IAA 1951: Als das Auto noch ein Traum war…

IAA 1951: Als das Auto noch ein Traum war…
Der Opel Kapitän war für viele Besucher ein Traumwagen © Opel

Vor 70 Jahren fand die erste IAA nach dem Krieg statt. Und wenig stand damals so für Freiheit und Wohlstand wie das Auto.

Die ganze Stadt ein Festival der Mobilität, so stellen sich die Veranstalter heute den Ablauf der IAA Mobility am neuen Standort München vor – also ähnlich wie vor 70 Jahren, als Frankfurt die erste offizielle Internationale Automobil-Ausstellung (IAA) des Wirtschaftswunders ausrichtete. Was die Aussteller 1951 auf dem nach dem Zweiten Weltkrieg frisch hergerichteten, aber noch beengten Messegelände nicht zeigen konnten, wurde in den Salons nobler Hotels präsentiert, und heiß begehrte Probefahrten in den ersten neuen Nachkriegsmodellen rund um die Messepaläste gehörten ohnehin dazu. Fahren ja, aber kaufen?

An heute gängige Alternativen wie Leasing oder Sharing dachte damals kein Autofan – es gab sie schlicht noch nicht. Sogar die Ratenzahlung steckte noch in den Anfängen. Dabei galt der Besitz eines VW Käfer, Opel Olympia, Mercedes 170 oder Ford Taunus (so die Top 4 in den Verkaufscharts 1951) als Statussymbol und Sprungbrett für gesellschaftlichen Aufstieg. „Haste was, biste was“, lautete das Credo der Wirtschaftswunderjahre – und davon träumten die meisten der rund 570.000 Messebesucher, die mangels finanzieller Masse per Fahrrad oder Bahn anreisten. Rund zehn Pkw kamen damals auf 1000 Einwohner, heute sind es 569. Trotzdem gab es 1951 weit mehr tödliche Verkehrsunfälle als heute, weshalb das Thema Sicherheit auf der IAA ebenso wichtig war wie alternative Verkehrskonzepte im Kampf gegen bereits überfüllte Innenstädte.

Messe am Main löste den Berliner Autosalon ab

BMW stellte 1951 den 501 („Barockengel“) vor. Foto: BMW

Wenn heute an Flugtaxis und Drohnen oder autofreien Innenstädten als Mittel gegen einen Verkehrsinfarkt gearbeitet wird, sind diese Ideen nicht neu. So demonstrierten 1951 Hubschrauber auf dem Frankfurter Messegelände ihre vielfältigen Einsatzmöglichkeiten und aus auch dort diskutierten Wiederaufbau-Wettbewerben für kriegszerstörte deutsche Städte gingen bis 1953 die ersten Fußgängerzonen in Kassel, Kiel und Stuttgart hervor.

Vieles schien bei der ersten IAA in Frankfurt wie immer und doch war alles anders. Die Messe am Main löste 1951 den Berliner Autosalon ab, der aus politischen Gründen im selben Jahr zum letzten Mal in der geteilten Stadt stattfand, aber schon nur noch weniger als halb so viele Besucher wie die international gut erreichbare Frankfurter Autoschau zählte.

537 Aussteller plus einige DDR-Marken

Mercedes zeigte den Mercedes-Benz 300 („Adenauer“) als Limousine und Cabriolet. Foto: Daimler

Dort war fast die ganze Autowelt zu Gast, 537 westliche Aussteller plus einige DDR-Marken wie EMW-BMW spiegelten den Zeitgeist und der fegte mit farbenfrohen Veränderungen durch die grauen Ausstellungshallen. So gab es modisch gekleidete Messehostessen, vor allem jedoch lustige Schaufensterpuppen, die in bunten Outfits den Weg zu bonbonfarbenen amerikanischen Straßenkreuzern mit Innovationen wie Servolenkung (Chrysler Crown Imperial) und Getriebeautomatik (von Buick bis Pontiac) wiesen, und signalisierten, wo die Wolfsburger Käfer-Welt einen glamourösen Auftritt feierte.

Trotz der staatstragenden Neuheit Mercedes-Benz 300 – die umgehend zum Dienstfahrzeug von Bundeskanzler Konrad Adenauer und Bundespräsident Theodor Heuss avancierte – umgab sich nicht die Marke mit dem Stern, sondern Volkswagen mit der spektakulärsten Messearchitektur, die den Käfer zum König der Massenmobilität stilisierte. Tatsächlich gab es den luftgekühlten Kleinwagen auch in dekadenter royaler Montur: Der abessinische Kaiser Haile Selassi bestellte sein Krabbeltier mit Blattgold und Elfenbein.

Stundenlanges Warten für eine Sitzprobe

Im Mittelpunkt des VW-Messestandes: der Käfer. Foto: VW

Auf dem Weg zum meistverkauften Auto der Welt gab es 1955 dann einen weiteren goldenen Volkswagen: 150.000 Gäste drängten sich im Werk Wolfsburg um den ein-millionsten Dauerläufer. Auf der IAA 1951 in Frankfurt nahmen sogar fast vier Mal so viele Gäste stundenlange Wartezeiten für eine Sitzprobe im Käfer in Kauf, aber auch im Bulli T1, dem VW eine heiß begehrte Campingausstattung spendiert hatte.

Camping mit Zelt und vereinzelt auch Wohnwagen war der ultimative Freizeittrend in der Nachkriegszeit. Und das ohne Autobahnmaut (angedacht waren für Pkw jährlich bis zu 360 Mark), dieser erteilte der Bundestag 1951 erstmals eine Absage. Endlich gab es 14 bezahlte Urlaubstage für Angestellte, und diese wurden am liebsten für Reisen in den sonnenverwöhnten Süden genutzt.

Heiß begehrt: Porsche 356 und Opel Kapitän

Besonders Sportwagen weckten Sehnsüchte: der Porsche 356

Und dort trafen sich die Menschen dann auf Campingplätzen, erlebnishungrig wie zuvor in den IAA-Hallen: Die Jugend mit dem Fahrrad, die Arbeiter und Angestellten (mittlerer Verdienst pro Stunde: 1,45 Mark) mit mühsam ersparten Kleinstmobilen à la Gutbrod Superior (mit revolutionärer Benzineinspritzung) und Fulda-Mobil oder mit Lloyd 300, VW Käfer oder DKW Meisterklasse, die Aufsteiger mit Opel Olympia, Ford Taunus oder Borgward Hansa, dazwischen einige Renault 4 CV, Peugeot 203 oder NSU-Fiat 1400 (in Neckarsulm gebaut) und die Wohlhabenden mit Mercedes 170, Porsche 356 und vor allem dem Opel Kapitän. Mit diesem Sechszylinder hatte die Bundesrepublik ihren ersten Traumwagen, ein Auto im amerikanischen Stil, das signalisierte: Ich habe es geschafft!

Davon kündeten auch die rund 1000 Einsätze des größten Opel als automobiler Hauptdarsteller in Kino- und später TV-Filmen oder aber Balladen wie der Song von Reinhard Mey über den „51er Kapitän“. Darin beschreibt der Liedermacher eine schneeweiße chromglänzende Luxuslimousine, wie sie sich Meys Vater einst erträumte. Einen solchen Nimbus erreichte nicht einmal der 1951 vorgestellte BMW 501 in barocken Konturen. Und auch der gleichfalls neuen Mercedes 220 hatte keinen leichten Stand gegenüber der gewaltigen Statur des Kapitän, der den Benz in den Abmessungen um 21 Zentimeter übertraf. Ganz Europa liebte den Rüsselsheimer Amerikaner und so gingen bis zu zwei Drittel der Kapitän-Produktion in den Export.

Sicherheitsgurte und Scheibenbremsen

Der DKW Meisterklasse Universal F 89 S bot einen praktischen Kofferraum. Foto: Audi

Dagegen sprachen exklusive Sportler wie der neue Porsche 356 1300, Jaguar XK 120 FHC, Lancia Aurelia B20 GT, Borgward Hansa Sport sowie viele von Karossiers realisierte Cabrios die Avantgarde unter den wohlhabenden Bundesbürgern an. Diplomaten und in Deutschland stationierten Soldaten blieben vorläufig drei Modelle vorbehalten, die zu Ikonen avancieren sollten: Die Allradler Willys-Jeep und Land Rover sowie der Volvo PV444 „Buckel-Volvo“.

Während der Volvo später den lebensrettenden Sicherheitsgurt einführt, meldet Mercedes-Benz 1951 Béla Barényis Sicherheitskarosserie zum Patent an – und auch für den Airbag wurde damals ein Patent erteilt. Dunlop präsentierte eine preiswerte Scheibenbremse, die Jaguar umgehend in Serie brachte und das Thema Nachhaltigkeit wurde durch Dieselmotoren für Taxis sowie Einspritzanlagen für Benziner angegangen (zuerst Gutbrod und Borgward beim Goliath).

Bei der IAA 1951 feierte das Auto seinen Durchbruch als ein Motor des Wirtschaftswunders und Inbegriff individueller Mobilität, aber auch die Schatten der Massenmotorisierung standen schon an der Wand. All das würdigte Bundespräsident Heuss als Schirmherr der Messe in seiner Eröffnungsrede und Wirtschaftsminister Ludwig Erhard stieß beim IAA-Rundgang ins gleiche Horn. Doch die Zeiten ändern sich: Auf der IAA 2021 gibt es mehr Fahrradanbieter als Automarken. (SP-X)

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