Neue Erfahrungen für alte Hasen

Eco-Trainings

Unternehmen setzen verstärkt auf Trainings zum Spritsparen. Dabei verfliegt die anfängliche Skepsis erfahrener Autofahrer recht schnell.

Von Thomas Flehmer

Die Skepsis überwiegt zumeist nach der Ankündigung der Firmenleitung, demnächst zu einem Spritspartraining anzutreten. 50.000 Kilometer und mehr befinden sich Außendienstmitarbeiter pro Jahr auf der Straße, wer kann so einem alten Hasen noch etwas erzählen, geschweige denn vormachen? «Man muss sagen, dass die Leute zuerst sehr skeptisch dem Thema Kraftstoffsparen begegnet sind, weil jeder zunächst der Auffassung ist: 'Ich fahre doch schon sehr sparsam. Kann ich überhaupt etwas lernen?'», sagt Stefan Schlesinger, Nachhaltigkeitsmanager beim Heiz- und Klimatechnikunternehmen Vaillant. Seit dem vergangenen Jahr bietet das Unternehmen aus Remscheid diese Form der Weiterbildung an, die in den letzten Jahren immer mehr von Firmen genutzt wurde. Der Vorteil liegt dabei klar auf der Hand. Angesichts steigender Diesel- und Benzinpreise bedeutet weniger Kraftstoffverbrauch auch weniger Ausgaben für das jeweilige Unternehmen. Vor allem dann, wenn Außendienstmitarbeiter das eine oder andere Mal das Gaspedal malträtieren, um schneller von einem zum anderen Termin zu gelangen.

80.000 Teilnehmer in 13 Jahren

Eine Fehleinschätzung, wie Ulrich Pfeiffer von der in Plankstadt bei Mannheim sitzenden EcoConsult anmerkt. Der gelernte Diplom-Ingenieur der Elektrotechnik bietet seit 1997 Eco- und Sicherheitstrainings an und hat das Wort Spritspartraining aus dem Wortschatz gestrichen.

«Beim Ecotraining besitzt Spritsparen lediglich einen Nebeneffekt. Unser Hauptziel ist es, eine neue Fahrkultur zu vermitteln», so Pfeiffer, «wir wollen zeigen, wie man zügig fahren kann, meistens flotter wie vorher, dabei entspannt, gelassen und ohne Stress. Durch weit vorausdenkendes Fahren kann dabei Kraftstoff eingespart werden.» Rund 80.000 Autofahrer sind in den 13 Jahren in den Genuss dieser «neuen Fahrkultur» gekommen.

«Tübingen macht blau»

Oberbürgermeister Boris Palmer Foto: Stadt Tübingen

Für die meisten der Teilnehmer wurde zuvor Spritsparen gleichgesetzt mit langsam vorankommen. Der Aha-Effekt nach dem Training war deshalb um so größer. «Es hat viele überrascht, dass man durch wenige Maßnahmen so viel Einsparungspotenzial hat. Man hat schon gemerkt, dass sich die Verhaltensweise beim Fahren geändert hat», sagt Anja Degner-Baxmann, Mitarbeiterin der Öffentlichkeitsarbeit der Stadt Tübingen. Dort wurden seit 2007 500 Beschäftigte der Stadt-Verwaltung zum Training aufgefordert – und zwar nicht vorrangig aus Gründen der Sparsamkeit. Der 2006 gewählte Oberbürgermeister Boris Palmer hatte nach seiner Einsetzung 2007 das Programm «Tübingen macht blau» gestartet.

Bis Ende 2010 soll nach der Vorgabe des Grünen-Politikers, der neben einem Fahrrad einen Elektro-Smart als Dienstfahrzeug benutzt, die Universitätsstadt zehn Prozent CO2 einsparen. «Darum sind auch die Beschäftigten der Stadt angehalten, umweltfreundlich zu fahren, wenn schon ein Auto benutzt werden muss», sagt Degner-Baxmann, die nach der Schulung besonders das Fahren im fünften Gang bei 50 km/h genießt. „In der Fahrschule haben wir damals diese Fahrweise nicht gelernt.» Damals waren die Fahrzeuge zumeist auch noch nicht so weit, niedertourig längere Strecken auszuhalten.

Bereitschaft zur Verhaltensänderung

Eco-Trainer Ullrich Pfeiffer Foto: Eco Consult

Doch die Technik, die in den vergangenen 15 Jahren in Sachen Umwelt einen großen Sprung gemacht hat, ist nur die eine Sache, umsetzen muss es der Mensch hinter dem Lenkrad. Dabei seien die meisten Maßnahmen wie frühes Hochschalten den Teilnehmern wohl bewusst, nur mit dem Umsetzen hapert es. «Es bedingt eine Bereitschaft der Verhaltensänderung», sagt Pfeiffer.

Doch die Verhaltensänderung tritt nach dem Training schnell auf. Die Teilnehmer sparen zwischen 20 und 25 Prozent Kraftstoff ein und haben dabei eine um fünf Stundenkilometer höhere Durchschnittsgeschwindigkeit. «Das verblüfft die Männer. Sie haben den Eindruck, dass sie langsamer fahren. Dabei fahren sie jetzt nur gleichmäßiger.»

Motivation folgt der Erkenntnis

Schlesinger bestätigt diesen Eindruck bei den Teilnehmern seines Unternehmens. «Der Aha-Effekt kam dann am Ende, als der zweistellige Spareffekt bei insgesamt schnellerer Fahrweise festgestellt werden konnte. Denn das ist das Interessante dabei: Weniger zu verbrauchen und gleichzeitig die Durchschnittsgeschwindigkeit zu erhöhen. Normalerweise wird erwartet, dass man sich wie eine Schnecke fortbewegen muss, wenn Kraftstoff eingespart werden soll.»

Und gerade diese Erkenntnis zog eine große Motivation nach sich. «Mehr als 90 Prozent der Teilnehmer haben sich anschließend bereit erklärt, an weiteren Maßnahmen teilzunehmen», sagt Schlesinger. Sicher freuen sich die Controller des Unternehmens, da so Gelder eingespart werden können, doch der Nachhaltigkeitsmanager sieht damit auch die Firmenphilosophie bestätigt. Durch die Senkung von CO2-Emissionen zeigen die Außendienstarbeiter ihre Corporate Identity auf eine ganz praktische Weise.

Wichtige Aufgabe der Geschäftsführung

Natürlich wirkt ein Training besonders in den folgenden Tagen nach. Im Laufe der Zeit kann es sein, dass das Gelernte und für gut befundene neue Fahren dann doch wieder den alten Gewohnheiten weicht. Während beim Training zwischen 15 und 20 Prozent eingespart werden, rechnet Pfeiffer mit einer durchschnittlichen Ersparnis von zehn Prozent nach einem Vierteljahr. Je nach Fahrweise der Mitarbeiter seien so «Einsparungen von 300 bis 1000 Euro pro Jahr möglich», sagt Pfeiffer.

Eine nachhaltigere Fahrweise sei aber dann möglich, wenn «die Geschäftsleitung hundertprozentig hinter dem Thema steht und selbst am diesen Trainings teilnimmt. Auf diese Weise entsteht nicht nur eine neue Fahr-, sondern auch Firmenkultur», da auch die Chefs erkennen, dass der Stressfaktor sinke. «Gerade das gelassene Fahren haben die Teilnehmer mehr geschätzt als den Sparfaktor.» Und spätestens da war auch die Skepsis der alten Hasen der neuen Philosophie gewichen.

Vorheriger ArtikelSchwarz und Weiß
Nächster ArtikelKabelsatz tauschen
Thomas Flehmer
Der diplomierte Religionspädagoge arbeitete neben seiner Tätigkeit als Gemeindereferent einer katholischen Kirchengemeinde in Berlin in der Sportredaktion der dpa. Anfang des Jahrtausends wechselte er zur Netzeitung. Seine Spezialgebiete waren die Fußball-Nationalelf sowie der Wintersport. Ab 2004 kam das Autoressort hinzu, ehe er 2006 die Autogazette mitgründete. Seit 2018 ist er als freier Journalist unterwegs.

Keine Beiträge vorhanden