Das Risiko-Projekt

Beifahrerbericht vom neuen Ford Fiesta

Noch ehe die offizielle Vorstellung des neuen Ford Fiesta im September erfolgt, konnten wir schon mal auf den Beifahrersitz des Kölner Kleinwagens klettern und erste Fahreindrücke aufschnappen.

Von Martin Woldt

Ehe ein Auto wie der neue Fiesta auf die Menschheit losgelassen werden kann, liegt das Projekt in den Händen von Entwicklungsingenieuren. Die Autoindustrie beschäftigt ein Heer solcher zur Verschwiegenheit verpflichteten Entwickler. Weswegen deren Seelennöte der allgemeinen Öffentlichkeit meist verborgen bleiben. Wie bisher bei Markus Lemmen, der, als er noch bei Ford in der Forschung arbeitete, eines Tages die Aufgabe bekam, für den künftigen Fiesta eine elektro-mechanische Lenkung zu entwickeln.

Zum Scheitern verurteilt

Das muss ein Gefühl gewesen sein, als hätte ihn Osama bin Laden zum Gotteskrieger auserkoren. Erst recht als ihm bei Erfolg nicht mal wenigstens eine Jungfrau versprochen wurde. Die Aufgabe lautete gefährlich lakonisch, dass die neue Lenkung in etwa genauso gut wie die alte hydraulisch unterstützte werden solle. Nun hat sich Ford um das Blechkleid des alten Fiesta vergleichsweise einfache Gedanken gemacht. Die Präzision von Lenkung und Fahrwerk aber, sind Teil des besonderen Rufes der Marke und gelten fremden Entwicklern nicht selten als Maßstab. Hier kennt man sich aus bei Ford und schob, weil ohne Not, das Abenteuer elektrisch unterstützte Lenkung schon eine Weile vor sich her.

Schulterklopfen im Kollegenkreis

Erste Testrunden im Ford Fiesta Foto: Ford

Der Gedanke an ein Himmelfahrtskommando kam Lemmen, weil die neue Lenkung alle Befehle von einem E-Motor vermittelt an die Räder weiterleitet, solch Motor aber träge reagiert. Weshalb man alle denkbaren Verzögerungen elektronisch ausbügeln muss, will man am Steuer wirklich spüren, was auf der Straße passiert. «Der Fahrer soll am Lenkrad sofort merken, wenn sich der Untergrund ändert», beschreibt der Entwickler seinen Ehrgeiz. Ein unter Umständen endloser Abstimmungsprozess. Jetzt da der Job erledigt ist, und Lemmen im Kollegenkreis schon manches Schulterklopfen geerntet hat, steht die Frage nach der Jungfrau eigentlich wieder im Raum.

Eindrücke vom Beifahrersitz

Achtbarer Platz auf der Rückbank Foto: Fiesta

Wir können noch nichts bestätigen oder kritisieren. Wir können uns nur ein wenig an den Augen von Fahrwerksentwickler Wolfgang Helbert orientieren, der uns auf dem Beifahrersitz des neuen Fiesta ein paar Runden über das Ford-Testgelände im belgischen Lommel mitnahm. Helbert jagte den Fiesta über alle möglichen Straßennachbildungen der Welt: deutsche Autobahn, wellige Piste aus Florida, polnischen Knüppeldamm und der Fiesta kam mit allen zurecht. Helbert keilte das Auto schneidig in die Kurven, um dann geschmeidig wieder daraus aufzutauchen. Unser Eindruck:dass der Fiesta mit dem Steißbein schonend umging, das Geräuschniveau solide gedämpft an unser Ohr drang und die Sitze feste Position bieten. Alles wirkte schon so wie eine Segmentklasse drüber.

Gewicht verloren

Muskulöser trotz weniger Gewicht Foto: Ford

Obwohl der Fiesta körperlich gar nicht so viel zugelegt hat. Lediglich um drei weitere Zentimeter auf 3,95 Meter wuchs der Abstand zwischen den Stoßfängern. Das sind keine Spitzenwerte im Segment. Das Kofferraumvolumen legte allerdings von 268 auf bemerkenswerte 295 Liter zu. Und dabei hat die Kniefreiheit auf der hinteren Sitzbank nicht gelitten. Auch das Höhendilemma bei sportlich geschnittenen Dachkurven umgeht das neue Design geschickt. Wer nicht gerade zwei Meter Körperhöhe mitbringt, sollte hinten wenig Schwierigkeiten haben. Die gestreckte Dachhöhe um fünf Zentimeter auf 1,48 Meter wirkt als echter Komfortgewinn.

Hauptziel allerdings war nach den Worten von Projektmanager Dieter Schwarz, das Gewicht des Autos deutlich nach unten zu drücken. Ähnlich wie schon beim Mazda 2, mit dem sich der Fiesta die Plattform und einen guten Teil gemeinsamer Basisentwicklung teilte, gelang es, trotz zusätzlicher Teile an Bord ordentlich abzuspecken. «Immerhin 40 Kilogramm», sagt Dieter Schwarz.

Leichtere und festere Karosserie

Das würde man aus der Nähe nicht vermuten. Das neue Design wirkt im Gegenteil muskulöser und prägnanter. Insbesondere das Heck vermittelt einen kraftvollen Eindruck. Eingespart wurde das Reserverad, durch leichtere Vorderradaufhängungen, den Einsatz festerer, aber leichterer Stahlteile in der Karosserie. Aber auch Lemmens Lenkung hat einige hundert Gramm beigetragen. Das und die Tatsache, dass hier kein Hydrauliköl mehr unter Druck gehalten werden muss, beziffern den Spritspareffekt der Lenkung auf minus drei Prozent. Das drückt den Verbrauch.

Die erwartete Hauptmotorisierung, ein 1,25 Liter Duratec-Benziner mit 82 PS gibt sich mit 5,7 Litern auf 100 Kilometer zufrieden, im Vorgänger mit 80 PS war das noch ein halber Liter mehr. Mit dem neuen Motor ausgestattet, soll der Fiesta als Dreitürer 12.000 Euro kosten, mit 60 PS 11.250 Euro. Der Diesel beginnt bei 14.500 Euro. Zur Serienausstattung gehören ESP und fünf Airbags. Beim EuroNCAP-Crashtest erwarten die Ford-Leute, fünf Sterne heimzuholen.

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