Harley-Davidson Low Rider S: Eine Macht beim Ampelstart

V2-Motor mit 97 PS

Harley-Davidson Low Rider S: Eine Macht beim Ampelstart
Die Harley-Davidson Low Rider S hat einen wuchtigen V2-Motor. © Harley

Harley-Davidson hat der Low Rider einen kraftvollen V2-Motor verpflanzt. Der Cruiser ist somit mit 97 PS unterwegs, der das Bike der US-Amerikaner wuchtig nach vorne schiebt.

Die wahre Idee einer Harley ist nicht die säuselnde, gepflegte Fortbewegung. Nein, in ihr leben die Wurzeln des Fahrzeugbaus, polternd, zuckend, irgendwie archaisch. Dieses Urbild könnte mit dem im nächsten Jahr bevorstehenden Inkrafttreten der Emissionsnorm Euro 4 ins Wanken geraten. Bevor es so weit ist, hat Harley-Davidson noch schnell den „Screamin' Eagle“-Motor mit 1801 Kubikzentimetern in die Low Rider verpflanzt.

Dort treibt das mit 156 Newtonmetern bei nur 3500 Umdrehungen unglaublich kräftige Monster in einer Art und Weise sein (Un-)Wesen, dass es die reine Freude ist. „Wenn du nur ein Werkzeug haben kannst, nimm den ganz großen Hammer“, meinte ein Kollege. Recht hat er. Die dritte Inkarnation der hausinternen Sport-Baureihe nach den Softail-Modellen Fat Boy S und Slim S ist nun die Low Rider S. Schwarz wie die Nacht, ohne auch nur ein Fitzelchen Chrom, macht dieser Cruiser auf bitterböse. Nicht zuletzt dank des „Heavy Breather“-Luftfilters, der phallisch in den Fahrtwind ragt, erklimmt der V2 neue Leistungshöhen: 71 kW/97 PS und der schon erwähnte Drehmomentberg sind deutlich mehr als in den anderen beiden S-Modellen.

Vehementer Vortrieb

Die Folge: Zwischen 1.500 und 5.500 Umdrehungen schießt die mit 305 Kilogramm keineswegs leichte Fuhre dermaßen vehement nach vorne, dass man geneigt ist, das tatsächliche Gewicht sofort zu vergessen. Dabei ist es fast egal, in welchem Gang man den Gasgriff öffnet. Beeindruckend ist zudem, wie spontan der dicke V2 ans Gas geht – da genügt ein Millimeter, schon spürt der Fahrer die Reaktion des Motors. Großes Kino!
Dabei ist die Laufkultur des Großkolbentriebwerks mehr als beachtlich: Nie agiert der Motor nervös, die Vibrationen sind wahrnehmbar, aber nicht störend. Um die 2000 Touren herum ist ein leichtes Kribbeln in den Rasten zu spüren – das war's aber auch schon. Akustisch gibt’s auf der Low Rider S echt was auf die Ohren: Die „Tommy Gun“-Endtöpfe wären auch für die Posaunen von Jericho einsetzbar. Die Käufer werden es zu schätzen und zu zelebrieren wissen.

Echte Sportlichkeit liegt natürlich auch dieser Harley fern, denn 28 Grad Schräglagenfreiheit sind nun mal nicht die Welt. Unsichtbar werkeln die „Premium-Ride“-Fahrwerkskomponenten, nämlich eine 4,9 Zentimeter-Cartridegabel und aufgewertete Federbeine. So liegt die Low Rider S erstaunlich straff und lässt damit sogar bei flotterer Gangart den Eindruck aufkommen, als hätte sie noch ein (Reserve-)Ass im Ärmel. Wird der Asphalt schlechter, verzichtet der Fahrer von sich aus, den Grenzbereich auszuloten: Der noch nicht einmal sechs Zentimeter lange Federweg des Hinterrads ist blitzschnell aufgebraucht. Es ist also Cruisen angesagt, auf kurvenreichen Straßen möglichst mit dem Blick eines Adlers, um den Materialabtrag an den Fußrasten in Grenzen zu halten.

Gute Bremsleistung

Harley-Davidson Low Rider S
Die Low Rider ist ein Hingucker Harley

Die Bremsanlage, vorne mit zwei Scheiben tätig, verzögert nicht zuletzt dank der guten Bremswirkung der hinteren Einscheibenbremse insgesamt gut; der lange Radstand steht zwar höherem Kurvenspeed im Weg, dafür sorgt er für viel Gewicht achtern und damit für eine gute Bremsstabilität. Kräftiger Unterarme bedarf die Frontbremse dennoch. Das ABS regelt unspektakulär, aber sorgfältig.

Mindestens so wichtig wie das Fahren ist bei dieser Harley freilich das Aussehen. Wir empfinden es als spektakulär. Eine Oldschool-Lampenmaske, der fette T-Bar-Lenker, der Einzelsitz und der gekürzte Heckkotflügel sind die wichtigsten Teile, die es für die große Show brauchte. Die tiefschwarze Farbe, die sich über Motor, Fahrwerkskomponenten, Karosserieteile und auch die Auspuffanlage ergossen hat, tut ein Übriges. Mr. Cool darf sich glücklich schätzen, 20 Mille investiert zu haben. Denn trotz aller Sportlichkeit beherrscht die Harley-Davidson Low Rider S das spektakuläre Schaulaufen am besten, kann aber auch komfortables Cruisen und ist, wenn gefordert, eine Macht im Ampelsprint.

Alles gut? Radio Eriwan wusste schon immer Antworten, die in die Tiefe gehen. So nützlich die kleine Lampenmaske ist, weil sie tatsächlich den Winddruck auf den Fahrer reduziert, so unschön ist ihre billig wirkende Plastikverkleidung auf der Rückseite. Warum nicht die Instrumente dort unterbringen? Die thronen nämlich, nur höchst mäßig wahrnehmbar, auf dem Tank und informieren deshalb mehr schlecht als recht über Geschwindigkeit und Drehzahl. Freilich: Wirklich benötigt wird der Drehzahlmesser nicht. Umso mehr der Tacho; die Gründe dafür haben wir schon genannt. Ob es Bikes aus Milwaukee wie diese Low Rider S nach dem Inkrafttreten der Euro-4-Norm noch geben wird? Wer Zweifel hat, sollte alsbald seinen Harley-Dealer kontaktieren. Vielleicht hat er ja noch ein Exemplar dieses urwüchsigen Powerbikes. (SP-X)

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Frank Mertens
Nach dem Studium hat er in einer Nachrichtenagentur volontiert. Danach war er Sportjournalist und hat drei Olympische Spiele begleitet. Bereits damals interessierten ihn mehr die Hintergründe als das Ergebnis. Seit 2005 berichtet er über die Autobranche.

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