Nissan NV300 Michelangelo: Zeit für eine Auszeit

Nissan NV300 Michelangelo: Zeit für eine Auszeit
Der Nissan NV300 kostet mindestens 60.000 Euro. © Nissan

Autos wie der Nissan NV300 Michelangelo sind ein günstiger Einstieg in die Welt der Reisemobile. Der Kastenwagen ist dabei nicht größer als ein Kleinbus.

Dafür kostet er deutlich weniger als ein teilintegrierter Camper und bietet doch viel Wohn- und Reisekomfort für bis zu sechs Personen. Gleichzeitig will er auch im Alltag zwischen Einkaufzentrum und Büro eine gute Figur machen. Ein Test in zwei Teilen.
Mit gut fünf Metern Länge kann man den Nissan NV300 sicher nicht mehr handlich nennen.

Aber rangieren, parken und das Fahren im Stadtverkehr gehen mit ein bisschen Gewöhnung durchaus noch locker genug von der Hand, um keinen Zweitwagen für den City-Einsatz zu benötigen.

Kniffelig mit Markise

Kniffelig wird es jedoch, wenn die optionale Markise geordert wird. Deren Gehäuse ragt eine Handbreit über das Dach hinaus und hebt die Gesamthöhe um sieben Zentimeter auf 2,07 Meter – für manches Parkhaus schon zu viel. Ausgeglichen werden die ausladenden Abmessungen bei Kleinbussen in der Regel durch einen entsprechend großen Innenraum.

Blick in den Innenraum des Nissan NV300. Foto: Nissan

Bei Nissans Reisemobil geht ein Teil des üppigen Volumens allerdings für die Wohn-Einrichtung drauf. Immerhin sind gegen Aufpreis zwei Zusatzsitze zu haben, wodurch bis zu sechs Insassen Platz haben. Schwieriger ist die Sache mit dem Gepäck: Hierbei stört weniger das auch zusammengefaltet noch recht voluminöse Heckbett, sondern eher die fehlende Abtrennung zwischen Lade- und Passagierraum. Ladungssicherung fällt da nicht eben leicht. Kleines Zusatz-Manko: Weil die Wohnwand/Küchenzeile die komplette linke Seite des Innenraums belegt, entfällt die bei konventionellen Kleinbussen zumindest optional erhältliche zweite Schiebetür.

Im Kern ein Kleintransporter

Extreme Ansprüche an Fahrkomfort und Fahrdynamik stellt man in der Regel weder bei Kleinbussen noch bei Reisemobilen. Auch der Nissan ist spürbar im Kern ein Kleintransporter, bei dem andere Dinge wichtig sind als Geräuschdämmung, kultivierter Motorlauf oder maximaler Fahrspaß: geringe Grundkosten etwa oder technische Robustheit. Das sollte man bedenken, bevor man sich etwa über die lauten Windgeräusche oberhalb von 120 km/h aufregt oder den generell dröhnigen Motorklang moniert. Zugeständnisse sind eben immer nötig, wenn man vom klassischen Pkw oder SUV in einen Kastenwagen umsteigt.

Schwerarbeit am Volant nach Berufskraftfahrerart verlangen die kleinen Nutzfahrzeuge aber längst nicht mehr. Auch ein Verkehrshindernis ist man im NV300 nicht, der 107 kW/145 PS starke Dieselmotor hat ausreichend Durchzug, um das immerhin 2,3 Tonnen schwerenWohnmobil bei Bedarf auch mal zu einem Überholmanöver zu motivieren. Mit einem Verbrauch von rund 8 Litern ist er zudem nicht übermäßig durstig.

Am Wochenende ein Freizeitmobil

Wenn die Arbeitswoche überstanden ist, wird der Michelangelo zum Freizeitmobil. Und zwar zu einem durchaus komfortablen: Umbauspezialist Westfalia montiert serienmäßig eine vollständig eingerichtete Küchen- und Schrankzeile ein, inklusive batteriebetriebenem 31-Liter-Kühlschrank, Spüle und Zweiflammen-Gasherd. Die dort zubereiteten Mahlzeiten – dank Aufstelldach hat der Nissan Stehhöhe – lassen sich in einer schnell aufgebauten Sitzecke einnehmen.

Dazu wird die mitgelieferte, einbeinige Tischplatte in die Küchenarbeitsplatte eingeklinkt, Fahrer- und Beifahrersitz werden mit wenigen Handgriffen um 180 Grad gedreht. Wer danach ein Verdauungsschläfchen halten will, kann das auf dem Doppelbett im Hochdach tun oder das etwas schmalere Heckbett ausklappen. Dabei dienen die beiden Fondsitze als Stütze der Matratze. Im Prinzip praktisch gedacht – doch wer das herausnehmbare und flexibel verschiebbare Gestühl zwecks Innenraumvergrößerung demontiert, kann das untere Bett nicht mehr nutzen und muss oben schlafen.

Zu vier etwas eng

Für die kleine Auszeit: der Nissan NV300. Foto: Nissan

Und auch ganz generell wird es zu viert etwas eng in dem kleinen Camper. Wer alle Betten aufbaut, hat kaum mehr Bewegungsfreiheit und kommt obendrein nicht mehr an die Schubladen der Schrankwand. Zu zweit hingegen lässt es sich gut auskommen in dem kleinen Reisebus, eventuell mitfahrender Nachwuchs muss dann halt im Zelt schlafen. Bad und Toilette gibt es an Bord allerdings nicht – in diesem Segment ist beides aber auch eine echte Seltenheit. Für die morgendliche Dusche gibt es immerhin einen Wasseranschluss mit Brause und einen Sichtschutz, der die geöffnete Heckklappe zur Behelfs-Duschkabine macht.

Im unübersichtlichen Markt der Campingbusse auf Basis ausgebauter Kastenwagen ordnet sich der Michelangelo preislich und von der Anmutung her im oberen Bereich ein, auf dem Niveau von Lifestyle-Modellen wie VW California und Mercedes Marco Polo – für einen Neuling ein ambitioniertes Unterfangen. Insgesamt 58.000 Euro verlangt der Nissan-Händler für den Michelangelo, rund 40.000 Euro fallen für das Grundfahrzeug an, der Rest für den Innenausbau. Konkurrenzmodelle gibt es bereits in der 40.000-Euro-Klasse.

Dann allerdings nicht mit einer derart umfangreichen Ausstattung: Immer an Bord sind unter anderem Rollos und Verdunklungsmatten, Sitzheizung, Rückfahrkamera und ein Navigationssystem für Europa. Auch Innen-Lautsprecher und Seitenfenster mit Schiebemechanik sind Standard. (SP-X)

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Frank Mertens
Nach dem Studium hat er in einer Nachrichtenagentur volontiert. Danach war er Sportjournalist und hat drei Olympische Spiele begleitet. Bereits damals interessierten ihn mehr die Hintergründe als das Ergebnis. Seit 2005 berichtet er über die Autobranche.

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