«Vollhybrid keine Lösung für Europa»

Ford Deutschland-Chef Bernhard Mattes

Bernhard Mattes sieht Ford zumindest in Europa trotz der Finanzkrise gut aufgestellt. Skeptischer beurteilt der Chef von Ford Deutschland die Chancen der Batterientechnologie. «Das sind enorme Kosten, die vom Verbraucher nicht getragen werden», sagte Mattes der Autogazette.

Bernhard Mattes sieht trotz der katastrophalen Lage von Ford in den USA das Europageschäft als nicht gefährdet an. «Wir haben zur Zeit die richtigen Produkte im Angebot: Unsere neuen Kleinwagen Fiesta und Ka können im Zusammenspiel mit unserem Finanzierungsangebot Ford «Flatrate» einiges abfedern», sagte der Vorsitzende der Geschäftsführung von Ford Deutschland der Autogazette. «Aber klar ist: Auch wir sind vom Abschwung betroffen», so Mattes angesichts schlechter Zahlen von Ford Europe im dritten Quartal 2008.

Milde Hybridformen für die Zukunft

Während Ford stark auf die Kleinwagen setzt, tritt das Engagement bei alternativen Antrieben in den Hintergrund. Während andere Hersteller mit Elektro- und Hybridfahrzeugen auftreten, setzt Ford auf die spritsparenden Econetic-Modelle und auf Flexfuel. «Wir forschen und entwickeln in verschiedenen Richtungen, weil heute noch keiner sagen kann, was langfristig die Lösung sein wird. Wird es Wasserstoff, wird es die Brennstoffzelle, wird es Elektro sein?», so Mattes.

Und gerade bei den Elektrofahrzeugen bleibt der Vize-Chef von Ford Europe skeptisch. «Es kommt darauf an, wie die Infrastruktur gestaltet sein wird, welche Kosten der Verbraucher zu tragen hat und wo die Energie herkommt. Denn die, die aus der Steckdose kommt, muss erst einmal in Form von Strom erzeugt werden.» Hinzu kommt, dass die Batterientechnologie derzeit noch zu teuer ist. «Wir sind auch heute noch bei enormen Kosten, die vom Verbraucher nicht getragen werden. Wir bewegen uns in Preisregionen, die keine Nachfrage generieren würde.»

Ford wird deshalb in mittelbarer Zukunft auf milde Hybridformen wie Start-Stopp-Systemen setzen. Dagegen sieht Mattes keine Zukunft für einen Vollhybriden in Europa. «Wir glauben, dass der Vollhybrid für die Verkehrsverhältnisse und die Fahrweise in Europa sowie für die Nutzung von Fahrzeugen zum jetzigen Zeitpunkt nicht die richtige Lösung ist.»

Richtige Produkte zur richtigen Zeit

Autogazette: Herr Mattes, können Sie angesichts der Finanzkrise eigentlich noch ruhig schlafen?

Bernhard Mattes: Gut. Natürlich sehen wir auch, dass sich die Verbraucher zurückhalten. Und das nicht nur im Neuwagengeschäft, sondern auch im Servicebereich. Das stellt auch für uns eine Herausforderung dar, aber wir haben zur Zeit genau die richtigen Produkte im Angebot: Unsere neuen Kleinwagen Fiesta und Ka können im Zusammenspiel mit unserem Finanzierungsangebot Ford «Flatrate» einiges abfedern.

Autogazette: Die Situation von Ford ist aber alles andere als rosig. In den USA brennt es schon lange, jetzt beginnt auch das Europa-Geschäft zu wackeln. Sie hatten im September ein Minus von 11,4 Prozent?

Mattes: In einigen europäischen Märkten, wie z. B. Spanien, geht die Nachfrage spürbar zurück. Doch wir können uns selbst in diesem schwierigen Umfeld gut behaupten. So sind wir in Spanien trotzdem Marktführer mit 9,5 Prozent Marktanteil (Anm.: kumuliert September).

Von Abschwung betroffen

Der neue Ford Focus Foto: AG/Flehmer

Autogazette: Sie hatten für die ersten beiden Quartale 2008 mit schlechten Zahlen gerechnet, danach sollte es mit dem neuen Mondeo und Focus aufwärts gehen: Der Reiz des Neuen ist aber schnell verpufft...

Mattes: ...wir sind mit der Entwicklung der ersten beiden Quartale recht zufrieden. Mit rund 1,3 Milliarden US-Dollar Gewinn hat Ford of Europe für die ersten zwei Quartale 2008 sogar ein bemerkenswertes Ergebnis erzielen können. Das ist ein sehr gutes Ergebnis, dass wir zum letzten Mal in den achtziger Jahren erreicht hatten. Aber klar ist: Auch wir sind vom Abschwung der Branche betroffen.

Autogazette: Weil Sie Ihre verbrauchsarmen Modelle zu teuer verkaufen?

Mattes: Wieso?

Autogazette: Der ADAC hatte im Dezember letzten Jahres ausgerechnet, dass sich ein Focus Econetic erst nach einer Laufleistung von 185.000 Kilometern rechnen würde. Das ist für den Kunden ein inakzeptabler Wert...

Mattes: ...unsere eigenen Untersuchungen haben gezeigt, dass die Amortisation für den Kunden weitaus früher eintritt.

Autogazette: Auf welchen Wert kamen Sie denn?

Mattes: Wir haben eine Verbrauchsreduzierung von 0,4 Litern gegenüber dem konventionellen Modell. Da kommt es dann auf die individuelle jährliche Fahrleistung an, wann sich die Investition für den Econetic rechnet.

Autogazette: Das Image ist aber nach so einem Testergebnis dahin...

Mattes: ...absolut nicht. Wir sehen, dass ein reges Interesse an allen Econetic-Modellen besteht. Und beim Verbrauch kommt es dann ja immer auch noch auf die Fahrweise jedes einzelnen an.

Vollhybrid für Europa nicht die richtige Lösung

Elektrocar Think Foto: Think

Autogazette: Derzeit gibt es einen Hybrid- und Elektrohype, von Ford hört man zu diesen beiden Themen aber überhaupt nichts. Haben Sie den Trend verschlafen?

Mattes: Wir forschen und entwickeln in verschiedenen Richtungen, weil heute noch keiner sagen kann, was langfristig die Lösung sein wird. Wird es Wasserstoff, wird es die Brennstoffzelle, wird es Elektro sein? Es kommt darauf an, wie die Infrastruktur gestaltet sein wird, welche Kosten der Verbraucher zu tragen hat und wo die Energie herkommt. Denn die, die aus der Steckdose kommt, muss erst einmal in Form von Strom erzeugt werden. Insofern haben wir das Voll-Elektrofahrzeug heute schon in der Erprobung mit einer kleinen Brennstoffzelle zum Aufladen der Batterien während der Fahrt, um eine große Reichweite zu erzielen. Wir haben den Wasserstoff-Verbrennungsmotor, wir haben die Brennstoffzelle und die Übergangstechnologien in Form von leichten und milden Hybriden und den Vollhybrid, den wir heute schon in den USA verkaufen.

Autogazette: Wann wird der Vollhybrid in Europa eingeführt werden?

Mattes: Wir glauben, dass der Vollhybrid für die Verkehrsverhältnisse und die Fahrweise in Europa sowie für die Nutzung von Fahrzeugen zum jetzigen Zeitpunkt nicht die richtige Lösung ist. Wir glauben, dass leichte Hybridformen wie Start-Stopp-Mechanismen und Bremsenergie-Rückgewinnung Elemente sind, die mit hocheffizienten Motoren gepaart genau die richtige Mischung ergeben. Daran arbeiten wir.

Autogazette: Ford hat schon einmal im Jahr 2000 einen Elektro-Ka gebaut. Wird sich diese Geschichte bei der neuen Generation wiederholen?

Mattes: Der e-Ka war ein reines Forschungsfahrzeug. Und wir hatten den «Think». Der «Think» war einmal eine Marke und ein Produkt innerhalb der Ford Motor Company. Damals war die Nachfrage nach solchen Produkten jedoch äußerst begrenzt. Deswegen haben wir das Projekt auch aufgegeben. Wir sehen aber, dass z. B. das Thema Plug in-Hybrid, also ein Elektro angetriebenes Fahrzeug, eine Lösung sein kann.

Teure Batterietechnologie

Ford Focus Flexifuel Foto: Ford

Autogazette: Vor acht Jahren war die Technik auch noch viel zu teuer...

Mattes: ...das ist sie heute noch. Wenn Sie die teure Batterietechnologie in ein Fahrzeug so einbauen, dass sie den Nutzen des Fahrzeugs nicht zu sehr einschränkt, dann sind wir auch heute noch bei enormen Kosten, die vom Verbraucher nicht getragen werden. Wir bewegen uns in Preisregionen, die keine Nachfrage generieren würde.

Autogazette: Doch selbst ein Mild-Hybrid noch eine Start-Stopp-Funktion ist bei Ford im Programm. Sie setzen nur auf das Nischenprodukt Flexifuel. Das ist doch reichlich wenig.

Mattes: Flexifuel ist eine Lösung für das Hier und Heute, um verbrauchsarme Fahrzeuge zu günstigen Preisen anzubieten. Vergessen Sie bitte nicht unsere umfassende Produktpalette von Econetic-Fahrzeugen, die erheblich weniger verbrauchen und noch weniger CO2 produzieren. In Deutschland werden diese Modelle noch in geringen Stückzahlen angeboten, rund 2000 Einheiten werden pro Jahr verkauft - weil es bislang noch kein flächendeckendes Netz von Tankstellen gibt. Aber in Skandinavien wird flächendeckend Bio-Ethanol angeboten und die Nachfrage ist dort umso höher. Über die Markteinführung milder Hybridformen können wir heute noch nicht sprechen, aber wir arbeiten intensiv daran.

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