VW Golf 1.5 eTSI: Bestseller mit Problemen

VW Golf 1.5 eTSI: Bestseller mit Problemen
Der VW Golf ist nach wie vor Bestseller in seinem Segment. © VW

Der VW Golf ist nach wie vor das wichtigste Auto der Wolfsburger. Doch derzeit bereitet er dem Autobauer wegen Softwareproblemen arge Sorgen. Wir sind das Kompaktmodell als 1.5 eTSI gefahren.

Ja, der Golf – vor nicht allzu langer Zeit war die Einführung einer neuen Generation des ewigen Bestsellers noch ein echtes Ereignis. Im Vergleich dazu erhielt das vor wenigen Monaten vorgestellte achte Modell seit dem Start 1974 nun nur leicht gesteigerte Aufmerksamkeit.

Es mag daran liegen, dass die Menschen gerade andere Sorgen haben oder dass die individuelle Mobilität an einer Zeitenwende zu stehen scheint. Es mag aber auch an der Konkurrenz im eigenen Hause liegen, Stichwort: Elektroauto ID.3, die dem Volksauto zu schaffen macht. Und dann stoppte Volkswagen auch noch kürzlich die weitere Auslieferung; das automatischen Notrufsystem E-Call funktionierte nicht zuverlässig und die bislang ausgelieferten Fahrzeuge benötigen schon ein erstes Software-Update. Es sah also schon mal besser aus um den Bestseller – die Reputation ist angekratzt. In Deutschland bleibt der Golf aber trotzdem zumindest vorerst unangefochten die Nummer 1 in der Verkaufsstatistik.

Wohlfühlen garantiert

Für den Wolfsburger sprechen dann doch offensichtlich zu viele Argumente, die auch bei unserem Testwagen gleich deutlich werden. In kaum einen anderen Kompakten steigt man vorne wie hinten so kommod ein – obwohl der Golf mit 1,46 Meter rund 2 Zentimeter an Höhe verloren hat. Und in kaum einem Wettbewerber sitzt man so gut, vor allem hinten bietet auch der neue Golf für zwei Erwachsene viel Platz auf guten Sitzen. Dazu kommt ein Kofferraum von 380 Litern, das ist okay. Insgesamt hat Volkswagen die Fahrzeuglänge von 4,28 Metern (+ 2 Zentimeter) sehr gut ausgenutzt, was durch das typische, leicht kastige Design natürlich erleichtert wird.

Größere Veränderungen gab es im Innenraum des VW Golf 8. Foto: VW

Denn der Golf ist zwar optisch viel moderner geworden, verschließt sich aber weiterhin modischen Spielereien. Wer mit dem Modell nicht sehr vertraut ist, dem wird die neue Generation auf der Straße vielleicht sogar noch nicht einmal auf Anhieb auffallen. Tipp: Von hinten lässt sich der Neue besonders gut erkennen, weniger am neuen, zweidimensionalen Markenlogo als vielmehr am Typenschild: „GOLF“ steht jetzt ganz unbescheiden gut sichtbar mittig darunter.

Weniger überzeugend als das Außendesign fällt leider unser Urteil über den Innenraum aus. Dass die Materialien im Vergleich zum Vorgänger etwas weniger wertig wirken sei dabei sogar noch akzeptiert. Es stört nicht wirklich, zumal die Verarbeitung beim Testwagen wirklich makellos war. Mehr schon darf man über die Bedienung den Kopf schütteln. Warum man, neben der Lenkradbedienung, die Verstellung von Lautstärke und Temperatur mittels schlecht einsehbarer sogenannter „Slider“ unter dem Bildschirm regeln muss, erschließt sich nicht. Vielleicht waren hier Kosten ein ausschlaggebender Faktor. Doch hieße dies bei einem Fahrzeug dieser Preiskategorie sicher am falschen Ende gespart zu haben. Und so viel teurer wären gut sichtbare und klar regelbare Drehknöpfe sicher auch nicht gewesen.

Vieles ist digital geregelt

Doch an solchen und an weiteren Tastern und Schaltern hat man überhaupt gespart. Dafür ist vieles digital geregelt, mit allen Vor- und Nachteilen. Das Cockpit wirkt zwar schön aufgeräumt, aber von der intuitiven Bedienbarkeit seiner Vorgänger ist der neue Golf weit entfernt. Auch die Sprachbedienung („Hallo Volkswagen“) überzeugt nicht, sie ist im Vergleich zu Systemen etwa von Mercedes oder BMW deutlich langsamer und versteht zudem viel weniger auf Anhieb richtig.

Kommen wir zur Essenz eines Autos, dem Fahren: Genau hier überzeugt der neue Golf, auch im Vergleich zum Wettbewerb, am deutlichsten. Die Basis hierzu legen die tollen Komfortsitze und eine perfekte Sitzposition. Die Fahrwerksabstimmung ist fantastisch gelungen und die bei weitem gelungenste der Kompaktklasse. Kein anderes Fahrzeug schluckt die Unebenheiten und Löcher des modernen Straßenwesens so souverän weg, ohne dabei aber in beliebige Schaukelei zu verfallen. Nein, sowohl Fahrwerk als auch Lenkung geben ausreichend Rückmeldung, machen aber auch nicht unnötig auf „dynamisch“.

Mit Elektrounterstützung

In unserem Testwagen war der zurzeit wohl interessanteste Motor für den Golf eingebaut, der 1,5-Liter-Benziner – hier als eTSI, also in Verbindung mit Zylinderabschaltung und einem 48-Volt-Mildhybridsystem. Der Riemenstartergenerator speichert dabei wie üblich die durch Rekuperation gewonnene Bremsenergie in einem Lithium-Ionen-Akku, der unter dem Beifahrersitz angebracht ist. Das reicht zur Unterstützung beim Anfahren und zur Versorgung diverser Aggregate mit Strom. Und das klappt in der Praxis vorzüglich und geschmeidig, im Leerlauf wird der Motor schnell ausgeschaltet und auch von der Zylinderabschaltung in speziellen Fahrsituationen bekommt man eigentlich nie was mit.

Mit den 150 PS aus vier Zylindern ist der Golf bestens motorisiert. Das Aggregat macht viel Druck, die oberen Gänge sind lang ausgelegt, so dass man beispielsweise beim Einfahren auf die Autobahn im Vierten lang und druckvoll beschleunigen kann. Weniger überzeugt uns weiterhin das Siebengang-Doppelkupplungsgetriebe. Macht es seine Arbeit in Fahrt noch recht gut, reagiert es vor allem beim Anfahren und Rangieren zu ruckelig. Wer etwa rückwärts einparkt muss wirklich aufpassen, dass er nicht auf die Stoßstange seines Hintermanns „springt“.

Ein Verbrauch, der noch in Ordnung geht

Volkswagen gibt für diese Motorisierung übrigens einen Normverbrauch von 4,8 Litern an, wir lagen glatte 2 Liter darüber, allerdings bei hohem Autobahnanteil. Im Alltag wird man wahrscheinlich mit 5,5 bis 6,0 Liter auskommen, was noch als ganz okay durchgehen kann.

Schon immer ist über die Preisgestaltung von Volkswagen diskutiert worden. Auch der neue Golf ist kein Sonderangebot. In der von uns gewählten Motorisierung geht es los mit der zweiten Ausstattungsstufe „Life“ für 30.205 Euro. Hier ist dann allerdings auch schon viel Nützliches dabei, etwa Parkpiepser vorne wie hinten, eine Klimaanlage, eine Differentialsperre, das Multifunktionslenkrad und das Radio Composition. Von der Vielzahl möglicher Assistenten sind Müdigkeitserkennung, Notbremsung und Spurhaltesystem immer dabei. Wer knapp 2.300 Euro drauflegt, erhält die „Style“-Ausstattung, die unter anderem 17-Zöller, einen elektrischen Fahrersitz, die Klimaautomatik, LED-Plus-Scheinwerfer mit Abbiegelicht sowie den adaptiven Tempomaten enthält.

Reichhaltige Optionsliste

Das Heck des VW Golf 8 mit dem Schriftzug „GOLF“. Foto: VW

Aus der reichhaltigen Optionsliste empfehlen wir das Head-up-Display (700 Euro), das Navi Discovey Pro (1.890 Euro), die Rückfahrkamera (325 Euro) und als Schmankerl die Adaptivdämper (1.045 Euro), die den Fahrkomfort nochmals deutlich und fast schon in Richtung obere Mittelklasse steigern.

So gesehen ist dann doch fast alles beim Alten geblieben: Auch der neue Golf ist teuer, komfortabel, leise, fahraktiv und sehr sicher. Zudem bietet er angesichts seiner in der Kompaktklasse eher knappen Grundfläche viel Platz. Gewöhnen muss man sich ans neue Cockpit, die wenig intuitive, teilweise zu komplexe Bedienung und die verschlechterten Materialien. Das reicht aber immer noch für den ersten Platz unter den Volumen-Kompakten. Mit den neuen Generationen anderer Hersteller könnte der Vorsprung aber demnächst empfindlich schrumpfen oder gar aufgebraucht sein. (SP-X)

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