«CO2 kennt keine Landesgrenzen»

Rupert Stadler hat die Diskussion um eine C02-Reduzierung als «zu einseitig» bezeichnet. Im Interview mit der Autogazette spricht der Audi-Chef über neue Modelle, Anreizsysteme für alternative Antriebe und seine Absatzerwartungen.

Audi-Chef Rupert Stadler fordert mit Blick auf die C02-Reduzierung eine Gleichbehandlung aller Hersteller. «Ich will eine Regelung, bei der die Belastungen für alle gleich sind. Wenn wir nicht im Massensegment die gleichen Anstrengungen unternehmen wie im Premiumssegment, dann werden wir am Ende des Tages eine falsche C02-Bilanz erhalten. Wir brauchen deshalb eine Einteilung in Fahrzeugklassen», sagte Stadler im Interview mit der Autogazette.

«Wir orientieren uns an Fakten»

Autogazette: Herr Stadler, fühlen Sie sich angesichts der Klimadebatte in diesen Tagen von der Politik eigentlich als Schmutzfink an den Pranger gestellt?

Rupert Stadler: Überhaupt nicht. Ich fühle mich sehr wohl mit der Aufgabe, die ich übernommen habe und der Verantwortung für unsere über 50.000 Mitarbeiter. Unsere Industrie kommt ihrer Verantwortung nach. Wir orientieren uns jedoch an den Fakten, somit nehme ich meine unternehmerische Verantwortung wahr.

Autogazette: Selbst der Bundespräsident hat der Autoindustrie Versäumnisse bei der CO2-Reduktion vorgeworfen. Macht Sie eine solche Kritik nicht nachdenklich?

Stadler: Ich möchte dazu keinen weiteren Kommentar abgeben. Wir hätten in der Vergangenheit vielleicht über die neuen Technologien, die wir in den vergangenen Jahren verfolgt haben, mehr reden müssen. Ich meine damit den Turbo-FSI, den TDI, Einspritzverfahren oder die Reibwertminimierung. Nur ein Beispiel: Wir haben den CO2-Ausstoß beim Audi A4 mit einem 4 Zylinder-Benzinmotor in den letzten acht Jahren um 15 Prozent gesenkt. Wir brauchen uns mit dem nicht zu verstecken, was wir getan haben.

«Möchte keine Einheitsdebatte»

Der Audi A3 Foto: Werk

Autogazette: Weshalb wird die Autoindustrie die Selbstverpflichtung dann nicht einhalten, den Ausstoß bis 2008 auf 140 Gramm zu reduzieren?

Stadler:

Das ist eindimensional. Wir haben in Genf einen Audi A3 mit einem 1,9 Liter-Motor und einer entsprechenden Getriebeabstimmung ausgestellt, der einen Schadstoffausstoß von gerade einmal 119 Gramm C02 pro Kilometer aufweist. Ich sage jedoch, dass so etwas für einen Audi A8 physikalisch nicht vorstellbar ist. Deshalb möchte ich keine Einheitsdebatte haben, sondern spezifisch für jedes Segment abgestimmte Werte.

Autogazette: Wann ist mit weiteren Fahrzeugen wie dem verbrauchsgünstigen A3 zu rechnen?

Stadler: Wir haben diese Modelle bereits heute schon: Wir haben einen A4 mit einem 1,9 Liter-TDI-Motor und einem Verbrauch von 5,2 Liter im Angebot. Ein hervorragender Wert für dieses Produktsegment. Zudem haben wir den Turbo-FSI, der beim Verbrauch knapp über sieben Litern liegt. Wir haben einen A6 mit einem Zweiliter-Turbodiesel im Angebot, der um die 170 Gramm ausstößt. Das sind alles keine schlechten Werte.

«CO2 kennt keine Landesgrenzen»

Der neue Audi A5 Foto: Werk

Autogazette: BMW kann seinen Kunden momentan 30 Modelle anbieten, die 140 Gramm emittieren. Ist man da bei Ihrem bayerischen Konkurrenten nicht ein Stück weiter?

Stadler: Das glaube ich nicht. Es geht nicht um die Anzahl der Fahrzeuge, die man anbieten kann, sondern um das, was der Kunde nachher auch bestellen möchte. Wenn wir den Kundenwunsch treffen mit dem, was wir anbieten, dann kann man das mit ein paar Modellen genauso gut machen . Wir sollten jetzt nicht in einen Volumen-Wettbewerb gehen über das, was wir anzubieten haben. Wichtig ist, dass wir es haben und der Kunde danach entscheiden kann.

Autogazette: Wenn man sich anschaut, wer was emittiert, dann entfallen derzeit rund 16 Prozent der CO2-Emissionen auf den Pkw-Verkehr. Haben Sie angesichts dieser Zahl den Eindruck, dass die Autoindustrie zu stark in die Pflicht genommen wird?

Stadler: Das ist genau der Hinweis, den ich gemacht habe. Natürlich hat die Autoindustrie ihren Beitrag zu leisten, dessen sind wir uns alle bewusst. Wir sind aber nicht die, die ausschließlich in der Pflicht stehen. CO2 kennt keine Landes- und Industriegrenzen, von daher muss man auch in seine Nachbarländer schauen. In der Gesamtheit liegt der Lösungsansatz.

«Es müssen alle Fakten auf den Tisch»

Autogazette: Schaut man sich die CO2-Emission im Ländervergleich an, weist Deutschland 1,8 Gramm pro Kilowatt und Kilometer auf, bei den Japanern sind es 2,1 Gramm. Geht die Diskussion zu stark zu Lasten der deutschen Hersteller?

Stadler (lacht): Sie werden mir immer sympathischer...

Autogazette: ...oh, dann habe ich die falsche Frage gestellt...

Stadler:

... genau auf diesen Aspekt habe ich bereits auf der Jahrespressekonferenz hingewiesen. Es müssen alle Fakten auf den Tisch. Es muss fair verglichen werden, wie wir die vor uns liegenden Aufgaben gelöst bekommen. Derzeit ist mir die ganze Diskussion zu einseitig, zu polemisch und von Halbwissen geprägt.

“Mobilität Basis unseres Lebensstandards“

Der Audi Q7 Foto: Werk

Autogazette: Hat die Diskussion um eine Verringerung des CO2-Ausstoßes bei Audi zu Rückgängen bei den Verkäufen eines A8 oder eines Q7 geführt?

Stadler: Das hat es nicht gegeben. Wenn man sich mit diesen Kunden unterhält, dann sagen sie mir: «Herr Stadler, ich fahre 80.000 Kilometer im Jahr, ich muss in diesem Fahrzeug arbeiten, ich brauche deshalb entsprechend Platz». Eine solche Aussage zeigt uns, dass wir an bestimmten Fakten nicht vorbeikommen. Wir brauchen in diesem Land Mobilität, das ist die Basis unseres Lebensstandards.

Autogazette: Die aktuellen Zahlen des Kraftfahrt-Bundesamtes weisen für die ersten zwei Monate des Jahres bei den Verkaufszahlen für SUVs ein Wachstum von 2,8 Prozent auf. Spielt Klimaschutz für die Kunden von Oberklassefahrzeugen keine Rolle?

Stadler: Es ist nicht zielführend, sich einzelne Segmente herauszupicken, die einen relativ geringen Anteil an den Gesamtzulassungen haben. Und dann kommt bei einigen Modellen das Nutzerverhalten hinzu: Wenn man sich anschaut, wie viele Kilometer die Kunden heute mit einem Sportwagen fahren - beispielsweise mit einem Lamborghini oder einem R8 - dann sind das vielleicht 3000 Kilometer im Jahr. Andere fahren mit einem Kleinwagen aber 30.000 Kilometer - jetzt können wir die Rechnung aufmachen, wer stärker zur C02-Belastung beigetragen hat.

«Ich will keine Sonderregelung»

Rupert Stadler bei der Präsentation des R8 Foto: AG/Mertens

Autogazette: Sie sprechen sich mit Blick auf den durchschnittlichen C02-Ausstoß von 130 Gramm für eine Sonderregelung für die Premiumhersteller aus. Was schwebt Ihnen vor, eine Einteilung nach Fahrzeugklassen?

Stadler: Ich will keine Sonderregelung. Ich will eine Regelung, bei der die Belastungen für alle gleich sind. Wenn wir nicht im Massensegment die gleichen Anstrengungen unternehmen wie im Premiumsegment, dann werden wir am Ende des Tages eine falsche C02-Bilanz erhalten. Wir brauchen deshalb eine Einteilung in Fahrzeugklassen.

Autogazette: Durch einen strikten Grenzwert sehen Sie Arbeitsplätze in der Automobilindustrie in Gefahr. Warum stellen Sie so eine Drohkulisse auf?

Stadler:

Drohungen liegen mir fern, das entspricht nicht meiner Art. Doch ich habe eine Verantwortung für die 50.000 Menschen im Unternehmen. Denen gegenüber bin ich verpflichtet, Beschäftigung zu sichern. Wenn eindimensionale Diskussionen geführt werden, werde ich mich dazu entsprechend äußern. Das habe ich getan.

Autogazette: Kann man nicht argumentieren, dass Sie mit Blick auf die Arbeitsplätze nur ein entsprechendes Angebot an mehr verbrauchsgünstigen Fahrzeugen schaffen müssten?

Stadler: Aber nein. Wir hatten ein solches Fahrzeug bereits mit dem Audi A2 mit drei Litern Verbrauch auf 100 Kilometer im Programm...

Autogazette:...zu einem deutlich zu hohem Preis...

Stadler: ...und dann haben wir 6480 Fahrzeuge verkauft. Eines muss klar sein: Neue Technologien zu entwickeln erfordert Investitionen und die müssen wieder verdient werden. Ich bin Unternehmer und für ein gutes wirtschaftliches Ergebnis verantwortlich. Entsprechend habe ich eine Gesamtverantwortung und keine isoliert eindimensionale.

«Billig wird das alles nicht»

Der Audi R8 Foto: Werk

Autogazette: Die Einhaltung strenger C02-Richtlinien geht mit höheren Entwicklungskosten einher. Was bedeutet es am Ende für die Geldbörse des Kunden, wenn er ein verbrauchsärmeres Fahrzeug fahren will?

Stadler:

Das wird die Zukunft zeigen. Es gibt eine Vielzahl von Maßnahmen, die zu einer Verringerung führen: Man kann auf Gewichtsreduzierung setzen, man kann das Reibungsverhalten optimieren, man kann bei der Klimaanlage ansetzen oder an innermotorischen Maßnahmen arbeiten. Doch billig wird das alles nicht. Wahrscheinlich wird es so sein, dass der eingesetzte Euro in der Automobilindustrie teurer sein wird für die C02-Bilanz als der eingesetzte Euro in anderen Bereichen, beispielsweise in der Dämmung von Häusern. Doch wir werden natürlich das technisch Mögliche zu einem vernünftigen Preis anbieten. Dann werden wir sehen, bis zu welchen Preis der Kunde bereit ist, auf diesem Weg mitzugehen.

Autogazette: Muss es entsprechende Anreizsysteme für alternative Antriebe geben?

Stadler: Ob es sie für alternative Antriebe oder eine neue Kraftstoffstrategie geben muss, muss die Regierung beurteilen. Wir werden ihr über den VDA oder den europäischen Automobilverband auf jeden Fall ausreichend Fakten und Daten anbieten, um adäquate Entscheidungen treffen zu können.Wenn Sie sich allein in Deutschland den Fuhrpark von 46 Millionen Fahrzeugen anschauen, von denen 21 Prozent der Fahrzeuge noch EU 0 oder EU 1 haben, dann frage ich mich, ob man dies seitens der Politik nicht wahrgenommen hat. Würde dieser Fahrzeugbestand auf der geltenden Norm EU IV erneuert, wäre sehr viel für die Senkung von Emissionen getan.

Autogazette: Porsche hat angekündigt, den Cayenne Ende des Jahres mit Hybridmotor anzubieten. Denken Sie angesichts einer solchen Ankündigung darüber nach, den Q7 mit Hybridmotor früher als 2008 auf den Markt zu bringen?

Kleinwagen noch in diesem Jahrzehnt

Stadler: Wir glauben nicht, dass es uns - auch beim besten Willen nicht - gelingen wird, dies zeitlich dramatisch vorzuziehen. .

Autogazette: Sie haben den A2 angesprochen. Wann wird es genau den Premiumkleinwagen von Audi geben?

Stadler: Das ist ein schöner Begriff. Premiumkleinwagen gefällt mir gut, er wird noch in diesem Jahrzehnt kommen.

Autogazette: Bitte, geht es auch genauer?

Stadler (lacht): Wenn es 2008 wäre, hätte ich es gesagt. Wir haben noch viel abzuarbeiten. Unser Produktportfolio ist sehr gut angereichert, so dass wir Stück für Stück die Ingenieursleistung, die wir zur Verfügung haben, auf dieses Projekt setzen werden.

«Das ist kein Steuerprivileg»

Beliebter Dienstwagen: Der A8 Foto: Werk

Autogazette: Audi macht rund 60 Prozent seines Geschäftes mit Dienstwagen. Befürchten Sie eine Schwächung Ihres Geschäftes, wenn das Steuerprivileg für Dienstwagen wegfallen sollte?

Stadler: Das ist kein Steuerprivileg. Es ist die Möglichkeit. Betriebsausgaben zu pauschalieren. Sie würden damit vor allem Selbständige wie etwa Handelsvertreter treffen, die ihr Auto brauchen, um ihren Beruf auszuüben. Diese Diskussion ist ja nicht neu. Sollte es hier jedoch massive Eingriffe geben, würde das auch an der Segmentstruktur rütteln.

Autogazette: Verkehrsminister Wolfgang Tiefensee will die Kfz-Steuer zukünftig nicht mehr nach Hubraum sondern nach dem C02-Ausstoß bemessen lassen. Wäre das problematisch für Ihre Modellreihen?

Stadler: Ich weiß nicht, welche Besteuerungsform die Regierung anstreben wird. Ich habe jedoch manchmal das Gefühl, dass der Kunde zur Kasse gebeten werden soll, damit Haushalte saniert werden. Am Ende des Tages werden diese Mittel, die aus der Verkehrsindustrie zur Verfügung stehen, aber leider nicht zweckgebunden reinvestiert, beispielsweise in Verkehrsleitsysteme oder die Infrastruktur.

«Verkaufserlöse fliegen uns nicht in den Schoß»

Der Audi A6 Allroad quattro Foto: dpa

Autogazette: Sie haben in 2006 mit 905.000 Fahrzeugen den elften Rekordabsatz in Folge erzielt. Wann fällt die Millionengrenze, schon dieses Jahr?

Stadler: Nein, das wird in diesem Jahr nicht möglich sein. Da bleibt der Schuster bei seinen Leisten. Wir haben uns Wachstum vorgenommen, wir wollen qualitativ wachsen. Die eine Million steht planerisch für Ende 2008. Die Verkaufserfolge fliegen uns ja nicht in den Schoß. Wir sind gut gestartet in den Januar, auch in den Februar. Wenn es so bleibt, dann sind wir auf unserer Etappe gut unterwegs.

Autogazette: Welche Märkte spielen auf dem Weg zur Million für Sie die größte Rolle?

Stadler: Jeder einzelne Markt ist für uns wertvoll. Das trifft selbst auf Island zu, wo wir mit 200 Autos im vergangenen Jahr einen Sales-Rekord erzielt haben. Die wichtigsten Märkte sind ohne Zweifel Westeuropa und Deutschland in punkto Stabilität und in punkto weiteres Wachstum USA und China.

Das Interview mit Rupert Stadler führte Frank Mertens

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