Toyota Camry: Beim Verbrauch klasse

Toyota Camry: Beim Verbrauch klasse
Der Toyota Camry ist natürlich mit Hybrid unetrwegs. © Toyota

Der Toyota Camry ist auf deutschen Straßen ein Exot. Doch das muss nicht gegen den Japaner sprechen. Wir haben ihn getestet.

Sie werden es vielleicht nicht glauben, aber wir kennen jemanden, der sich den neuen Camry gekauft hat. Dies ist deshalb einer Erwähnung wert, weil man die große Toyota-Limousine hierzulande sehr selten sieht. Zu übermächtig ist die deutsche Konkurrenz in dieser Liga, und wer sich keinen A6, 5er oder die E-Klasse zulegt, der wechselt eher noch zu Volvo oder Jaguar.

Zudem hat der Camry eine Besonderheit, die je nach Auffassung als Stärke oder eben auch als Wettbewerbsnachteil wahrgenommen werden kann: Es gibt ihn zumindest in Europa ausschließlich mit Hybridantrieb.

Nun kann Toyota ja Hybrid, die Japaner propagieren und bauen die Kombination aus Benziner – hier ein 2,5-Liter-Vierzylinder mit 177 PS – und Elektromotor (hier: 120 PS) schon seit Mitte der 90er-Jahre. Im Camry merkt man diese Erfahrung auf jedem Meter. Das System arbeitet einwandfrei und effizient. Übrigens darf man die beiden PS-Werte nicht einfach addieren, die Systemleistung beträgt 218 PS. Wichtiger ist, dass beide Motoren gemeinsam bis zu 400 Newtonmeter Drehmoment bereitstellen.

Gute Verbrauchswerte

Der Innenraum des Toyota Camry ist wertig eingerichtet. Foto: Toyota

Das herausragende Ergebnis dieser ausgereiften Technik sei hier schon mal angebracht: Wir bewegten den Viertürer über den Testzeitraum mit durchschnittlich 5,9 Liter je 100 Kilometer, gerade mal 0,6 Liter über der WLTP-Norm. Und wir sprechen hier über ein immerhin über ein 4,90 Meter langes, 1,6 Tonnen schweres Auto. Näher an der Norm, von kompakten Dieselfahrzeugen mal abgesehen, lag bei uns in der Realität noch kein Modell, geschweige denn eines der gehobenen Mittelklasse.

Dass der Verbrauch so gering ausfällt, liegt auch an einer Schattenseite dieses Systems; Fahrspaß im eigentlichen Sinn will im Japaner nicht aufkommen. Man merkt dem Fünfsitzer stets an, dass er einerseits auf geringen Verbrauch getrimmt ist und andererseits nicht für Europa konzipiert wurde. Sein Markt liegt auf der anderen Seite des Atlantiks, wo Toyota mal locker jährlich 700.000 Stück der Limousine verkauft. Für ganz Europa kalkuliert der größte japanische Autobauer mit bescheidenen 12.000 Einheiten, in Deutschland würde man sich schon über einen Absatz von jährlich 500 Exemplaren freuen. Aber immerhin gibt es den Camry jetzt wieder zu kaufen, Toyota hatte das Modell seit 2004 in Europa nicht mehr angeboten.

Luft holen beim Überholvorgang

Zurück zum Fahrspaß: Dass der nicht im Vordergrund stehen kann, liegt auch am sogenannten „Planetengetriebe“ des Fahrzeugs, eine Art stufenloser Übersetzung, die man auch aus anderen Toyota-Hybriden kennt. Will man etwa auf einer Autobahn zügig überholen und tritt beherzt aufs Gaspedal, erlebt man den bekannten Effekt: Die Drehzahl steigt wie gewünscht, das Fahrzeug beschleunigt aber anfangs bei weitem nicht so, wie es die Lautstärke des aufheulenden Aggregats weismachen will. Weil dies unangenehm ist, verzichtet der Fahrer meist auf solche Späßchen, was wiederum zu einer gelassenen Fahrweise erzieht. Und das trägt natürlich ebenfalls zum geringen Verbrauch und einem ebenso geringen Blutdruck bei. Wahrscheinlich wollten die Entwickler genau das erreichen.

Spaß beiseite: Wer sich einen Hybrid kauft, sollte schon wissen, was er bekommt. Für sportliche Fahrer ist das nichts, zumal die Toyota-Hybride alle bei 180 km/h abregeln. Das darf man durchaus irgendwie auch sympathisch finden. Stören tut´s auf jeden Fall kaum, weil die weiche, „amerikanische“ Abstimmung im Camry sowieso eher zum gemächlichen Fahren verführt.

Altbackenes Display

Der Toyota Camry bietet viel Platz hinten und einen mit 524 Litern ziemlich großen Kofferraum. Foto: Toyota

Über den Hybrid kann man also streiten, letztlich ist das Ansichtssache und sollte von den Fahrvorlieben des Piloten abhängen. Nicht streiten kann man aber über das mit sieben Zoll und einer pixeligen Darstellung altbackene Display und eine teils atemberaubend umständliche Bedienung. So haben es die Toyota-Ingenieure bis heute nicht geschafft, dass man während einer Navi-Ansage die Laufstärke der Dame verstellen kann. Nein, es lässt sich immer nur das Radio regeln. Wer die Anweisungen zum Zielpunkt lauter (oder leiser) hören will, muss sich stets ins Menü begeben. Welches Argument man für diese Art umständlichster Bedienung ins Feld führen könnte, erschließt sich uns auch nach langem Nachdenken nicht.

Man sagte uns bei Toyota, dass eine Zielgruppe in Deutschland Taxifahrer sein könnten. Warum nicht? Der Camry bietet viel Platz hinten und einen mit 524 Litern ziemlich großen Kofferraum. Außerdem wirkt er bei Materialanmutung, Sitzen und Verarbeitung deutlich hochwertiger als etwa ein Prius, der einem ja in Großstädten wie Berlin oder Köln schon recht häufig als manchmal auch schon relativ ausgeleiertes Taxi begegnet.

Hälfte der Fahrten elektrisch

Toyota verspricht außerdem, dass im Alltag trotz der kleinen Nickel-Metallhydrid-Batterie bis zu 50 Prozent der Fahren elektrisch zurückgelegt werden können. Bei uns war das bei weitem nicht so. Aber vielleicht ist das ja in einem Taxi anders. Noch haben wir in keinem Camry-Taxi gesessen, bei nächster Gelegenheit werden wir das nachholen und den Fahrer fragen. Das Taxi-Paket kostet übrigens 1770 Euro Aufpreis.

Wer eher zurückhaltend fährt und weichen Fahrkomfort liebt, für den könnte der geräumige und auch optisch durchaus nicht unangenehme Hybrid also eine Empfehlung sein. Knapp 40.000 Euro verlangt Toyota für den Camry in der Business-Version, die bis auf ein Navi und LED-Scheinwerfer wirklich alles Wichtige an Bord hat. Sogar Ledersitze mit Heizung. Vermisst haben wir eigentlich nur ein Head-up-Display, das man in dieser Klasse heute mindestens gegen Aufpreis eigentlich erwarten darf.

Navi, LED und noch einiges mehr findet man in der höheren Executive-Ausstattung für knapp 42.400 Euro. Das sind aber ja nur die Listenpreise: Da der Camry in Deutschland alles andere als ein Selbstläufer ist, kann man beim Händler satte Rabatte raushandeln und den Realpreis deutlich drücken. Unser Bekannter, eben jener Camry-Fahrer, nannte uns einen prozentualen Nachlass, den wir uns hier nicht mal zu kommunizieren trauen. Also, vielleicht sieht man ja bald doch häufiger mal einen Camry auf Deutschlands Straßen. (SP-X)

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Frank Mertens
Nach dem Studium hat er in einer Nachrichtenagentur volontiert. Danach war er Sportjournalist und hat drei Olympische Spiele begleitet. Bereits damals interessierten ihn mehr die Hintergründe als das Ergebnis. Seit 2005 berichtet er über die Autobranche.

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