Bundesgerichtshof: Umgekehrte Beweislast bei Gebrauchtwagenkauf

Bis zu sechs Monate nach dem Kauf

Bundesgerichtshof: Umgekehrte Beweislast bei Gebrauchtwagenkauf
Die Bedingungen nach dem Gebrauchtwagenkauf ändern sich © SP-X

Der Bundesgerichtshof folgt bei Mängeln nach dem Gebrauchtwagenkauf der Rechtssprechung des Europäischen Gerichtshofs. Dabei liegt die Beweislast nun beim Verkäufer.

Tritt bei einem Gebrauchtwagenkauf innerhalb von sechs Monaten ein Mangel auf, so hat es der Käufer nach neuester Rechtsprechung einfacher: Er muss weder den Grund für den Mangel noch den Umstand beweisen, dass er dem Verkäufer zuzurechnen ist. Damit hat der Bundesgerichtshof die so genannte Beweislastumkehr des § 476 BGB großzügiger für den Verbraucher ausgelegt.

Der Kläger kaufte von einem Händler einen gebrauchten BMW, bei dem nach knapp fünf Monaten die Automatik nicht mehr richtig schaltete. Er trat schließlich vom Kaufvertrag zurück und verlangte unter anderem die Rückzahlung des Kaufpreises. Die Klage hatte in den Vorinstanzen keinen Erfolg. Das Oberlandesgericht hat im Einklang mit dem Landgericht die Auffassung vertreten, der Kläger habe keinen Beweis erbracht, dass das Fahrzeug bereits bei der Übergabe einen Sachmangel aufgewiesen habe. Als Ursache komme auch ein Bedienungsfehler des Autofahrers in Betracht.

Auslegung im Einklang mit europarechtlicher Ebens

Die LG- und OLG-Richter argumentierten auch, dass sich der Kläger nicht auf die zugunsten eines Verbrauchers eingreifende Beweislastumkehrregelung des § 476 BGB berufen könne. Sie orientierten sich dabei an der bisherigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs: Danach begründet die Vorschrift lediglich eine in zeitlicher Hinsicht wirkende Vermutung, dass ein innerhalb von sechs Monaten aufgetretener Sachmangel bereits zum Kaufzeitpunkt vorgelegen habe. Wenn - wie hier - nicht aufklärbar sei, ob das Auto schon beim Kauf nicht in Ordnung war, gehe dies zu Lasten des Käufers.

Der Bundesgerichtshof änderte nun mit dem aktuellen Urteil seine bisherige Rechtsprechung, um sie mit der Auslegung auf europarechtlicher Ebene in Einklang zu bringen: Der EuGH hatte im vergangenen Jahr die dem § 476 BGB entsprechende EU-Verbrauchsgüterkaufrichtlinie anders ausgelegt (C-497/13). Das gebiete es, im Wege einer richtlinienkonformen Auslegung des § 476 BGB den Anwendungsbereich dieser Beweislastumkehrregelung zugunsten des Verbrauchers zu erweitern, so der BGH.

Viele Freiheiten für den Käufer

Anders als bisher muss der Käufer nun weder den Grund für die Vertragswidrigkeit – also für die kaputte Automatik - noch den Umstand beweisen, dass er dem Verkäufer zuzurechnen ist. Er muss lediglich nachweisen, dass die erworbene Sache nicht den Qualitäts-, Leistungs- und Eignungsstandards einer Sache entspricht, die er laut Vertrag vernünftigerweise erwarten konnte. Außerdem muss der Käufer nicht mehr beweisen, dass der nach dem Kauf eingetretene Mangel seine Ursache in einem zuvor zumindest schon im Ansatz vorliegenden Fehler hat.

Folge dieser geänderten Auslegung des § 476 BGB ist eine Verschiebung der Beweislast vom Käufer auf den Verkäufer im größeren Maß als bisher: Die gesetzliche Vermutung besagt, dass bereits zum Zeitpunkt des Gefahrübergangs zumindest ein in der Entstehung begriffener Sachmangel vorgelegen hat, der Verkäufer muss beweisen, dass es nicht so ist. Im vorliegenden Fall muss der Gebrauchtwagenhändler den Nachweis antreten, dass der Fehler in der Automatik zum Kaufzeitpunkt noch nicht vorhanden war, weil sie ihren Ursprung in einem Handeln oder Unterlassen des neuen Besitzers hatte. Gelingt ihm das nicht, greift zu Gunsten des Käufers die Vermutung des § 476 BGB auch dann ein, wenn die Ursache für den mangelhaften Zustand oder der Zeitpunkt ihres Auftretens offen geblieben ist. Also auch dann, wenn ungeklärt geblieben ist, ob überhaupt ein vom Verkäufer zu verantwortender Sachmangel vorlag.

Käufer kann zur Auskunft aufgefordert werden

Dem Verkäufer bleibt die Möglichkeit, sich darauf zu berufen und nachzuweisen, dass das Eingreifen der Beweislastumkehr des § 476 BGB ausnahmsweise ausgeschlossen ist. Das ist der Fall, wenn die Vermutung, dass der Mangel im Ansatz schon beim Kauf vorlag, nicht mit der Art der Sache oder dem Mangel vereinbar ist. Auch kann der Käufer im Einzelfall aufgefordert werden, zu seinem Umgang mit dem Kaufgegenstand Auskunft zu geben.

Der BGH hat das Berufungsurteil aufgehoben und den Fall zur neuen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen. Angesichts der neuen Auslegung des § 476 BGB muss das Gericht nun klären, ob der Verkäufer nachweisen konnte, dass der Automatik-Schaden zum Kaufzeitpunkt auch nicht im Ansatz vorlag, sondern auf eine nachträgliche Ursache (Bedienungsfehler) zurückzuführen ist. (VIII ZR 103/15). (SP-X)

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Thomas Flehmer
Der diplomierte Religionspädagoge arbeitete neben seiner Tätigkeit als Gemeindereferent einer katholischen Kirchengemeinde in Berlin in der Sportredaktion der dpa. Anfang des Jahrtausends wechselte er zur Netzeitung. Seine Spezialgebiete waren die Fußball-Nationalelf sowie der Wintersport. Ab 2004 kam das Autoressort hinzu, ehe er 2006 die Autogazette mitgründete. Seit 2018 ist er als freier Journalist unterwegs.

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