Nissan Leaf: Vorsprung durch Erfahrung

Nissan Leaf: Vorsprung durch Erfahrung
Der neue Nissan Leaf führt in Norwegen die Zulassungsliste an. © Nissan

Wer gestern noch Vorreiter war, kann heute schon zu den Abgehängten gehören. Wir wollten wissen, wie das beim Nissan Leaf ausschaut, den es nun bereits in der zweiten Generation gibt.

Immerhin: Es gibt es schon eine zweite Generation, andere Hersteller haben bislang noch nicht einmal eine erste auf den Markt gebracht. Den Vorsprung durch Erfahrung merkt man dem mit knapp 4,50 Meter Länge schon fast aus der Kompaktklasse herausragenden Japaner durchaus an.

So wurde die Akkukapazität von 30 auf 40 kWh erhöht und der Motor leistet nun 150 statt 109 PS. Das macht sich bemerkbar. War der Nissan Leaf – typisch für ein Elektroauto – immer schon ein Ampelschnellstarter, ging ihm so ab Tempo 60 bislang ein wenig die Puste aus. Jetzt zieht das Elektroauto seinen Spurt, angetrieben von 320 Newtonmeter Drehmoment, ziemlich gnadenlos durch und erreicht nach knapp 8 Sekunden Tempo 100. Nur mal so zum Vergleich: Den exakt gleichen Wert erreicht eine Mercedes E-Klasse mit 2,0-Liter-Benzinmotor und Allradantrieb.

Nissan Leaf eignet sich nicht für Muskelspiele

Der Leaf wird geladen. Foto: Nissan
Der Nissan Leaf kann jetzt bequemer geladen werden. Foto: Nissan

Aber zur Wahrheit gehört auch: Allzu häufig sollte man mit dem Leaf keine Muskelspiele veranstalten. Denn wie jeder Akku leert sich auch dieser unter starker Beanspruchung in atemberaubendem Tempo. Wer dagegen klug mit der Energie haushaltet und clever fährt, kann mit voller Batterie problemlos „echte“ 250 Kilometer schaffen. Nur der Form halber: Nach dem bisher geltenden NEFZ-Zyklus kommt man 378 Kilometer weit. Laut praxisnäheren WLTP-Testverfahren sind mit einer Akkuladung 285 Kilometer möglich. Kommendes Jahr bringt Nissan einen Leaf mit noch größerer Batterie, die die Reichweite um rund 50 Prozent erhöhen wird.

Die Haushaltssteckdose ist übrigens keine gute Wahl für das Nachladen der Akkus, das dauert bis zu 16 Stunden und damit einfach zu lange. Aber inzwischen gibt es in Deutschland rund 6500 Ladestationen. Dort kann der Leaf über ein Typ-2-Kabel (bis zu 6,6 kW) oder per Gleichstrom mit dem Chademo-Stecker (bis zu 50 kW) geladen werden. Eine Nissan-Smartphone-App informiert über die Standorte. An der Schnellladestation sollen 80 Prozent der Stromspeicher in 40 Minuten nachgefüllt sein. Man kann sich sowas für viel Geld natürlich auch in die Garage bauen lassen.

E-Auto mehr als rationale Entscheidung

Die Werte zeigen, dass die Entscheidung für einen Leaf (oder irgendein anderes reines Elektroauto) heute immer noch mehr als eine rein rationale sein muss. Nur wenige Autofahrer haben wohl Spaß daran, sich täglich Gedanken über das Nachladen zu machen, wenn sie bislang nur alle zwei oder drei Wochen für fünf Minuten eine Tankstelle aufsuchen mussten. „Love it or Leave it“ könnte man die Pro/Contra-Entscheidung wohl lautmalerisch auf den Punkt bringen. Wer E-Autos ablehnt, dem entgeht allerdings der ganz besondere Spaß mit dieser Fahrzeugart, die man mit der Formel „Ruhe x Beschleunigung“ beschreiben könnte.

Wie zum Beispiel auch im BMW i3 verfügt der Leaf in der zweiten Generation über ein sogenanntes E-Pedal. Dieses vereint Bremsen und Beschleunigen im Gaspedal und was sich kompliziert anhört, ist tatsächlich motivierend. Man gewöhnt sich schnell daran, das „Gaspedal“ rechtzeitig zu lupfen und damit die Motorbremsung einzuleiten. Wir haben uns einen Spaß daraus gemacht, das natürlich immer noch vorhandene Bremspedal möglichst gar nicht mehr zu nutzen, was einem bei vorausschauender Fahrweise über viele Kilometer hinweg gelingt. Nur wenn man sehr plötzlich und daher auch stark verzögern muss, führt kein Weg am konventionellen Bremsen vorbei. Aber das E-Pedal erhöht nicht nur den Fahrspaß, sondern hat vor allem praktische Vorteile: Man gewinnt durch die sogenannte Rekuperation Energie zurück und kann die Reichweite des Leaf so deutlich verlängern.

Neue Fahrassistenzsysteme

Neu in der zweiten Generation ist eine Reihe von Fahrerassistenzsystemen. Erstmals ist auch ein teilautonomes Fahren möglich, denn das Fahrzeug reiht sich auf Befehl hinter dem Vorausfahrenden ein, hält auch bei Stop-and-Go-Verkehr konstant Abstand und lenkt selbstständig. Allerdings müssen die Hände schon am Lenkrad bleiben.

Das Heck des Leaf. Foto: Nissan
Die Zweifarbigkeit steht dem Leaf gut.

Bei so viel Licht muss es auch Schatten geben. Und den gibt es. Zum einen ist ein Elektroauto in der Anschaffung, anders als es manche schöne Rechnungen der Industrie suggerieren, immer noch teurer als ein ähnlich ausgestattetes Fahrzeug mit Verbrenner. Der Leaf kostet mindestens 32.000 Euro, unser Testwagen in der höchsten Ausstattungsstufe Tekna mit Zweifarblackierung als Extra kommt schon fast auf 41.000 Euro. Dafür gibt es zum Beispiel schon einen sehr gut motorisierten und ausgestatteten Golf, zumal der Leaf aus seiner Länge nicht wirklich Kapital schlägt und eben nicht mehr Platz für die Passagiere bietet. Der Kofferraum fällt mit 420 Litern im Vergleich allerdings tatsächlich großzügiger aus.

Lenkrad nur in Höhe verstellbar

Selbst diese höheren Preise sind angesichts der teuren Batterien offensichtlich nur durch weitere Sparanstrengungen zu erreichen. Dass der Leaf auf den Rücksitzen keine Mittelarmlehne bietet – geschenkt. Aber dass sich das Lenkrad nur in der Höhe und nicht in der Tiefe verstellen lässt, ist nichts weniger als armselig. Zudem ist das langsame und in der Darstellung nicht überzeugende Navigationssystem nicht mehr auf der Höhe der Zeit. Und auch insgesamt reicht die Qualitätsanmutung im Innenraum bei weitem nicht an die besten Fahrzeuge im Kompaktsegment heran.

Optisch hat sich Nissan in der zweiten Generation für einen Mittelweg entschieden. Der neue Leaf wirkt nicht mehr so überbetont extrovertiert, ist kantiger geworden, fällt aber immer noch auf den ersten Blick als besonderes Auto auf. Ob das angesichts der jetzt nach und nach auf den Markt kommenden zusätzlichen Wettbewerber ausreicht um weiter vorne mitzufahren, wird die nahe Zukunft zeigen. (SP-X)

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