«Kleiner» Phaeton: Mehr Schein als Sein

Der Phaeton von VW beeindruckt durch seine 12-Zylinder und die Mega-V-10-Diesel Motorisierung. Der «kleine» Bruder mit dem 3,2-Liter-Motor lässt aber viele Wünsche offen.

Stefan Grundhoff

Bekannt ist der VW Phaeton für den überlegenen 12-Zylinder und den Mega-V-10-Diesel. Doch wie stark ist die zweite Reihe? Wir machten den Test und zeigen, was der «Über»-Volkswagen mit dem 3,2-Liter großen Einstiegsmotor zu bieten hat.

Über das Thema, ob Volkswagen in der Lage ist, eine Oberklasse-Limousine zu bauen, ist viel geredet worden. Doch juvenile Gedanken an Käfer, Golf und Co. sollte man beim Thema Phaeton einmal bei Seite lassen. Der VW ist absolute Oberklasse und braucht keinen Vergleich zu scheuen. Jedoch hat er das gleiche Problem wie einst der erste Audi V 8, der Ende der 80er Jahre sein Glück auf dem Markt vergebens suchte. Auch er hatte kein Vorgängermodell und somit kein Stammpublikum - in der Oberklasse macht das den Kampf doppelt schwer. Erst die Nachfolgemodelle A 8 sind seit Mitte der 90er Jahre erfolgreicher auf Kundenfang.

Phaeton setzt in Sachen Qualität Maßstäbe

Dabei hat der Phaeton bereits optisch einen sehr imposanten Auftritt. Das Blechkleid ist elegant, Länge (5,06 Meter) und Breite (1,90 Meter) zeigen standesgemäße Größe. In puncto Qualitätsanmutung setzt der Oberklasse-VW Maßstäbe.

Das sieht innen nicht anders aus. Der Klassenstandard, der lange Jahre ohne Einspruch von Mercedes S-Klasse und 7er BMW dominiert wurde, wird durch den Phaeton eine Stufe nach oben geschraubt. Die Materialien wirken hochwertig. Selbst beim Blick unter Sitzbezüge und hinter Verkleidungen lässt sich dieser Eindruck nicht verwässern. Die Sitze sind exzellent und passen sich jeder Größe millimetergenau an. Jedoch sollte man sich oder seinem Chauffeur zuliebe für die optionalen Komfortsitze (2.550 Euro) entscheiden. Dafür sind die Sitze standesgemäß vollelektrisch; zudem gibt es Sitzheizung, Sitzlüftung und Massage.

Der Phaeton in der Gläsernen Manufaktur

Man mag es kaum glauben. VW lässt den Phaeton serienmäßig nur mit Stoffsitzen aus der Gläsernen Manufaktur in Dresden rollen. Der Grund ist fadenscheinig: Einige Käufer würden sich nach Volkswagen-Aussagen auch für Stoffsitze interessieren - dabei gehe es gerade um Behörden-Fahrzeuge. So schlagen die Ledersitze nochmals mit üppigen 3.670 Euro zu Buche.

Geschmackvolles Interieur

Das Lenkrad mit den Instrumenten

Die Instrumente liegen gut im Blick und wirken beruhigend auf den Fahrer. Gleiches gilt für die Bedientasten im etwas üppig dimensionierten Steuer. Die breite Mittelkonsole ist das Prunkstück des Innenraums. Hochglänzende Holzapplikationen lassen jeden Schöngeist frohlocken. Die Schalter für Klimatisierung, Bordcomputer oder Navigationssystem erklären sich selbst. Den Fahrer stört allein der deutlich zu tief liegende Blinkerhebel. In bekannter Griffhöhe befinden sich die fragwürdigen Bedienpaddel für das Automatikgetriebe. Schaltgefühle wie bei Schumacher und Raikonen werden im Phaeton jedoch nie aufkommen.

Doch nicht nur auf den vorderen Sitzen lässt es sich vortrefflich aushalten. Das Platzangebot hinten ist nicht schlechter - im Gegenteil. Wie es sich für eine Luxuslimousine gehört, kann die Fahrt hier gar nicht lang genug sein. Auf Wunsch ist der Phaeton auch als viersitzige Variante mit stärker konturierten Einzelsitzen erhältlich. Bein- und Schulterfreiheit sind großzügig. Allein die Kopffreiheit stößt bei Personen ab 1,85 Meter an ihre Grenzen.

Da hilft nur noch die Phaeton-Langversion. Wer seinen Fondpassagieren etwas Gutes tun möchte, oder bevorzugt selbst im Fond Platz nimmt, sollte sich für die Premium-Fondsitzanlage entscheiden. Für üppige 1.530 Euro gibt es Massage- und Sitzklimatisierung, Sitzheizung, Massage und Lendenwirbelstütze. Für 660 Euro geht es im Fond Dank elektrischem Sonnenrolle und manueller Seitenjalousien ungestört zu. Das dürfte in dieser Klasse ebenfalls serienmäßig an Bord sein.

So gebettet, kann bei der nächsten Vorstandssitzung eigentlich nichts mehr schief gehen. Wer sanft das selbstbewusst große VW-Symbol am Heckdeckel berührt, kann in den 500 Liter großen Kofferraum blicken und seinen Aktenkoffer hineingleiten lassen. Der Kofferraum wirkt fast ebenso hochwertig wie der Innenraum, ist jedoch durchaus für den Transportgebrauch geeignet.

Schlachtschiff mit kleinem Motor

VW Phaeton

Mit einem Leergweicht von 2.056 kg ist der Phaeton kein Leichtgewicht. Mit entsprechenden Sonderausstattungen sind schnell über 2,2 Tonnen drin. Wie macht sich das Schlachtschiff mit dem 3,2-Liter großen Einstiegsaggregat? Der V-6-Motor schlägt sich im Volkswagen überraschend tapfer. Immerhin stehen 177 KW / 241 PS und ein maximales Drehmoment von 315 Nm bereits bei 2.400 U/min zur Verfügung. So schafft der tonnenschwere Fronttriebler den Spurt Spurt 0 - 100 km/h in 9,4 Sekunden. Die Höchstgeschwindigkeit liegt bei 242 km/h.

VW verspricht einen Durchschnittsverbrauch von 12,1 Litern auf 100 Kilometer. Im Praxistest zeigt sich der Phaeton mit 13,8 Litern deutlich durstiger. An die 12-Liter-Marke war der Fronttiebler selbst bei gezügelter Fahrweise nicht zu bekommen.

Zwei Zylinder weniger machen sich bemerkbar

Das sanft schaltende Automatikgetriebe passt gut zum ruhig laufenden Sechszylinder, der zum Beispiel auch im Golf R 32 seinen Dienst verrichtet. Beim Herausbeschleunigen und an langen Anstiegen sind dem Luxus-VW seine fehlenden zwei Zylinder jedoch anzumerken. Hier gelingt es Motor und Getriebe nicht, den schönen Schein zu wahren und den Fahrer über die angestrengte Drehzahl zu täuschen. Ein Achtzylinder würde sich eben doch besser in dem ehemaligen D-1-Konzept machen. Gerne dürften es jedoch V10-TDI oder der mächtige 12-Zylinder sein.

Erwartungsgemäß stark präsentiert sich das Fahrwerk. Hier zeigt sich der Phaeton als echte Luxuslimousine und schluckt Bodenunebenheiten wie eine überdimensionale Sänfte - nur besser. Auf Wunsch gibt es eine exzellent arbeitende Luftfederung. Die Lenkung arbeitet leichtgängig und präzise; etwas mehr Bodenkontakt wäre jedoch wünschenswert.

Die Bremsen machen ebenfalls einen sehr guten Eindruck und zeigen auch bei unzähligen Wiederholungsbremsungen keine Schwäche. Wer mit dem Phaeton auf der Landstraße fährt merkt schnell, dass er in einem Fronttriebler unterwegs ist. Im Grenzbereich schiebt der Wolfsburger jederzeit beherrschbar über die Vorderachse. Erwartungsgemäß macht das Fahrwerk der größeren Phaeton-Modelle mit Allradantrieb einen besseren Eindruck. Schließlich zeigen 2,2 Tonnen Gewicht bei der Fahrdynamik eindrucksvoll ihre Wirkung.

Einstiegs-Phaeteon ist teurer Spaß

Der Volkswagen Phaeton 3,2 Automatik kostet 58.950 Euro. Selbstverständlich an Bord sind sämtliche bekannten Sicherheitsfeatures wie ESP, Bremsassistent und diverse Airbagsysteme. Ebenfalls ein Sicherheitsplus die sehr steife Karosserie. Enttäuschend zeigt sich die Serienausstattung des Phaeton. Selbst Xenonlicht (410 Euro), 4-Zonen-Klimaautomatik (470 Euro), Ledersitze (ab 3.670 Euro), Nebelscheinwerfer (200 Euro) und Reifendruck-Konrollsystem (560 Euro) lassen sich die Wölfe extra bezahlen. Mit dem ein oder anderen Ausstattungsextra lässt sich der Preis für den Einstiegs-Phaeton so leicht über die 75.000-Euro-Marke drücken. Teurer Einstieg!

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