«Elektrifizierung spielt immer größere Rolle»

Der VW-Konzern hat nach dem Polo nun auch den Passat als BlueMotion-Modell vorgestellt. Im Interview mit der Autogazette spricht der Leiter der Aggregate-Entwicklung, Rudolf Krebs, über verbrauchsgünstige Fahrzeuge und Antriebskonzepte der Zukunft.

Lange Zeit galten verbrauchsgünstige Fahrzeuge als zu teuer. Das man derartige Autos auch zu wettbewerbsfähigen Preisen anbieten kann, zeigt Volkswagen mit seinen BlueMotion-Modellen.

«Der BlueMotion-Ansatz von Volkswagen ist meines Erachtens eine ganz wichtige technische Entwicklung, weil durch sie nicht nur der Verbrauch und damit die C02-Emission verringert werden, sondern dies dem Kunden in Fahrzeugen angeboten wird, die bezahlbar sind», sagte der Leiter der Aggregate-Entwicklung bei VW, Rudolf Krebs, im Interview mit der Autogazette.

BlueMotion - ein bezahlbares Auto

Der Passat BlueMotion Foto: Werk

Autogazette: Herr Krebs, der VW-Konzern bringt nach dem Polo nun auch den Passat als BlueMotion-Modell auf den Markt. Ist das die Wolfsburger-Antwort auf die Diskussion um eine Verringerung des CO2-Ausstoßes?

Rudolf Krebs: Der BlueMotion-Ansatz von Volkswagen ist meines Erachtens eine ganz wichtige technische Entwicklung, weil durch sie nicht nur der Verbrauch und damit die C02-Emission verringert werden, sondern dies dem Kunden in Fahrzeugen angeboten wird, die bezahlbar sind. Volkswagen hat schon 2006 den Polo BlueMotion zu einem attraktiven Preis auf den Markt gebracht, der etwa 8000 Euro unter dem eines bekannten Hybrid-Fahrzeuges liegt. Der Polo BlueMotion ist mit 102 g CO2 pro Kilometer dabei noch emissionsärmer als der Hybrid und gleichzeitig ein vollwertiges Fahrzeug, das auch von einer Familie gefahren werden kann.

Autogazette: VW hatte mit dem Lupo schon einmal ein Dreiliter-Auto im Angebot, für das sich damals jedoch kein Mensch interessiert hat. War damals der Preis nicht schlicht zu hoch?

Krebs: Volkswagen ist seit langem Pionier bei verbrauchsgünstigen Fahrzeugen und wir haben immer wieder revolutionäre Fahrzeuge dargestellt und angeboten. Doch der Dreiliter-Lupo enthielt eine ganze Reihe von Technologien, die teuer waren: Das waren zum Beispiel hochwertige leichte Werkstoffe, Materialien, die relativ viel Geld kosteten. Der Kunde hat das zum damaligen Zeitpunkt nicht akzeptiert und die Verkaufszahlen waren nicht zufriedenstellend. Der Polo BlueMotion, der 3,9 Liter verbraucht, setzt dagegen auf Technologien, die preiswerter sind. Im Paket geschnürt bringen sie im Vergleich zum serienmäßigen Polo trotzdem einen Verbauchsvorteil von einem halben Liter, im Passat BlueMotion sogar noch mehr. Die Verkaufszahlen geben uns Recht, dass wir auf dem richtigen Weg sind.

Verkaufszahlen motivieren

Der PoloBlueMotion Foto: Werk

Autogazette: Warum ist ein solches Fahrzeug erst heute darstellbar?

Krebs: Das richtige Konzept muss zur richtigen Zeit kommen. Die Sensibilität der Kunden zu den Themen Verbrauch, C02 und zum Klimaschutz ist in den vergangenen Jahren deutlich angestiegen. Das trifft auch auf die Zahl der Menschen zu, die bereit sind, auf diese ökologisch attraktiven Konzepte umzusteigen. Wir haben für den Polo BlueMotion Verkaufszahlen, die uns sehr freuen und motivieren.

Autogazette: Freut Sie als Motorenentwickler die Forderung der EU-Kommission, den CO2-Ausstoß bis zum Jahr 2012 im Durchschnitt auf 130 Gramm pro Kilometer zu reduzieren?

Krebs: Den Durchschnittswert der europäischen Neuwagenflotte so weit senken zu wollen, ist keine Kleinigkeit. Technisch ist dies eine extreme Herausforderung, die auch für den Kunden Veränderungen bringen wird. Grundsätzlich haben wir Motorenentwickler immer schon den Verbrauch sehr, sehr stark im Fokus. Wir haben immer versucht, eine vernünftige Balance zwischen Kostenaufwand und günstigen Verbrauch zu halten.

Autogazette: Audi hat gerade den A3 als 1.9 TDI e vorgestellt, der über einen CO2-Ausstoß von 119 g/km verfügt. Trügt der Eindruck, dass solche Autos bereits fertig in der Schublade und sie erst zum passenden Zeitpunkt auf den Markt bringt?

Krebs: An den BlueMotion-Konzepten arbeiten wir intern schon sehr viel länger. Die Entwicklungen zu diesen Konzepten haben bereits vor zwei, zweieinhalb Jahren begonnen. Damals haben wir die Schärfe der CO2-Diskussion, wie wir sie in diesen Tagen erlebt haben, noch nicht vorhergesehen. Doch die Motorenentwickler bei VW oder Audi haben alle den Bedarf an emissionsarmen Fahrzeugen gesehen und sich vorbereitet. Entsprechend sind wir glücklich, dass unsere Häuser jetzt die richtigen Konzepte zur richtigen Zeit vorlegen können.

Deutlicher Verbrauchsvorteil

Der 1.9 TDi-Motor mit 105 PS kommt im Polo BlueMotion und im Passat BlueMotion zum Einsatz Foto: Werk

Autogazette: Sowohl der Polo als auch der Passat verfügen über einen TDI-Motor. Sind derartige Verbrauchs- und C02-Werte wie bei den BlueMotion-Modellen auch bei Benzinmotoren erreichbar?

Krebs: Sie erkennen bei Volkswagen einen klaren Trend, den Ottomotor ähnlich dem Dieselmotor als einen turbo-aufgeladenen Motor mit Direkteinspritzung zu etablieren. Volkswagen war bei der Direkteinspritzung der Pionier mit den FSI-Motoren. Die Weiterentwicklung ist die Kombination mit der Turboaufladung zu unserem TSI-Motor. Diese Maßnahmen bringen - u. a. über das Downsizing - also die Reduzierung des Hubraums - einen Verbrauchsvorteil zwischen 15 bis 20 Prozent. Darüber hinaus sind die Fahrleistungen herausragend: Die Elastizität wird besser, d. h. wenn sie überholen wollen, brauchen sie nicht zurückzuschalten. Der Motor hat mehr Grunddrehmoment, was zu einer Verbrauch senkenden Fahrweise führt. Auf dieser Basis kann man natürlich BlueMotion-Konzepte verwirklichen, indem man fahrzeugseitige Maßnahmen ergänzt: Der cW-Wert des Fahrzeuges kann optimiert, Reifen mit einem geringeren Rollwiderstand können verwendet werden. Zudem kann die Getriebeübersetzung so angepasst werden, dass in der Summe weitere Verbrauchseinsparungen möglich sind.

«BlueMotion auf der Otto-Seite»

Der Golf GT mit 1.4 TSI-Motor Foto: Werk

Autogazette: Was heißt das konkret? Derzeit gibt es einen 1,4 Liter TSI-Motor mit 170 PS. Wird das Downsizing hier fortgeführt?

Krebs: Schon heute bieten wir den TSI-Motor mit 170 PS und mit 140 PS an. Hier in Genf zeigen wir zusätzlich in einem Motor-Exponat einen TSI-Prototyp mit einem Hubraum von 1.4 Liter und 120 PS Leistung. Solch ein Motor könnte eine gute Ausgangsbasis für ein Fahrzeug sein, das BlueMotion auf der Otto-Seite heißen könnte.

Autogazette: Wie schaut es mit einem Fahrzeug wie beispielsweise den Touareg aus. Ausgestattet mit einem V8-Motor verbraucht er durchschnittlich 13,8 Liter Superbenzin und spuckt 329 Gramm CO2 in die Umwelt. Wenn Sie könnten wie Sie wollten, welche Verbräuche und Emissionen wären machbar?

Krebs: Insbesondere der Dieselmotor ist in dieser Klasse nach wie vor eine interessante Alternative. Sie können mit einem modernen Sechszylinder-TDI, der alle Emissionsgrenzwerte erfüllt, sowohl gute Fahrleistungen als auch niedrige Verbräuche realisieren. Darüber hinaus kann die Hybridisierung solcher Fahrzeuge eine vernünftige Sache sein. Wie Sie wissen, arbeiten wir an einem Touareg-Hybrid.

Autogazette: Was ist bei einem Touareg denn nun vorstellbar?

Krebs: Wenn man noch weitere fahrzeugseitige Modifikationen vornimmt, ist ein Verbrauch unter zehn Litern mit einem Ottomotor vorstellbar. Für ein solches Fahrzeug und die On- und Off-Road-Möglichkeiten, die es bietet, ist das ein sehr guter Wert.

Elektrifizierung spielt immer größere Rolle

Der Golf GT Foto: dpa

Autogazette: Welche Rolle spielt der Hybrid bei allen Ihren Ausgangsüberlegungen?

Krebs: Die Elektrifizierung des Antriebsstranges spielt in der Zukunft eine immer größere Rolle. Wir werden es uns nicht weiter leisten können und wollen, Bremsenergie nicht zu nutzen und den Motor in längeren Stillstandzeiten einfach weiterlaufen zu lassen. Ein Konzept der Elektrifizierung, in dem dies umgesetzt ist, ist der Full-Hybrid.

Autogazette: Und was halten Sie von Start-Stopp-Systemen?

Krebs: Das ist ohne Frage eine interessante Sache. Sie ermöglichen es, je nach Fahrweise, zwischen 0,2 und 0,5 Liter pro 100 Kilometer zu sparen. Intelligent gemacht ist es für den Fahrer auch kein Problem mehr. Zu Lupo-Zeiten hatten die Fahrer die unbegründete Angst, nach einem Stopp nicht mehr losfahren zu können.

Autogazette: Wie schaut es mit den Kostenaspekten beim Hybriden aus? Liegt hier nicht das größte Problem, was derzeit gegen eine Marktdurchdringung spricht.

Krebs: Sie können es einfach am Marktpreis heute verfügbarer Hybriden erkennen. Diese Fahrzeuge sind im Vergleich zu einem Polo BlueMotion etwa 8000 Euro teurer, ohne in Bezug auf CO2 die niedrigen Werte des Polo ganz zu erreichen. In einem Hybrid ist aufwändige Technik verbaut. Trotz des hohen Preises dieser Fahrzeuge können dabei die realen Kosten in der Regel nicht voll an den Kunden weitergegeben werden.

«Sind Verfechter einer Beimischlösung»

Autogazette: Saab hat gerade angekündigt, nach dem 9-5er nun auch den 9-3er mit BioPower-Motoren anzubieten. Zugleich stellte man in Genf ein Concept-Car vor, das mit E100 betankt werden kann. Was halten Sie von Bioethanol als Kraftstoff?

Krebs: Ich bin nicht überzeugt, dass E85, also 85 Prozent Ethanol und 15 Prozent Ottokraftstoff oder auch E 100, sinnvolle Lösungen sind. Eine europaweite Einführung von E85 scheitert an der zu geringen Menge des verfügbaren Ethanols und den hohen Investitionen in das Tankstellensystem, die nötig würden. Lokale E85 Märkte haben kaum eine CO2 mindernde Wirkung, benötigen aber ebenfalls hohe Investitionen. Deshalb sind wir Verfechter einer europaweiten Beimischlösung, weil diese sofort und im gesamten Fahrzeugbestand ohne zusätzliche Investitionen wirkt. Derzeit können laut Kraftstoffnorm 5 Prozent Ethanol in den Ottokraftstoff zugemischt werden. Dieser Wert wird in Europa derzeit noch nicht einmal erreicht. Unsere aktuellen Benzin-Fahrzeuge sind sogar für Ethanolbeimischungen bis 10 Prozent freigegeben.

Autogazette: Welche Vorteile bietet denn Sunfuel, beziehungsweise die Biokraftstoffe der zweiten Generation?

Krebs: Die zweite Generation der Biokraftstoffe nutzt nicht die Frucht an sich, sondern nutzt das Stroh, Hölzer und Reststoffe. Die Frucht kann weiterhin zur Nahrungsmittelproduktion genutzt werden. Gleichzeitig sind die Erträge an Kraftstoff pro Fläche bei den Kraftstoffen der zweiten Generation wie Sunfuel höher als bei Kraftstoffen der ersten Generation, wie beispielsweise Biodiesel.

Autogazette: Wo sehen Sie persönlich den Antrieb der Zukunft?

Krebs: Viel wurde und wird der Brennstoffzelle im Fahrzeug zugetraut. Ich persönlich glaube nicht, dass die Brennstoffzelle, die Wasserstoff benötigt, vor 2020 im Verkehrssektor ankommen wird. Allein Erzeugung und Speicherung von Wasserstoff bergen schon sehr hohe technische Hürden. Es wird viel Zeit und Geld nötig sein, bis Preis, Menge und CO2-Bilanz des Energieträgers Wasserstoff akzeptabel werden. Nahe liegender erscheint mir da der Einsatz in Stationäranlagen.

Brennstoffzellen-Fahrzeug bis 2020 darstellbar

Ein Brennstoffzellenstapel auf dem Prüfstand von VW Foto: Werk

Autogazette: Wie realistisch ist es, bis 2020 ein Brennstoffzellenfahrzeug auf den Markt zu bringen?

Krebs: Bis 2020 kann man technisch ein solches Fahrzeug darstellen. Offen bleibt jedoch, ob die derzeitigen Kosten so weit abgesenkt werden können, dass es für den Kunden eine echte Alternative sein kann. Zudem bleibt die Frage, wie der nötige Wasserstoff, der keine Energiequelle, sondern ein Energieträger ist, also selbst erst unter Einsatz von Energie erzeugt werden muss, produziert wird. Gerade im Hinblick auf die CO2-Bilanz eine wichtige Frage. Wir glauben, dass nur regenerativ erzeugter Wasserstoff überhaupt eine Alternative sein kann. Deshalb bin ich überzeugt, dass die bessere Lösung der nahen Zukunft in den Bio-Kraftstoffen der zweiten Generation liegt, die die fossilen Kraftstoffe zumindest teilweise ablösen können.

Das Interview mit Rudolf Krebs führte Frank Mertens

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