«Der Hybrid ist überbewertet»

Herbert Kohler fordert für die Marktdurchdringung alternativer Antriebe steuerliche Anreizsysteme. Im Interview mit der Autogazette spricht der Leiter Konzernforschung Fahrzeugaufbau und Antriebe der Daimler AG über den F700, die Brennstoffzelle und Biokraftstoffe.

Herbert Kohler misst dem Bluetec- und Diesotto-Konzept ein großes Zukunftspotenzial bei. «Parallel dazu ist es, allerdings etwas zeitversetzt, das Thema Brennstoffzelle. Damit verbunden sind dann auch unterschiedliche Nutzungskonzepte. Ich glaube nicht, dass wir in Zukunft mit zwei Antriebsformen auskommen», sagte Kohler im Interview mit der Autogazette.

«Werden neue Vielfalt sehen»

«Ich glaube vielmehr, dass wir beim Antrieb eine neue Vielfalt sehen werden», fügte Kohler hinzu. Der Manager verantwortet bei der Daimler AG die Konzernforschung für Fahrzeugaufbau und Antriebe. Kohler ist zugleich Umweltbevollmächtigter des Konzerns.

«Schnelle Antworten führen zu nichts»

Autogazette: Herr Kohler, ist der F700 mit seinem Diesotto-Motor in Verbindung mit dem Hybrid die Antwort von Mercedes auf die Klimadiskussion?

Herbert Kohler: Schnelle Antworten führen in der Regel zu nichts. Uns beschäftigt die Klimadiskussion seit geraumer Zeit und lange bevor sie zum Allgemeingut geworden ist. Folglich ist der F700 das Produkt all unserer Überlegungen zu einem Thema, das wir schon lange auf unserem Radarschirm haben.

Autogazette: Welche Ausgangsüberlegungen liegen diesem Auto zugrunde?

Kohler: Es ging darum, wie man ein statusorientiertes, sicheres Fahrzeug mit einem Verbrauch realisieren kann, den man sonst nur aus dem Kleinwagen-Segment kennt.

Autogazette: Bislang ist der F700 nur ein Forschungsfahrzeug. Ab wann ist damit zu rechnen, dass man ein solches Fahrzeug oder das Konzept dieses Fahrzeuges auch auf der Straße sehen kann?

Kohler: Dieses Fahrzeug wird es 1 zu 1 so nie geben. Dahinter steckt schon Tradition: Wenn sie unsere früheren Forschungsfahrzeuge betrachten sind technische Lösungen nie in Summe sondern immer einzeln und dann zeitversetzt realisiert worden. Im Klartext: den Motor des F700 wird es ebenso wie den gesamten Antriebsstrang geben. Teile des Designs oder verschiedene Komfortthemen sicherlich auch. Dann jedoch verteilt auf verschiedene Fahrzeuge.

F700 keine Vorpositionierung der neuen S-Klasse

Mercedes F 700 Foto: Daimler

Autogazette: Wenn Sie an andere Fahrzeuge denken, denken Sie dann vor allem an die S-Klasse?

Kohler: Wer auf die Idee kommt, der F700 sei die Vorpositionierung der neuen S-Klasse, irrt! Denn es muss nicht zwangsläufig so sein, dass Details dieses Fahrzeuges, das von seinen Dimensionen her der S-Klasse entspricht, sich auch nur in der S-Klasse wiederfinden. Das Bedienkonzept zum Beispiel kann ich mir ebenso gut wie etwa den Antrieb in einem anderen Fahrzeug vorstellen.

Autogazette: Welchen Vorteil bietet denn das Diesotto-Konzept, also die Verbindung von einem Diesel- und einem Ottomotor? Ist der Verbrauch von 5,3 Litern nicht auch mit anderen Motoren darstellbar?

Kohler: Im Ottomotoren-Bereich ist ein solcher Wert auch nicht mit den Technologien darstellbar, die wir bislang kennen. Beim Diesotto realisieren wir eine homogene Verbrennung, die der Dieseltechnologie entlehnt ist. Ein Diesel allein kann aber ohne aufwändige Abgasnachbehandlung die Abgasemissionen nicht so darstellen, wie es hier der Fall ist. Das macht den Diesotto-Motor so einzigartig.

«Diesotto hat großes Zukunftspotenzial»


Autogazette: Daimler arbeitet neben dem Diesotto-Konzept beispielsweise auch an der Brennstoffzelle oder dem Hybriden. Gibt es ein Konzept, dem Sie die größten Zukunftsaussichten beimessen?

Kohler: Neben Bluetec hat sicherlich der Diesotto, der durch seine Vielfalt und seine Möglichkeiten besticht, großes Zukunftspotenzial. Parallel dazu ist es, allerdings etwas zeitversetzt, das Thema Brennstoffzelle. Damit verbunden sind dann auch unterschiedliche Nutzungskonzepte. Ich glaube nicht, dass wir in Zukunft mit zwei Antriebsformen auskommen. Ich glaube vielmehr, dass wir beim Antrieb eine neue Vielfalt sehen werden.

«Hybrid ist überbewertet»

Autogazette: Glauben Sie, dass der Hybrid von seiner Wirkungsweise überbewertet ist?

Kohler: In Kombination mit dem Benzinmotor glaube ich in der Tat, dass der Hybrid überbewertet ist. Allerdings nicht in seiner Existenzberechtigung, weil der Hybridmotor in seiner Kombinatorik auch bei einer Brennstoffzelle ganz wichtig ist. Ein Brennstoffzellenfahrzeug hat ja auch eine Hybridkomponente.

Autogazette: Viele Hersteller konzentrieren sich stark auf den Wasserstoff, für dessen Produktion ein hoher Energieaufwand nötig ist. Stellt das dieses Konzept nicht in Frage?

Kohler: Die Frage ist immer, woran man den Energieaufwand misst. In der Herstellung ist Wasserstoff sicherlich aufwändiger als es ein Diesel- oder Benzinkraftstoff ist. Aus technologischer Sicht ist es wenig zielführend, Wasserstoff mit einem Verbrennungsmotor zu verbinden, denn dann kämen zwei schlechte Welten zueinander. Doch wenn man Wasserstoff in einer Brennstoffzelle einsetzt, wird daraus eine äußerst energieeffiziente Lösung.

Anreizsysteme schaffen

Die Mercedes B-Klasse F-Cell Foto: Daimler

Autogazette: Welche Erwartungen haben Sie mit Blick auf die Marktdurchdringungen alternativer Antriebe von der Politik? Muss es steuerliche Anreizsysteme geben?

Kohler: Ja, so etwas sollte es geben. So etwas gibt es ja auch schon beim Kraftstoff: Ich nenne hier nur das Erdgas oder die Biokraftstoffe

Autogazette: Bleiben wir bei den Biokraftstoffen: Weshalb widmet sich Daimler nicht der Thematik Bioethanol?

Kohler: Wir haben technologisch mit Bioethanol kein Problem. Wir verkaufen bereits E85-Fahrzeuge in den USA. Diese in Europa anzubieten, würde, rein technisch gesehen, kein Problem darstellen. Ich glaube indes nicht daran, dass es in Europa eine flächendeckende Infrastruktur für E85 geben wird.

Autogazette: Widerlegt das Beispiel Schweden Sie nicht? Dort boomt das Thema Bioethanol.

Kohler: Schweden hat eine kleinere Bevölkerung und entsprechend weniger Fahrzeuge. Egal wie sich die Politik beim Thema Biokraftstoffe positioniert: Wir können uns schnell darauf einstellen. Doch ich bin der Meinung, dass hier eine Beimischung sinnvoller ist. Die Mineralölindustrie tut sich doch enorm schwer, ein flächendeckendes Netz aufzubauen und es wird Zusatzinvestitionen hervorrufen die letztendlich vom Kunden getragen werden müssten.

Autogazette: Mercedes bietet nun in allen 50 Bundesstaaten der USA Dieselfahrzeuge an. Bei der E-Klasse liegt der Anteil an Bluetec-Fahrzeugen derzeit bei 17 Prozent. Entspricht dieser Anteil Ihren Zielsetzungen?

Kohler: Er hat unsere Erwartungen übertroffen. Die Dieselvariante der M-Klasse läuft sogar noch besser als die E-Klasse.

Autogazette: Im Sommer 2010 wird die B-Klasse als Brennstoffzellenfahrzeug in Kleinserie produziert. Was heißt das genau?

Kohler: Es ist das erste Brennstoffzellen-Fahrzeug, das unter Serienbedingungen produziert wird. Damit können wir die ersten Erfahrungen für eine wirkliche Massenproduktion sammeln.

Autogazette: Ist das Auto auch kostenseitig darstellbar?

Kohler: Wir gehen davon aus, dass wir die Marktreife der Brennstoffzellen-Fahrzeuge zwischen 2012 und 2015 erreichen werden. Und das bedeutet, sowohl technologisch, als auch zu einem Preis, der für die Kunden akzeptabel ist.

Das Interview mit Prof. Herbert Kohler führte Frank Mertens

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