Provokation mit spitzer Waffe

Studie Lamborghini Estoque

Der Trend zu viertürigen Coupés hält an: Maserati Quattroporte, Mercedes CLS und Passat CC waren erst der Anfang. Lamborghini zeigt in Paris seine Studie Estoque. Gefährlicher geht es nicht.

Von Stefan Grundhoff

Lamborghini baut seit Jahren die wohl spektakulärsten Serienautos. Jetzt hat sich die Stieren-Schmiede aus Sant Agatha eine neue Fahrzeuggattung vorgeknöpft. Wer will, kann bald auch zu viert in einem Lamborghini reisen. Anders als erwartet präsentieren die Norditaliener auf dem Pariser Automobilsalon jedoch keinen eigenwilligen Enkel des Gelände-Ungetüms ML 002, sondern einen viertürigen Grand Tourismo. Und neben dem Estoque, der zunächst nur als seriennahe Studie zu sehen ist, sehen selbst Porsche Panamera und der neue Aston Martin Rapide als direkte Konkurrenten aus wie harmlose Familienkutschen.

Kein anderer ist spektakulärer

Eine Limousine von Lamborghini? Wer die beiden Erfolgsmodelle Murcielago und Gallardo sieht, hätte wohl kaum geglaubt, dass ein Lamborghini vier Türen tragen könnte. Doch der Estoque, benannt nach dem Degen, mit dem beim Stierkampf der Todesstoß gesetzt wird, kann getrost als das optische Glanzlicht der Messe betrachtet werden. Kein anderer ist spektakulärer und kein anderer zieht einen mit seinem extravaganten Design mehr in seinen Bann.

Dabei stört es die Lambo-Verantwortlichen wenig, dass Luxuslimousinen und Sportwagen in Frankreich verpönt und mit Missachtung gestraft werden. Am Stand von Lamborghini werden nicht nur den französischen Messebesuchern die Augen herausfallen. Es geht eben auch ohne Öko, Elektro und Hybrid.

Mix aus Reventon und Lagonda

Gerade mal 1,35 Meter hoch Foto: Lamborghini

Die feierliche Enthüllung gab es beim großen Volkswagen-Konzernabend am Vortag der Messe. VW und seine zahlreichen Markentöchter wollen sich die Aufmerksamkeit an den Messetagen eben nicht durch die Konkurrenz aus dem In- und Ausland nehmen lassen und setzen auf einen eigenen Event. Nach noch junger Tradition werden die Highlights von VW, Audi, Skoda, Seat und Co daher bereits gezeigt, wenn die Messetore noch eine Nacht geschlossen haben.

Wer dem Estoque in die Augen schaut, der sieht durch die flache Front, die spektakuläre Keilform und das bissige Heck große Parallelen zur Kleinserien-Rakete des Reventon, der in einer Auflage von gerade einmal 20 Stück den Sportwagenfans dieser Welt nicht nur durch seinen Preis von über einer Million Euro den Schweiß auf die Stirn trieb. Mit seiner Gesamtlänge von 5,15 Metern präsentiert sich der Estoque als eine Mischung aus Reventon und dem legendären Aston Martin Lagonda.

Kleine Provokation

Spektakulär sind dabei nicht nur die von Lamborghini bekannt mutigen Schnitte und Kanten, sondern auch die Idee, einen echten Sportwagen mit vier Türen in die Tat umzusetzen. Der gerade einmal 1,35 Meter hohe Kampfjet wirkt schon im Stand gefährlich und kein Betrachter dürfte einen Zweifel daran haben, dass der Estoque bereit ist, seine Waffen auch einzusetzen. Fast schon abfällig blickt die Lamborghini-Studie herüber zur direkten Konkurrenz von Panamera und Rapid.

Fest steht: so cool ist kein anderer. «Natürlich ist der Estoque auch eine kleine Provokation», räumt Lamborghini-Chef Stephan Winkelmann ein. So muss man sich in Sant Agatha auch nicht gegenüber den Konzerngeschwistern Audi A8 oder Porsche Panamera rechtfertigen. «Über die Zukunft dieses Konzeptes ist noch nicht entscheiden», erklärt Winkelmann konkreten Kaufanfragen eine erste Absage.

Große Realitätschancen

Provozierendes Lächeln Foto: dpa

Doch wer den Estoque sieht, dürfte kaum Zweifel daran haben, dass ein derartiges Auto - gerade im Hinblick auf die Märkte in Asien, USA und dem Orient - größte Realitätschancen haben dürfte. «Dieses Auto würde uns einen völlig neuen Kundenkreis erschließen, ohne dem Image und der Exklusivität von Gallardo und Murciélago zu schaden», sagt John Fitzgerald, Direktor für Design und Marke, «wir würden Menschen erreichen, die bislang nie auch nur im Traum über einen Lamborghini nachgedacht haben.»

Auch das Antriebskonzept zeigt, dass der Lamborghini Estoque mehr als eine wilde Spinnerei ist. Hinter der Vorderachse liegt der aus dem Gallardo LP 560-4 bekannte Zehnzylinder mit Direkteinspritzung, zehn Zylindern, 560 PS und Allradantrieb. Auch andere Antriebskonzepte der Konzernmutter Audi wären denkbar - bis hin zu einem potenten Selbstzünder. Die mächtige Aufruhr in Paris dürfte nicht die letzte des Lamborghini Estoque gewesen sein. Man darf gespannt sein. Denn Lamborghinis Wachstumspläne lassen sich nur mit einer neuen, dritten Modellreihe verwirklichen. Was würde besser passen, als eine viertürige Limousine?

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