Polestar 1: Extrem des Nischenfahrzeugs

Hybrid-Coupé mit 609 PS

Polestar 1: Extrem des Nischenfahrzeugs
Der Polestar 1 bietet eine elektrische Reichweite von 125 Kilometer. © Polestar

Der Polestar 1 soll der schwedischen Volvo-Tochter den Weg in die Elektromobilität ebnen. Das könnte gelingen, denn das Hybrid-Coupé hinterlässt bei den Testfahrten einen bleibenden Eindruck.

Passt das wirklich zusammen? Nachhaltigkeit und Höchstleistung? Für Thomas Ingenlath ist das eine rhetorische Frage. Schließlich verantwortet der 55-Jährige die schwedische Highperformance-Marke Polestar. Noch im Dezember werden die Schweden die ersten Autos ihres Hybrid-Coupés Polestar 1 an die Kunden ausliefern. Es ist ein Plug-in-Hybrid mit einer Leistung von 609 PS und einer elektrischen Reichweite von 125 Kilometer. Das eine wie das andere ist eine Ansage. Bislang gibt es keinen Plug-in-Hybriden mit einer derart großen Reichweite.

Folgt man den Erklärungen von Ingenlath, dann braucht es genau solche Leistungsdaten, um die Elektromobilität populär zu machen. „Wir müssen die Nachhaltigkeit unter Beibehaltung lustvoller und freudiger Elemente ermöglichen. Nur so kann man dazu beitragen, der Elektromobilität einen breiten Zuspruch zu verleihen“, hatte er unlängst im Interview mit der Autogazette gesagt. Knapp drei Monate später treffen wir Ingenlath erneut, diesmal in Florenz.

Polestar 1 kostet 155.000 Euro

Der Innenraum des Polestar 1 – so schaut es auch in einem Volvo aus. Foto: Polestar

Hier stellen die Schweden nun ihr Hybrid-Coupé vor. Es ist das Auto, mit dem die Marke durchstarten will in die E-Mobilität. Der Polestar 1 ist der Wegbereiter für das, was kommen wird. Da ist vor allem der Polestar 2, ein rein batterieelektrisches Fahrzeug mit einer Reichweite von 500 Kilometern und einer Leistung von 408 PS. Er wird in Deutschland zu einem Preis von 58.800 Euro auf den Markt kommen. Zu einem späteren Zeitpunkt soll es vom Polestar 2 auch ein Modell unter 40.000 Euro geben. Damit tritt man dann in Konkurrenz mit einem Tesla Model 3.

Der Polestar 2 jedenfalls ist im Gegensatz zum zweitürigen Hybrid-Coupé das Auto, mit dem die Schweden ins Volumen gehen wollen. Genaue Absatzzahlen mag Ingenlath aber nicht nennen, er spricht lieber nur von Massenfertigung. Konkreter wird er beim Polestar 1. Über eine Zeitspanne von drei Jahren sollen von ihm nur 1500 Fahrzeuge gebaut werden, 500 pro Produktionsjahr. Das Hybrid-Coupé ist mit einem Preis von 155.000 Euro das „Extrem eines Nischenfahrzeugs“ (Ingenlath).

Markante Rückleuchten: der Polestar 1. Foto: Polestar

Doch dieses Nischenfahrzeug hat eine besonders wichtige Bedeutung für die Volvo-Tochter. Mit ihm bereitet sich die Marke auf die Einführung des Polestar 2 vor, optimiert nicht nur die Produktion im Werk im chinesischen Chengdu, sondern schafft auch die Voraussetzungen für den Markteintritt. So werden gerade auf den verschiedenen Märkten Ländergesellschaften gegründet. In Deutschland hat sie ihren Sitz in Köln. Dass die Wahl als Produktionsstandort von Polestar auf China fiel, ist kein Zufall. Denn das Land ist nicht nur Sitz des Mutterkonzerns Geely, sondern gilt zugleich als wichtigster Absatzmarkt für die Marke. Danach folgen die USA und Europa.

Inspiration vom Volvo P188

Polestar-Chef Thomas Ingenlath (r.) bei der Vorstellung des Hybrid-Coupés in Florenz. Foto: Polestar

Doch kann der Polestar 1 das erfüllen, was sich Ingenlath von ihm erwartet? Kann er Lust und Nachhaltigkeit vereinbaren? Er kann. Da ist vor allem das Design: Dieser Polestar 1 sieht einfach gut aus. Keine Schnörkel, keine unschönen Kanten, klare Linien. Dieses Auto schaut man gern an. Auf Spielereien haben die Schweden bewusst verzichtet. „Wir haben uns für ein klassisches Design entschieden“, sagt Ingenlath. Dabei ließen man sich vom Volvo P1800 inspirieren, einer Design-Ikone. Keine schlechte Entscheidung.

Ohnehin nimmt der Polestar 1 viele Anleihen bei Volvo: So basiert er nicht nur wie beispielsweise der S90 auf der Skalierbaren Produkt-Architektur (SPA), sondern verfügt im Innenraum auch über Bedienelemente und das gleiche Navi- und Informationsdisplay wie man sie von Volvo kennt. Aus Kostengründen sei es nicht sinnvoll gewesen, für den Polestar 1 ein neues System zu entwickeln, sagt Ingenlath. Doch das wird mit Blick aufs Navi beim Polestar 2 schon anders sein – hier kommt ein Android-System zum Einsatz.

Drehmoment von 1000 Nm

Der Attraktivität des Polestar 1 tut dies aber keinen Abbruch. Er macht nicht nur optisch etwas her, sondern sorgt mit seinen Leistungsdaten für viel Fahrspaß. So stellt der 2.0 Liter Vierzylinder-Turbo-Benziner zusammen mit den zwei Elektromotoren an der Hinterachse 609 PS und ein Drehmoment von 1000 Newtonmetern bereit. Das sieht bereits auf dem Papier vielversprechend aus, fühlt sich aber auf der Straße noch besser an. Ein kleiner Druck aufs Gaspedal reicht, schon wird man mit Vehemenz in die Sportsitze gedrückt. Bis Tempo 100 vergehen gerade einmal 4,2 Sekunden, von 80 bis 120 km/h sind es 2,3 Sekunden, die Spitzengeschwindigkeit ist bei 250 km/h erreicht. Im reinen Elektromodus sind 160 km/h möglich. Die Batterie hat eine Kapazität von 34 kWh.

Der Polestar 1 kostet mindestens 155.000 Euro. Foto: Polestar

Sie ermöglicht eine reine elektrische Reichweite von bis zu 125 Kilometer. Dieser Wert scheint durchaus realistisch zu sein, wie die Testfahrten über Autobahnen und Landstraßen rund um Florenz zeigten. Damit wären wir bei der Nachhaltigkeit: Wer will, kann den Polestar 1 rein elektrisch bewegen, wenn er denn im Pure Mode unterwegs ist. Dann fährt diese Hybrid-Coupé nur elektrisch. Doch der Polestar 2 kann auch anders: unter den vier Fahrmodi Pure, Hybrid, AWD gibt es auch den Power-Mode. Dann stellt das Hybrid-Coupé seine gesamte Leistung zur Verfügung. Dann ist Schluss mit lustig und vor allem der Nachhaltigkeit.

Dennoch machen Plug-in-Hybride (PHEVs) für Ingenlath Sinn. Die Diskussion um diese Technologie werde ohnehin zu dogmatisch geführt, findet er. Für ihn stellen PHEVs die beste Lösung auf dem Weg zu rein batterieelektrisch angetriebenen Fahrzeugen dar. Bereits beim Polestar 1 könne man zu einem großen Teil die Vorzüge elektrischen Fahrens erleben – und das mit einer Reichweite von deutlich über 100 Kilometer. Wem das nicht reicht, der muss halt auf den Polestar 2 warten. Er kommt Ende des zweiten Quartals nächsten Jahres auf den Markt – und kostet dann auch deutlich weniger als das Hybrid-Coupé. Den Polestar 2 kann man sich ab sofort für eine Anzahlung von 1000 Euro reservieren lassen. Wer diesen Weg geht, dem wird auch noch eine Lieferung in 2020 garantiert.

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Frank Mertens
Nach dem Studium hat er in einer Nachrichtenagentur volontiert. Danach war er Sportjournalist und hat drei Olympische Spiele begleitet. Bereits damals interessierten ihn mehr die Hintergründe als das Ergebnis. Seit 2005 berichtet er über die Autobranche.

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