Tesla Model S: Elektrisch von München nach Köln

Zwei Tankstopps auf über 500 Kilometern

Tesla Model S: Elektrisch von München nach Köln
Der Tesla Model S stellt seine Alltagstauglichkeit unter Beweis. © Tesla

Unter anderem die Angst vor der fehlenden Reichweite verhindert einen Erfolg von Elektroautos in Deutschland. Der rein elektrische Tesla Model S stellt seine Langstreckentauglichkeit unter Beweis.

Auch wer nur wenige Kilometer am Tag mit dem eigenen Auto zurücklegt, will nicht zwingend ein Elektroauto haben – es ist die Psychologie, die den potenziellen Kauf des Stromers verhindert. Am Ende ist es nicht die fehlende Reichweite, die für Frust sorgt, sondern die fehlende Möglichkeit, das Vehikel binnen weniger Minuten wieder zu Kräften kommen zu lassen. Das Tesla Model S verfügt derzeitig als einziger E-Wagen über so große Batterien, dass ansehnliche Reichweiten erzielt werden können. Über 500 km sind es, wie man auf der Hersteller-Seite erfahren kann. Kein Problem also, wenn man über eine Garage mit Stromanschluss verfügt und nur ein paar Kurzstrecken zu erledigen hat. Selbst mittlere Strecken sind locker drin.

Tesla Model S ab 117.000 Euro

Aber eine große Limousine wie das Model S ist nicht gebaut, um am nächsten Supermarkt zu versauern – schon gar nicht im Falle der Topvariante P85D. Immerhin gibt es für die 117.000 Euro, die Tesla für das doppelmotorige Beschleunigungswunder aufruft, auch schon beim hiesigen Wettbewerb das feinste aus der Welt der Businessklasse. Kaliber wie BMW M5 oder Mercedes E 63 AMG kosten ähnlich viel und bieten ihrerseits auch eine Menge Fahrspaß.

Widmen wir uns also der Frage, ob man für einen satt sechsstelligen Kurs nicht nur kurzfristigen Beschleunigungsspaß, sondern Alltagstauglichkeit bekommen kann. Knapp 600 km Wegstrecke an einem Tag sollen zurückgelegt werden – für konventionelle Fahrzeuge mit Verbrenner ein Kinderspiel und nicht der Rede wert. Beim Stromer sieht das anders aus. Selbst große Kapazitäten würden nicht helfen, wenn der Akku dann wirklich einmal leer ist. Schließlich kann man ja nicht einfach eine Tankstelle anfahren, nein, man muss sich an den offiziellen Stromanschlüssen entlanghangeln, von denen es derzeit noch nicht allzu viele gibt in Deutschland. Immerhin kann man dem amerikanischen Hersteller Tesla zugute halten, dass er derzeit als einziger ein batterieelektrisches Fahrzeug baut, mit dem man lange Strecken von mehreren hundert Kilometern ohne großen Aufwand oder gar Fremdhilfe abspulen kann.

Eigene Ladesäulen von Tesla

Der Tesla Model S stellt seine Alltagstauglichkeit unter Beweis.
Zwei Tankstopps bis Köln Tesla

Denn Tesla tritt als Infrastruktur-Geber auf: Die Kalifornier haben längst damit begonnen, Europa, und Nordamerika natürlich auch, mit leistungsfähigen Ladesäulen zu überziehen. Wo genau eine steht, ist der Tesla-Homepage zu entnehmen. Also haben wir uns auf den Weg von München nach Köln gemacht. Das beginnt denkbar einfach. Rasch das Ziel ins Navigationssystem eintippen – und das funktioniert wirklich kinderleicht –, dann berechnet der Computer in Abhängigkeit vom aktuellen Ladezustand, an welchen E-Säulen man einen Halt einlegen muss.

Nach dem Start in München gelingt es problemlos, bis ins unterfränkische Geiselwind zu kommen. Dort muss der Tesla zum ersten Mal auf seiner Tour an den so genannten Supercharger und ist zu anderthalb Stunden Zwangspause verdonnert. Nach knapp 90 Prozent Akkuladestand geht es weiter – das war mehr Ladezeit, als Tesla selbst angibt. Erst bei der zweiten Batterieauffrischung erreicht der Allradler nach rund 30 Minuten annähernd 80 Prozent Füllstand, so dass der Stromer danach zügig Köln erreichen kann.

Tesla Model S auf Sportwagen-Niveau

Der Tesla Model S stellt seine Alltagstauglichkeit unter Beweis.
Der Tesla Model S zeigt sich voll alltagstauglich Tesla

Zugegeben, zwischen den Stromsäulen macht der P85D mächtig Spaß, beschleunigt auf Sportwagen-Level und ist alltagstauglich. Die Bedienung gelingt intuitiv, und selbst die Verarbeitungsqualität geht in Ordnung, wenn man bedenkt, wie schnell der Konzern die Planung und Produktion eines komplexen Fahrzeugs organisiert hat. Wenn einen die Ladezeiten nicht stören, kann man das Model S durchaus auch auf der Langstrecke einsetzen und ans Ziel kommen, sofern das nicht irgendwo in Osteuropa liegt.

Es ist eine Frage der Sichtweise, ob man das Model S als gleichwertige Alternative zum konventionellen Verbrenner sehen mag oder nicht. Das bezieht sich durchaus auch auf die Fahreigenschaften: Wenn man dem P85D längere Zeit die volle Power abverlangt regelt das System die Leistung drastisch herunter – offenbar wird die thermische Belastung zu groß. An die Kapazitätsgrenzen kommen wohl auch die Lithium-Ionen-Packs.

Es muss ja schließlich einen Grund haben, warum Tesla die Power der beiden E-Motoren des P85D nicht mehr wie früher zu über 700 Pferdestärken addiert. Stattdessen ist die Zahl 539 zu lesen als PS-Höchstleistung, was 396 kW entspricht. Damit hat der Bolide noch immer genug Punch, nahezu jeden Ferrari von 0 auf 50 km/h alt aussehen zu lassen. Im höheren Geschwindigkeitsbereich sieht es wiederum anders aus. Erbitterte Argumentations-Schlachten zwischen Tesla-Fans und ihren Gegnern verleihen dem Auto zumindest Charakter.

Elektroautos nicht per se umweltfreundlich

Bis Benziner oder Diesel massenhaft abgelöst wurden, müssen noch gewaltige Herausforderungen bestritten werden, zu denen auch banale Dinge wie der Ausbau einer passenden Infrastruktur für E-Mobilität gehört. Heute können Elektroautos auf einem extrem hohen Preisniveau alltagstauglich sein. Bei der breiten Masse der Autofahrer wird aber noch viele Jahre das Verbrennungsgeräusch von Benzin oder Diesel zu hören sein. Das ist aus der Sicht des Umweltschutzes nicht einmal verwerflich, denn ein Elektroauto ist nur so umweltfreundlich wie das Kraftwerk, das seinen Strom herstellt. (SP-X)

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Thomas Flehmer
Der diplomierte Religionspädagoge arbeitete neben seiner Tätigkeit als Gemeindereferent einer katholischen Kirchengemeinde in Berlin in der Sportredaktion der dpa. Anfang des Jahrtausends wechselte er zur Netzeitung. Seine Spezialgebiete waren die Fußball-Nationalelf sowie der Wintersport. Ab 2004 kam das Autoressort hinzu, ehe er 2006 die Autogazette mitgründete. Seit 2018 ist er als freier Journalist unterwegs.

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