BMW-Motorradchef Diess: Wir wollen mit der K 1200 S den Wettbewerb gewinnen

Mit der K 1200 S bringt BMW im September ein Motorrad mit 167 PS auf den Markt. Von der Hochleistungsmaschine wollen die Bayern 2005 mehr als 4000 Einheiten absetzen, wie Motorradchef Herbert Diess der Netzeitung sagte.

BMW wird auf der Intermot in München im September dem Publikum die neue K 1200 S vorstellen. Die neue Maschine hat eine Leistung von 167 PS und fährt über 280 km/h. Trotz dieser Leistungsdaten gibt es bei BMW jedoch keinen Wechsel in der Modellpolitik. «Wir sehen uns weiter in den Segmenten Groß-Enduros und Touren-Motorräder. Aber auch in diesen Segmenten werden BMW-Motorräder leichter, agiler. Schlicht: leistungsstärker», sagte Motorradchef Herbert Diess im Interview mit der Netzeitung.

«Kein Wechsel in der Modellpolitik»

Netzeitung: Herr Diess, geht mit der K 1200 S bei BMW ein Wechsel in der Modellpolitik einher. Motto: Immer schneller, immer leichter?

Herbert Diess: Grundsätzlich gibt es bei uns keinen Wechsel in der Modellpolitik. Wir bleiben unseren Prinzipien treu: Wir sehen uns weiter in den Segmenten Groß-Enduros und Touren-Motorräder. Aber auch in diesen Segmenten werden BMW-Motorräder leichter, agiler. Schlicht: leistungsstärker. Die K 1200 S ist ein Modell, dass BMW einen Schritt in ein neues Segment eröffnet. Nämlich das der Sportmotorräder. Unser Hauptziel ist es, den Wettbewerb zu gewinnen.

Netzeitung: Wenn man einen Vergleich mit der K 1200 RS zieht, verstärkt sich aber der Eindruck eines Modellwechsels. So ist die K 1200 S mit 248 Kilogramm nicht nur 37 Kilogramm leichter, sondern hat auch 37 PS mehr.

Diess: Die K 1200 S ist nicht die Ablöserin der K 1200 RS. Es gibt für die RS, insbesondere die GT und die LT auch weiterhin eine Berechtigung. Denn den liegenden Vierzylindermotor, der eher langhubig ausgelegt ist, haben wir erst in den vergangenen Jahren auf den neuesten technischen Stand gebracht. Er hat aus meiner Sicht auch noch eine lange Zukunft im Bereich der Tourenmotorrädern. Dort halten wir ihn weiterhin für das am besten geeignete Motorenkonzept. Mit dem neuen Vierzylinder gehen wir, deshalb ist der Vergleich mit der RS auch nicht ganz glücklich, in ein sehr viel sportlicheres Segment.

Netzeitung: Warum wehrt man sich bei Ihnen eigentlich so vehement dagegen, für seine neue Maschine den Begriff Supersportler zu verwenden? Nur deshalb, weil der Fahrer oder der Sozius auf ihr deutlich bequemer sitzen kann als beispielsweise auf einer Kawasaki ZX-12 R?

«Supersportler nicht unser Segment!

Diess: Supersportler ist der falsche Begriff. Unter Supersportlern versteht man eher leistungsstarke Motorräder zumeist mit einem Vierzylinder-Motor japanischer Bauart, die sich in einem Gewichtsbereich zwischen 180 und 210 kg und Leistungskapazitäten von 160 PS bewegen. Diese Motorräder sind überwiegend für den Betrieb auf der Rennstrecke konzipiert und im Straßenbetrieb nur von sehr wenigen Fahrern genussvoll zu bewegen. Doch das ist nicht unser Segment.

Was Sie ansprechen, sind Maschinen wie die Kawasaki ZX-12 R oder eine Hayabusa oder die FJR 1300 von Yamaha. Ich nenne sie immer große Sportmotorräder, also Maschinen, die über eine hohe Leistung aber auch über eine hohe Tourentauglichkeit verfügen. In diesem Segment würde ich die K 1200 S positioniert sehen, wobei wir glauben, dass wir durch die Agilität, durch die Leichtigkeit und die Technologie den ein oder anderen Supersportkunden zu diesem Motorrad bringen werden.

»Fahrbarkeit im Mittelpunkt«

Netzeitung: Sie sprechen die Strategie der Japaner selbst an, die sich an der Marke 1:1 orientiert. Sprich: Einem Kilo Gewicht steht ein PS Leistung gegenüber. Schließen Sie so etwas für BMW aus?

Diess: Für uns steht Fahrbarkeit im Mittelpunkt: Also das Erleben, das genussvolle Motorradfahren. Und so wie Supersport heute interpretiert wird, ist es kein Konzept für BMW. Es ist zu einseitig orientiert auf schnelle Rundenzeiten auf der Rennstrecke und bietet zu wenig für den täglichen Gebrauch im Straßenverkehr oder eine Kurztour. Ich würde aber nicht ausschließen, dass auch unsere Motorräder zukünftig noch leichter und leistungsstärker werden.

Netzeitung: Wenn man sich die neue Suzuki GSX R-1000 mit 160 kg und 180 PS anschaut, muss man sich angesichts solcher Daten nicht längst fragen, ob die Grenzen der Vernunft nicht längst überschritten sind?

Diess: Es kommt darauf an, was Sie damit meinen?

Netzeitung: Beispielsweise eine Spitzengeschwindigkeit von 280 km/h, die auch die K 1200 S bietet.

Diess: Aber das ist doch eine eher theoretische Zahl. Wenn Sie mit dem Auto auf der Autobahn unterwegs sind, überholen doch eher Sie die Motorradfahrer. Und das liegt einfach daran, dass Motorräder in diesem Geschwindigkeitsbereich überaus anstrengend zu bewegen sind.

Sie werden nur selten auf der Autobahn Motorradfahrer finden, die länger mit 200 km/h unterwegs sind. Aber der ambitionierte Fahrer will Souveränität: Er will eben auch bei hohem Tempo die Möglichkeit haben, sicher überholen zu können. Er will diese Souveränität auch auf der Landstraße haben, wo er aus jedem Gang heraus schnell beschleunigen kann. Von daher gibt es bei uns auch die 167 PS bei der K 1200 S. Und Sie werden es selbst erfahren: Es ist für diese Maschine nicht zuviel.

»Das Wesentliche war die Beherrschbarkeit«

Netzeitung: Die ersten Eindrücke gehen ja bereits in die Richtung, dass sie sich vom Handling wie eine 600er fahren lässt...

Diess: .... was das Handling betrifft, wirkt sie sehr, sehr leicht. Das war auch unser Entwicklungsziel bei diesem Motorrad. Wir wollten in diesem Segment ein Motorrad bauen, mit dem jeder eine Klasse besser fährt. Es sollte die bessere Ergonomie bieten, die bessere Souveränität bei den Bremsen und natürlich über exzellente Beschleunigungswerte verfügen. Aber das Wesentliche war die Beherrschbarkeit.

Netzeitung: Vor rund fünf Jahren ist die freiwillige Beschränkung der Hersteller ausgelaufen, keine Motorräder mit mehr als 100 PS zu bauen. Würden Sie dies mit Blick auf die heutigen Geschwindigkeiten und Leistungskapazitäten ein Fehler war?

Diess: Nein, dass glaube ich nicht. Ich bin über den europäischen Verband selbst in viele Sicherheitsstudien involviert. Von daher weiß ich, dass es keine Hinweise darauf gibt, dass leistungsstärkere Motorräder einen höheren Anteil bei Unfällen haben als schwächere Maschinen.

Absatzerwartung über 4000 Einheiten

Netzeitung: Die Maschine wird im September dem Publikum auf der Intermot in München vorgestellt. Welche Absatzerwartungen haben Sie für das Jahr 2005?

Diess: Wir wollen deutlich über den Durchschnittswerten von Modellen der bisherigen K-Baureihe liegen, d.h. wir gehen von einem Absatz aus, der einiges oberhalb von 4.000 Einheiten liegen wird.

Netzeitung: Bislang hatte BMW ABS als optionale Ausstattung im Angebot, erstmals bieten man es bei der K 1200 S als Serie an. Was hat Sie dazu veranlasst?

Diess: Wir glauben, dass in diesem Segment ABS zur Ausstattung gehört. Erst ABS macht ein Motorrad in diesem Geschwindigkeitsbereich beherrschbar. Von daher glauben wir, dass in diesem Segment - das gilt nicht für alle Segmente - ein Motorrad mit ABS ausgestattet sein sollte.

Netzeitung: Die Fachzeitschrift Motorrad bezeichnet die K 1200 S als beste BMW aller Zeiten. Für Sie muss das ja geradezu beängstigend sein, da können Sie Ihrem Job ja gleich sein lassen?

Diess (lacht): Ach nein, wir werden auch in Zukunft die Entwicklung weit vorantreiben. Ich denke, dass dieses Motorrad auch für viele japanische Wettbewerber Ansporn sein wird, an der ein oder anderen Stelle aufzuschließen. Außerdem haben wir bei BMW immer den Anspruch, das beste Motorrad zu bauen.

Das Interview mit Herbert Diess führte Frank Mertens

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