf dem Markt für LPG- und CNG-Modelle sind wir sehr gut aufgestellt und erfolgreich. Aber Elektrizität spielt eine Schlüsselrolle in der Opel-Strategie auf dem Weg zur Unabhängigkeit von fossilen Brennstoffen.

Das Interview mit Rita Forst führte Frank Mertens

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Frank Mertens
Nach dem Studium hat er in einer Nachrichtenagentur volontiert. Danach war er Sportjournalist und hat drei Olympische Spiele begleitet. Bereits damals interessierten ihn mehr die Hintergründe als das Ergebnis. Seit 2005 berichtet er über die Autobranche.

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