Mercedes-AMG GLE 63: Im Schritttempo durch L.A.

Mercedes-AMG GLE 63: Im Schritttempo durch L.A.
Der Mercedes-AMG GLE 63 wird mit zwei Leistungsstufen angeboten: 571 PS und 621 PS. © Daimler

Wer einmal im Stadtverkehr in Los Angeles unterwegs war, der weiß, dass es hier eher im Schritttempo vorangeht. Da hilft einem auch kein Mercedes-AMG GLE 63.

Er verfügt über 3,0 Liter Hubraum und 367 PS. Im Stadtverkehr von Los Angeles ist man schon mit dem Einstiegsmodell des Mercedes GLE hoffnungslos übermotorisiert. Denn viel mehr als ein besseres Schritttempo ist zwischen Manhattan Beach im Südwesten und Burbank im Nordosten selten drin.

Und falls doch, ist selbst der GLE 450 mit seinen maximal 250 km/h viel schneller, als die Polizei erlaubt. Und trotzdem können sie es in und um Los Angeles kaum erwarten, dass Mercedes den GLE jetzt auch wieder als AMG 63 bringt. Gemeinsam mit seinem großen Bruder GLS gehen die neuen Powermodelle jenseits des Atlantiks im Frühjahr an den Start, bevor sie im Sommer zu Preisen zwischen geschätzten 125.000 und 150.000 Euro auch in Deutschland in den Handel kommen.

Ein bisschen Show

Die Begeisterung für AMG mag zu einem Gutteil am Hedonismus liegen, den sie hier in Kalifornien besser kultivieren als im Rest des Landes und daran, dass hier in Hollywood jeder ein bisschen Show machen will. Doch sie liegt ganz sicher auch daran, dass man sich an den wenigen staufreien Strecken umso mehr erfreuen möchte. Und das geht mit neuen GLE 63S nun einmal deutlich besser als mit dem GLE 450.

Das Cockpit im Mercedes-AMG GLE 63. Foto: Daimler

Um wieviel besser das geht, merkt man spätestens bei einem Ausflug in die Hollywood Hills. Dort, wo sich der legendäre Mullholland Drive den Bergkamm entlang schlängelt, kann der GLE beweisen, wie selbst ein Auto von zwei Tonnen und fünf Metern zum Sportwagen wird, wenn die Ingenieure es nur wollen. Schließlich haben sie in Affalterbach nicht nur ihren aktuell besten Motor eingebaut und die zwei Leistungsstufen auf 571 PS und 750 Nm oder 621 PS und 850 Nm kalibriert, so dass der GLE im besten Fall in 3,8 Sekunden auf Tempo 100 stürmt und bis zu 280 km/h erreicht. Sondern sie haben auch ihren hecklastigen Allrad eingebaut, das Getriebe auf schnellere Gangwechsel ausgelegt und der Luftfeder einen kompromisslosen Charakter programmiert.

Glänzendes Fahrverhalten

Das Ergebnis ist ein Fahrverhalten, das einem mit jeder Meile ein breiteres Grinsen ins Gesicht treibt. Nur die Hinterbänkler werden das ein bisschen anders sehen. Denn während das aufgemöbelte AMG-Interieur neben einem neuen Lenkrad vorne auch andere Sitze mit spürbar mehr Seitenhalt bringt, wird man auf der Rückbank zum Spielball der Fliehkraft und schießt durchs Auto wie eine Flipperkugel kurz vor einem Freispiel.

Wütend jagt das Dickschiff die Serpentinen hinauf, nimmt mit dem serienmäßigen Sperrdifferential an der Hinterachse jede Kurve etwas knapper und dehnt die Grenzen der Fahrphysik Kehre für Kehre etwas weiter. Während ein dumpfes Grollen die engen Canyons erfüllt und das Knallen der künstlichen Fehlzündungen von den roten Felsen wiederhallt, lässt der GLE die Trägheit der Masse vergessen und stürmt – dem elektrischen Wankausgleich sei Dank – überraschend aufrecht über den Mullholland Drive.

Am Komfort nicht gespart

Der Mercedes-AMG GLE 63 ist mit einem serienmäßigen Sperrdifferential an der Hinterachse unterwegs. Foto: Daimler

Mit jeder Meile wird dem Fahrer der Mund trockener und die Stirn heißer. Nur gut, dass AMG nicht am Komfort spart, die Klimasitze den Rücken kühlen und im eisklauen Cupholder ein Energydrink wackelt. Klar, dass da nicht nur der Fahrer, sondern auch sein Fahrzeug reichlich Durst entwickeln. Und weil hier oben in den Hügeln über Hollywood nicht nur wenig Verkehr gibt, sondern auch wenig Möglichkeiten, diesen Durst zu stillen, führt die Fahrt bald unweigerlich wieder zurück an die Küste.

Als die GLE deshalb auf dem Pacific Coast Highway zurück in die Stadt rollt, ändert der Geländegänger wieder seinen Charakter. Eben noch ein erboster Fighter, gibt er nur einen Fingerzeig später den großen Gleiter, der gemütlich entlang der Küste carvt und sich geduldig hinten anstellt im Stau vor Santa Monica. Denn beweisen muss sich der AMG hier nichts und niemandem und kein anderer wird sein Potential in Frage stellen, so bekannt sind die drei Buchstaben hier. Nicht umsonst sprechen sie in der AMG-Heimat beim Blick an die Westküste oft spaßeshalber von Los Affalterbach.

Doch egal ob schnell und gemächlich, wütend oder entspannt: Der AMG bleibt ein Showstar, der mit seinem neuen Grill, den Powerdomes auf der Haube und den weiter ausgestellten Kotflügeln alle Blicke fängt – auch das ist ein Grund, weshalb sie ihn hier in Hollywood so gerne haben. (SP-X)

Vorheriger ArtikelMazda 2: Kleinwagen mit Dauerläufer-Image
Nächster ArtikelKlimaschutzpaket verfehlt angepeilte Ziele
Frank Mertens
Nach dem Studium hat er in einer Nachrichtenagentur volontiert. Danach war er Sportjournalist und hat drei Olympische Spiele begleitet. Bereits damals interessierten ihn mehr die Hintergründe als das Ergebnis. Seit 2005 berichtet er über die Autobranche.

Keine Beiträge vorhanden

Kommentieren Sie den Artikel

Bitte geben Sie Ihren Kommentar ein
Bitte geben Sie Ihren Namen ein