Wo der Gentleman außer Fassung gerät

Der Maserati Gran Turismo S

Mit dem Gran Turismo S hat Maserati sein bislang schnellstes Serienmodell im Programm. Der Preis, der dafür zu zahlen ist, lässt sich allerdings nicht nur in Ziffern ausdrücken.

Von Jochen Knoblach

Der Maserati-Käufer an sich ist für Peter Hermges kein Unbekannter. Der sei sehr erfolgreich und habe sehr viel Stil. Jedenfalls komme er nicht mit drei Goldkettchen daher, meint Hermges. Der 42-Jährige ist Chef der Deutschland-Dependance der italienischen Marke, etwas jünger als seine durchschnittlich 47-jährige Kundschaft, aber ebenfalls erfolgreich. Derzeit macht ihm vor allem das Coupé viel Freude. Der Gran Turismo locke Kunden, die bislang Audi, Porsche oder Mercedes fuhren, sagt Deutschlands erster Maserati-Verkäufer und auch, dass man bei Maserati manchmal «etwas traurig» ist, «wenn dann die großen benzingetriebenen Fahrzeuge vor der Tür stehen».

Ein unüberlegter Seitenhieb

Es ist ein Seitenhieb gegen die Gattung vermeintlich sportlicher, in erster Linie jedoch sehr durstiger Geländewagen, allerdings ein unüberlegter. Denn der neue Gran Turismo S, der nun auch überzeugte Besitzer eines Porsche 911 oder BMW M6 zum Markenwechsel animieren soll, schluckt auf 100 Kilometern mehr als ein Porsche Cayenne Turbo und jeder andere seines Schlages. Das will was heißen.

Zum Cruisen ungeeignet

Maserati GTS Foto: Maserati

Bei Maserati sieht man den 127.000 Euro teuren GT S als das sportliche Aushängeschild der Marke. Für Hermges ist das Kürzel unmittelbar mit Rennstrecken verbunden: «Der GT S ist kein Fahrzeug zum Cruisen», sagt er. Tatsächlich steht der dritte Buchstabe dafür, dass alles etwas flotter geht. Und er steht für dunkel getönte 20-Zoll-Felgen, ausladende Seitenschweller und die Spoilerlippe am Deckel des kinderwagenabweisenden Nissan-Micra-Kofferraums, was trotz serienmäßiger Isofix-Kindersitzbefestigungen im Fond des Viersitzers vermuten lässt, dass der erfolgreiche, stilvolle und schmuckallergene GT S-Lenker eher selten praktizierender Familienvater ist.

Der kleine Unterschied

Was den GT S aber vor allem von dem GT unterscheidet, steckt am Gegenpol des von Pininfarina so göttlich gezeichneten 4,90-Meter-Coupés: ein 4,7-Liter-V8. Jener Achtzylinder, der auch Alfa Romeos 8C Competizione antreibt. Damit steht das S auch für knapp einen halben Liter mehr Hubraum, 440 statt 405 PS und 490 statt 460 Newtonmeter, die von vorn an das nach Transaxle-Bauweise im Heck liegende Sechsgang-Getriebe gewuchtet werden, wo zwei achtundzwanzigeinhalb Zentimeter breite Reifen Kraft und Leistung als Beschleunigung und Geschwindigkeit spürbar werden lassen. Wer es drauf anlegt, kann mit den 1,8 Tonnen Maserati die Tempo-100-Marke binnen 4,9 Sekunden passieren und wenig später 295 km/h erleben. Schneller war kein Serien-Maserati zuvor. Damit ist der GT S um 0,3 Sekunden und zehn km/h im Vorteil. Es kostet aber zwei Liter Super extra. Im Schnitt werden 16,6 statt 14,6 Liter je 100 Kilometer veranschlagt.

Der eigentliche Unterschied

Der eigentliche Unterschied ist jedoch nicht auf Instrumenten und in Datenblättern ablesbar, er ist zu hören und zu fühlen. Denn während der ursprüngliche GT gewissermaßen der Gentleman unter den Sportwagen ist, einer, der selbst bei Höchstleistung noch bestechend guten Stil bewahrt, so verliert der GT S schon mal die Fassung, brüllt und tobt.

Dafür wurde die Automatik durch ein Sechsgang-Getriebe ersetzt, das über einen Automatikmodus verfügt, aber eigentlich über Schaltwippen am Lenkrad elektrisch angesteuert werden will.

Hydraulische Schleusen

Blitzschnell werden die Zahnradgruppen neu sortiert, was im per Knopfdruck abrufbaren Sportprogramm noch fixer geschieht, zumal jenseits der 5 000-Touren-Marke das Kuppeln und Schalten ineinander verschmilzt, während zudem im zweiflutigen Abgassystem hydraulisch Schleusen geöffnet werden, die dem Abgas den Umweg über einen Schalldämpfer ersparen, so dass das Explosionsgrollen direkt und aufmerksamkeitssüchtig aus den Endrohren bricht und beim Lupfen des Gaspedals die Detonationen überflüssiger Kraftstoffnebelschwaden etwas zu gewöhnlich aus dem Auspuff rotzen. Das mag für den Moment erfreuen, lässt aber bald den Verlust der nahezu vollkommenen Eleganz des unberührten GT bewusst werden. Und so wird man am Erfolg des GT S ablesen können, ob Hermges seine Kundschaft wirklich kennt.

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