Jaguar XE: Chancenreicher Exot im Rückspiegel

Britische Mittelklasse-Limousine

Jaguar XE: Chancenreicher Exot im Rückspiegel
Der Jaguar XE bietet sich als Alternative in der Premium-Mittelklasse an. © Jaguar

Die Marke Jaguar umweht immer noch der Hauch des Besonderen. In der Mittelklasse entwickelt sich der neue XE dabei als potente Alternative zu den Premium-Angeboten aus dem Süden der Republik.

In der Premium-Abteilung der Mittelklasse rangeln seit Jahren die drei bekannten Konkurrenten aus Süddeutschland. Mitte vergangenen Jahres ist beim Dauerlauf von BMW 3er, Audi A4 und Mercedes C-Klasse eine Limousine britischer Produktion im Rückspiegel aufgetaucht. In der Dienstwagenklasse positioniert sich der Jaguar XE als Exot – aber mit Potenzial, wie unser Test zeigt. Vor allem, weil sich die Briten deutsche Tugenden zum Vorbild genommen haben.

Damit keine Missverständnisse aufkommen: In Sachen Absatzstärke kommt der Brite derzeit nicht annähernd in Schlagweite der übermächtigen Deutschen: Wurden in den ersten beiden Monaten dieses Jahres von A4, 3er und C-Klasse jeweils zwischen 7000 und knapp 10.000 Autos verkauft, waren es vom XE genau 374.

Jaguar XE mit dem Hauch des Besonderen

Das hat aber einen unschlagbaren Vorteil: Selbst in der Mittelklasse umweht einen Jaguar immer noch der Hauch des Besonderen. Extrovertierten Dienstwagenfahrern dürfte gerade dieser Aspekt gefallen, wenn sie auf dem Firmenparkplatz zwischen silbergrauem, süddeutschem Einerlei einparken. Mit großem Kühlergrill, weit nach unten gezogener, akzentuierter Motorhaube und grimmigem Scheinwerfer-Blick vereint er die schönsten Blickwinkel von A4-Schick und 3er-Aggressivität. Mit der elegant-coupéförmigen Seitenlinie haben die Designer den Nerv der Zeit getroffen. Nur das Heck wirkt im ansonsten so durchkomponierten Äußeren etwas beliebig.

Den entsprechenden Flottenverantwortlichen dürfte befrieden, dass sich der Preis (ab 36.800 Euro für den 163-PS-Diesel) im Rahmen der ähnlich starken Wettbewerber einordnet. Und auch der neue 2,0-Liter-Diesel spricht die kühlen Rechnern an, der allergrößte Teil der XE dürfte mit Selbstzünder bestellt werden. Im Testwagen war die stärkere Variante mit 132 kW/180 PS montiert, kombiniert mit Achtgang-Automatik zum Preis von mindestens 39.300 Euro – ebenfalls ein wettbewerbsfähiger Preis.

Serienmäßig sind dann unter anderem Zwei-Zonen-Klimaanlage, Tempomat, USB-Radio mit Freisprecheinrichtung, Multifunktions-Lederlenkrad, 17-Zöller. Auch Spurverlassenswarner, Notbremsassistent und aktive Motorhaube sind immer an Bord, was dem XE unter anderem Höchstpunktzahlen beim Euro-NCAP-Crashtest eingebracht hat.

Jaguar XE sehr sparsam unterwegs

Der Jaguar XE bietet sich als Alternative in der Premium-Mittelklasse an.
In 7,8 Sekunden hat der XE Tempo 100 erreicht Jaguar

Der kräftige Selbstzünder geht erfreulich zupackend zu Werke, bei schnellerer Gangart auf der Autobahn oder zügigen Überholmanövern ist das Aggregat in seinem Element. So beschleunigt der 4,67 Meter lange XE in 7,8 Sekunden auf Landstraßentempo, erreicht das Maximaltempo von 228 km/h einigermaßen mühelos. Dabei klingt der Diesel zwar nicht bemüht, er lässt die Insassen aber durchaus akustisch an seiner Arbeit teilhaben. Beim Kaltstart, aber auch beim kräftigen Tritt aufs Gaspedal brummelt das Aggregat etwas lauter als es sich bei vornehmer Zurückhaltung ziemen würde.

In Sachen Handlichkeit ist der XE aber ganz auf dem Kurs der Wettbewerber: Dank Alu-Leichtbau und neuer, elektromechanischer Lenkung lässt sich der Brite leichtfüßig bewegen, liegt aber trotzdem präsent auf der Straße. Die Achtgang-Automatik, die mit großem Drehknopf statt Hebel bedient wird, setzt die Gaspedalbefehle des Fahrers spontan, aber nicht zu hektisch um.

Für eine Mittelklasse-Limousine ganz hervorragende sechs Liter verbrauchte der Brite im Test auf 100 Kilometern. Spritsparend unterwegs, ließ sich der Brite sogar in Richtung Fünf-Liter-Marke bewegen. Immer noch entfernt vom angegebenen Normverbrauch von 4,2 Litern – dass diese Zahlen jedoch in den allermeisten Fällen nichts mit der Realität gemein haben, dürfte mittlerweile bekannt sein.

Probleme mit den Instrumenten

Der Jaguar XE bietet sich als Alternative in der Premium-Mittelklasse an.
Das Cockpit ist sachlich-elegant ausgefallen Jaguar

Im sachlich-eleganten Innenraum fühlt sich auch ein Vielfahrer wohl. Einschränkend sei hier nur die begrenzte Kopffreiheit im Fond genannt. Der Kofferraum geht mit 450 Litern in Ordnung. Im Test wenig überzeugen konnten aber die nicht besonders gut ablesbaren Instrumente, die in tiefen Höhlen vor dem Fahrer liegen. Insbesondere die kleinteilige, pixelige Grafik des Bildschirms zwischen Drehzahlmesser und Tacho wirkte wie aus einem deutlich älteren Auto importiert und stiftete mit ihrer wenig durchdachten Darstellung Verwirrung.

Ganz im Gegensatz dazu bietet der (serienmäßige) 8-Zoll-Touchscreen in der Mittelkonsole gestochen scharfe Bilder. Dafür reagierte er im Test beständig erst nach einer langen Gedenksekunde auf ein Tippen. Auch das ist man im Premium-Bereich mittlerweile anders gewohnt.

Exoten-Status als Neidfaktor

Der Jaguar XE bietet sich als Alternative in der Premium-Mittelklasse an.
Die Einparkhilfe ist ein Muss für den Jaguar XE Jaguar

Zudem könnte der Abstandstempomat (im Paket mit Toter-Winkel-Warner und Stauassistent 1830 Euro) etwas spontaner reagieren. So war im Test die Reaktionszeit bis die Limousine wieder beschleunigte, nachdem der Vordermann die Spur gewechselt hatte, mitunter so lang, dass wir das Gasgeben kurzzeitig lieber selbst übernahmen. Zur unbedingt empfehlenswerten Sonderausstattung gehört die hintere Einparkhilfe (490 Euro), ist doch der schönen Optik geschuldet die Sicht nach hinten sehr eingeschränkt.

Vor den Platzhirschen im Segment muss sich der XE nicht verstecken. Darüber hinaus genießt ein Auto mit Katzenkopf auf dem Emblem immer noch einen gewissen Exoten-Faktor und schürt gegebenenfalls mehr Neid als die Logos mit Stern, Ringen oder in weiß-blau. Damit kann er für einen extrovertierten Besitzer eine fehlende Detailschärfe in gewissen Bereichen sicher wettmachen. (SP-X)

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Thomas Flehmer
Der diplomierte Religionspädagoge arbeitete neben seiner Tätigkeit als Gemeindereferent einer katholischen Kirchengemeinde in Berlin in der Sportredaktion der dpa. Anfang des Jahrtausends wechselte er zur Netzeitung. Seine Spezialgebiete waren die Fußball-Nationalelf sowie der Wintersport. Ab 2004 kam das Autoressort hinzu, ehe er 2006 die Autogazette mitgründete. Seit 2018 ist er als freier Journalist unterwegs.

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