Lamborghini Gallardo: Superrenner aus Italien

So erfolgreich wie der Gallardo war noch kein Modell aus der norditalienischen Sportwagenschmiede Lamborghini. Wer einmal hinter dem Steuer saß, weiß warum.

Von Stefan Grundhoff

Der Gallardo ist das erfolgreichste Modell, das Lamborghini je gebaut hat. Was Voreigentümer wie Chrysler und MegaTech in der Vergangenheit nicht schafften, setzt Audi seit ein paar Jahren in die Realität um. Aus einer prestigeträchtigen Spartenfirma wurde ein viel beachteter Sportwagenhersteller. Derzeit hat Lamborghini vier Modelle für die erlauchte Kundschaft im Angebot. Der gutverdienende Freiberufler freut sich über die beiden Gallardo-Varianten - offen und geschlossen. Derweil steuern ein paar Schöne und wirklich Reiche auf unserem Planeten den brandneuen Superrenner Murcielago LP 640 - bald auch als Roadster.

Es war noch nie günstig, einen Lamborghini zu fahren. Doch nach dem Einstieg der Ingolstädter bekommt man für sein gutes Geld nicht nur grenzenlosen Fahrspaß, sondern auch solide Volumentechnik. Der geschlossene Gallardo ist das Brot- und Butterauto aus Sant’ Agata. Die Symbiose aus deutscher Massentechnik und italienischen Motorsportgenen entpuppt sich schnell als wahrer Fahrgenuss. Vorausgesetzt man hat keine Probleme mit ein paar Extra-Kilos. Denn trotz technischer Raffinessen, Allradantrieb und bullig wummernden 520 PS im Rücken merkt man dem Gallardo sein Leergewicht von 1,6 Tonnen gerade bei Kurvenfahrten deutlich an.

Bestechende details für ein rassiges, kantiges Design Foto: press-inform

Dennoch lässt sich die martialisch anmutende deutsch-italienische Gemeinschaftsproduktion wie eine Rakete auf der Straße positionieren. Bereits das Design lässt die Mitmenschen in Erfurcht erstarren. Mit dem Schritt auf ein betont kantiges Format zu setzen, bleibt das Designteam von Walter de Silva der Jahrzehnte alten Lambo-Linie treu. Der Erfolg gibt ihnen Recht.

Doch Design allein ist schon lange kein Garant mehr für wirtschaftlichen Erfolg. Ohne ein gelungenes Zusammenspiel von Außen und Innen ist nichts mehr zu machen. Firmengründer Ferruccio Lamborghini hätte sich wohl kaum träumen lassen, dass die Geschicke seines Babys von einem deutschen Volumenhersteller geleitet werden würden. Doch hätte er seinerzeit ahnen können, dass die Lamborghinis jemals so konkurrenzfähig sein würden?

Edelitaliener mit Alltagstauglichkeit

E-Gear oder manuelle Sechsgangschaltung stehen zur Wahl. Foto: press-inform

Man erinnert sich noch gut an die Zeiten, als die Diabolos und Countachs auf der langen Autobahngeraden nicht zu überholen waren, im kurvigen Sportwagenmekka jedoch allzu schnell die Waffen strecken mussten. Ganz zu schweigen von der Alltagstauglichkeit. Doch der Einsteiger-Lamborghini Gallardo zeigt eindrucksvoll, wie sich die Zeiten geändert haben. Egal ob E-Gear oder die deutlich schöner anzuschauende Sechsgang-Handschaltung, der Allradler macht auf der Rennstrecke eine ebenso gute Figur wie auf der B 13 zwischen München und dem Altmühltal. Der Antritt des rund 1,6 Tonnen schweren Lambos versetzt selbst erfahrene Piloten in Glücksmomente und die Passanten in Angst und Schrecken.

Fünf Liter Zehnzylinder

Der Zehnzylinder brummt erst grimmig, donnert ab 2500 Touren los und bläst ab 3.800 U/min dank sich öffnendem Lärm-Bypass zum akustischen Generalangriff - leider auch auf das Trommelfell. Das hat der Gallardo ebenso wie das Hochdrehzahlkonzept (maximal 8000 U/min) mit zahlreichen Ferraris gemein. Understatement ist seine Sache nicht - weder optisch noch akustisch. An der Ampel und bei der Fahrt Richtung Autobahn glotzen sowieso schon alle - da dürfte der Sound ruhig etwas dezenter daherkommen. Doch der fünf Liter große Zehnzylinder hat keinerlei Erbarmen, dreht willig und rund in unendliche Sphären. Genau so soll ein Renntriebwerk sein. Trotzdem kann man mit dem Gallardo tatsächlich auch mehr oder weniger dezent cruisen. Doch keine falsche Scheu - der orangefarbene Stier will geritten werden. Seine 510 Nm maximales Drehmoment bei 5500 Touren laden zu Zwischenspurts und Kraftausbrüchen ein.

Rakete mit Bodenhaftung

520 PS bringen den Gallarda auf Tempo 310. Foto: press-inform

Das Gaspedal verlangt nach Dauerfeuer und man will schließlich auch von dieser eindrucksvollen Motorleistung kosten. Doch nicht allein der Motor begeistert. Dank der Allradtechnik aus dem Hause Audi krallt sich der kantige Italiener in den Asphalt und scheint alle fahrphysikalischen Grenzen hinter sich zu lassen. Er ist wild und bissig, überfordert den Piloten jedoch nie. Wenn da nicht die allzu schwere Servolenkung und das leichte Übergewicht wären. Trotz Alukarosse hat man nie das Gefühl leichtfüßig unterwegs zu sein. Doch man ist schnell - längst mehr als erlaubt. In der letzten Kurve grüßte der Baum bereits durchs Seitenfenster. Dieser Gallardo macht süchtig, verwöhnt einen wahrlich bei dem Ritt auf der Klinge. Im Gegensatz zum großen Murcielago verfügt der kleine Bruder über ESP. Doch weiche Reifenmischung, gute Gewichtsverteilung und Allradantrieb machen den Schleuderverhinderer arbeitslos. Das Einlenkverhalten ist grandios präzise. Und wer hätte gedacht, dass ein Rennwagen mit 520 PS ohne Anstrengung Querfugen und Gullydeckel schlucken würde? Schließlich bieten weder die 235er Reifen vorn noch die 295er Pneus hinten viel Dämpfungsmaterial.

Lange Kerls sitzen unbequem

Innen fehlt italienisches Flair Foto: press-inform

Der schwarz gelederte Innenraum polarisiert. Den einen bietet er zuviel Audi-Massendesign, andere ärgern nicht über unklare Bedienelemente und zu wenig italienisches Flair. Recht haben alle. Unbestritten ist auch, dass der Gallardo für Personen über 1,85 Meter kaum erste Wahl sein kann. Gerade die Coupéversion ist eng geschnitten, besonders über der Schädeldecke. Bei der Vollbremsung bekommt der Pilot die Motorsport-Gene eindrucksvoll zu spüren. Die Bremsanlage krallt sich kompromisslos in die Straßendecke, der Fahrer wird hart in den Gurt gepresst. Aus Tempo 100 stoppt der wilde Stier in deutlich weniger als 35 Metern. Das ist eindrucksvoller als ein Spurt 0 auf 100 km/h in kaum mehr als vier Sekunden und eine Höchstgeschwindigkeit von über 310 km/h. 0 auf 200 km/h ist sowieso eher ein Wert für die Prahlereien an der Theke des Tennisclubs.

Eine Charakterfrage ist die Entscheidung zwischen Handschaltung und E-Gear. Die satten 8.000 Euro Aufpreis dürften für die meisten Kunden keinen großen Unterschied machen. Auf Rennstrecken und leeren Landstraßen ist der elektronische Gangwechsel die rechte Wahl. Doch nicht nur Puristen dürften sich trotzdem für die manuelle Sechsgang-Box entscheiden. Verzichten muss man dann jedoch auf das donnernde Stakkato beim Herunterschalten.

Unter 20 Litern läuft nichts


Egal ob manuell am Mitteltunnel oder elektronisch an den Lenkradpaddeln geschaltet wird - wie man auch fährt, unter 20 Liter Kraftstoff auf 100 Kilometern ist kaum etwas zu machen. Jedoch ist den Lamborghini-Archiven in Sant’ Agata nicht zu entnehmen, dass jemals ein Kunde über den Verbrauch gemeckert hätte. Das ist beim aktuellen Gallardo nicht anders als bei der Legende Miura. Es war eben schon immer etwas besonderes, einen solch exklusiven Renner zu fahren - eine der unanständigsten Versuchungen der heutigen Zeit kostet derzeit mindestens 143.000 Euro.

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