Teures Benzin verursacht «Fahrschulsterben»

Immer weniger Führerscheinbewerber

Der steigende Spritpreis bringt deutsche Fahrschulen ins Schleudern. Weil immer weniger Menschen sich ein Auto leisten können, rechnet die Fahrlehrer-Bundesvereinigung mit einem massiven Arbeitsplatz-Verlust.

Dem Kieler Fahrlehrer Heinrich Göttsche graust es jeden Tag vor der Fahrt zur Zapfsäule. Auch wenn Benzin zuletzt wieder für weniger als 1,60 Euro pro Liter zu haben war, hat der Vorsitzende des Fahrlehrerverbandes Schleswig-Holstein kaum Hoffnung auf Besserung. «Katastrophe», «Selbstausbeutung», «Schmerzgrenze», platzt es aus ihm heraus. Wegen des teuren Sprits fürchtet er ein massives Fahrschulsterben.

Auch die Bundesvereinigung der Fahrlehrerverbände in München rechnet damit, dass viele der 12.800 Schulen in Deutschland wegen der hohen Benzinkosten in existenzbedrohende Lagen geraten könnten. Ein weiteres Problem stellt der demografische Wandel dar: Weniger Jugendliche bedeuten auch weniger Führerscheinbewerber.

150.000 Jobs in Deutschland bedroht

«Die Anpassungen an die Marktsituation werden sich in einer Reduzierung der Fahrschulen und dem Verlust von Arbeitsplätzen niederschlagen», sagt der Vizechef der Fahrlehrer-Bundesvereinigung, Peter Glowalla. Laut Umfragen sind durch die Kraftstoffpreise fast 150.000 Jobs in Deutschland bedroht - neben dem besonders betroffenen Taxi- und Mietwagengewerbe bangen auch Hunderte Fahrlehrer um ihren Broterwerb.

«Viele Fahrlehrer können nicht einmal mehr etwas für die Altersvorsorge zurücklegen», berichtet Göttsche. Die Kosten ließen sich auch nur bedingt an die Fahrschüler weitergeben. «Der Preiskampf ist kolossal, es gibt ein Überangebot an Fahrschulen in Deutschland.»

Zunehmende Selbstausbeutung

Beim Institut der Deutschen Wirtschaft in Köln sieht man die Lage nicht ganz so skeptisch. «Auf eine Reise mit dem Flugzeug oder Taxi kann man verzichten, aber wer 18 wird, möchte auf jeden Fall den Führerschein machen», sagt der Energieexperte Hubertus Bardt. «Auch wenn er 200 Euro mehr kostet.» Weil alle Fahrschulen in Deutschland eine ähnliche Preisstruktur haben, müsste eine begrenzte Weitergabe der Mehrkosten funktionieren. «Aber wenn jemand die Situation ausnutzt und vor Ort mit Kampfpreisen agiert, wird es schwierig.»

Das sieht Fahrlehrer Göttsche anders: «Was derzeit passiert, ist ein Alptraum. Keiner traut sich, an der Preisschraube zu drehen.» In vielen einkommensschwachen Familien fehle schon jetzt das Geld, um den «Lappen» zu finanzieren. Dieses Problem könnte sich bei den negativen Konjunkturaussichten verschärfen. «Für Fahrlehrer grenzt die Situation an Selbstausbeutung.» Derzeit gibt es noch 30.000 Fahrlehrer in Deutschland - Tendenz fallend.

50 Cent mehr pro Fahrstunde

Wenn es gut läuft, kostet ein Auto-Führerschein 1500 Euro. Der andauernde Preisanstieg muss nach Angaben der Fahrlehrer-Verbände mit durchschnittlich 50 Cent pro Fahrstunde an die Kunden weitergereicht werden - auch wenn dies die Marktsituation verschärfen könnte. In Mecklenburg-Vorpommern rechnet Verbandschef Hans-Joachim Bahls sogar mit bis zu zwei Euro «Spritaufschlag». Bei begonnenen Ausbildungen kann dies nicht mehr berücksichtigt werden, Mehrkosten haben die Fahrschulen zu tragen.

Im Schnitt müssen 800 Kilometer für den Führerschein abgestottert werden - Überland- und Autobahnfahrten fressen besonders viel Sprit. Die häufig ruckelnde Fahrweise der Schüler, das Abwürgen der Motoren und mangelhaftes Schalten tragen zu einem hohen Verbrauch bei. In ländlich geprägten Regionen wie Schleswig-Holstein leiden die Fahrlehrer besonders - sie haben lange Anfahrtswege, um die Schüler abzuholen.

200.000 Fahrschüler weniger in Deutschland

Erst ab 60.000 jährlich absolvierten Kilometern - also durchschnittlich 75 Fahrschülern - rechnet es sich für den Fahrlehrer, sagt der 62-jährige Göttsche. Hinzu kommt die Sorge um die Geburtenrate: In Schleswig-Holstein etwa sind die Geburten von 1986 bis 2006 um 25 Prozent zurückgegangen. In einigen ostdeutschen Gebieten gibt es 45 Prozent weniger Geburten als früher, viele junge Familien sind nach der Wende in den Westen gegangen. In Mecklenburg- Vorpommern rechnet Verbandschef Bahls damit, dass in den kommenden Jahre ein Drittel aller Fahrschulen dichtmachen werden.

Die Zahl der Fahrschüler in Deutschland sank zuletzt von einer Million auf 800.000. Nach Ansicht des Vizechefs des Fahrlehrerverbands Nordrhein, Kurt Bartels, werden die Führerscheinkosten aufgrund immer neuer Regeln auf Dauer nicht sinken - selbst wenn die Rechnung an der Tankstelle wieder niedriger ausfallen sollte. Generell sei zu beobachten, dass die Jugendlichen mehr Unterricht nehmen müssten als noch vor 20 Jahren. «Es gibt immer mehr neue Vorschriften etwa zum Grünen Pfeil und zum Kreisverkehr.» (Georg Ismar/dpa)

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