Manieren und Manschetten

Fahrbericht Porsche Cayenne Diesel

Porsche ist über den eigenen Schatten gesprungen. Im Cayenne steht fortan ein Selbstzünder zur Auswahl. Der lässt sich nichts anmerken und tut so, als wäre im Grunde eigentlich gar nichts passiert.

Von Martin Woldt

Würde die Presse nicht so permanent darauf herumreiten, hätten sie es wohl am liebsten irgendwie nebenbei erledigt. Tatsächlich muss man seine Ohren schon fast in die Radhäuser zwängen, um das bisschen Nageln des neuen Selbstzünders noch wahrzunehmen, das die Entwickler übriggelassen haben. Akustisch und auch optisch, sieht man von den etwas vergrößerten Lufteinlässen ab, weist nichts darauf hin, dass Porsche im Cayenne nun mit einem jahrzehntelangen Dogma gebrochen hat.

Gefilterter Sound

Selbst hinter dem Steuer klingt es, wie einer aus der traditionellen Otto-Familie. Aus seidigem Brabbeln wird bestenfalls wohltemperiertes Brummen, doch zu keinem Zeitpunkt aggressives Grollen, auch dann nicht, wenn man feste auf das Pedal tritt. Porsche hat viel Mühe darauf verwandt, dem ersten Selbstzünder-Raubein des Hauses entsprechende Manieren beizubringen. Dafür seien die Entwickler, tief in das Chassis gekrochen und hätten mit Fliessmatten und speziellen Schäumen alle Misstöne herausgefiltert, die ihnen nicht nach dem Sound eines Porsches klangen.

Ein Schrei nach Liebe

Äußerlich unterscheidet sich der Cayenne Diesel nicht von anderen der Baureihe Foto: Porsche

Dafür haben sie auch in Kauf genommen, dass der Drei-Liter-Diesel aus dem Konzernregal mit 8,3 Sekunden langsamer von null auf hundert unterwegs ist als ein gleichermaßen bestückter VW Touareg (8,0 Sekunden). Auch wenn der am Ende nicht ganz an die Spitzengeschwindigkeit von 214 km/h heranreicht. Aber die Spritschleuderdiskussion hat in Zuffenhausen ihre fühlbaren Spuren hinterlassen. Dieser Diesel zeigt nicht nur Manieren, er hat auch Manschetten. Mit seinem Durchschnittsverbrauch von 9,3 Litern auf 100 Kilometern ringt er um jene soziale Akzeptanz, die seinen Otto-Geschwistern, bei deren Durst oberhalb von 13 Litern, nicht zu unrecht bisweilen versagt bleibt.

Gezähmter Modus

Diese auferlegte Zurückhaltung zeigt sich etwa auch daran, wie sich das eigentlich brachiale Drehmoment-Maximum von 550 Newtonmetern entfaltet. Wo sich üblicherweise der Asphalt kräuselt, bleibt das wilde Tier zumindest solange zivilisiert an der Leine, solange man nicht in den Sportmodus wechselt. Erst da steigt die Kennlinie des Gaspedals steil in die Höhe, und mit ihr wohl auch die Verbrauchskurve.

Ohne Doppelkupplung

Nur mit Tiptronic Foto: Porsche

Das täte sie im Sportmodus im Kontrast zu den öffentlichen Erwartungen wohl auch, stünde schon jetzt ein geeignetes Doppelkupplungsgetriebe zur Verfügung. Doch noch existiert keines, das den gewaltigen Kräften dieses Dieselaggregates gewachsen wäre. Damit ist wohl erst in der nächsten Cayenne-Generation Ende 2010 zu rechnen. Gegenwärtig muss es die bekannte Tiptronic tun, die weder so verbrauchsgünstig agiert, noch so fließend durch die Schaltstufen jongliert, wie eine Doppelkupplung das könnte. Sie macht ihre Sache dennoch gut und soll nach den Marktanalysen deshalb auch erste Kundenwahl werden. Weil im Grund hat der Kunde sonst gar keine, ein manuelles Schaltgetriebe ist gar nicht erst vorgesehen.

Schuld ist der Kunde

Und überhaupt der Kunde, seinem untreuen Verhalten ist der Bruch des Dieseltabus im Grunde wohl auch anzulasten. Hat er doch im Segment der SUVs, bevorzugt in Europa, zunehmend dem Benziner die kalte Schulter gezeigt. Fast 80 Prozent der neu zugelassenen sportlichen Offroader tanken mittlerweile Leichtöl an der Zapfsäule. Was blieb Porsche anderes übrig? Da schmolzen die Vorbehalte wie Eiskrem am Strand. Noch zielt der neue Diesel angeblich gar nicht auf den Hauptmarkt der Marke, wird in den USA gar nicht angeboten. Sonst wäre der neue Cayenne sicher gleich mit Abgasnorm Euro5 angetreten, was er jetzt nicht tut. Doch den Bauraum für den dafür notwendigen Stickoxidfilter hat man immerhin mit eingeplant.

Kein Ende der Debatte

Der 3.0 V6 Turbo Diesel Injection Foto: Porsche

Mit 56.436 Euro liegt der Diesel etwa 1.350 Euro über dem Einstiegspreis der Benziner, gleichwohl aber 21 Prozent unter deren niedrigster CO2-Emissionsrate von 310 Gramm pro Kilometer. Mit seinem 100-Liter-Tank soll die Reichweite des Fahrzeuges auf über 1000 Kilometer wachsen. Das dürfte den typischen Cayenne-Piloten, die im Jahr so zwischen 60.000 und 70.000 Kilometer zurücklegen, eigentlich gefallen. Selbst wenn sie der Klimadebatte auf diese Weise wohl auch nicht davonfahren können.

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