Hyundai Genesis: Mehr als nur günstige Autos

Flaggschiff als Image-Träger

Hyundai Genesis: Mehr als nur günstige Autos
Der Hyundai Genesis ist Imageträger statt Bestseller © Hyundai

Hyundai definiert sich schon länger nicht mehr über den Preis. Trotz der Oberklasse-Qualitäten des Genesis und des deutlich günstigeren Preises sind die Chancen im Vergleich zur deutschen Premium-Konkurrenz stark limitiert.

Wer was kann, zeigt es auch gerne: So wundert es nicht, dass Hyundai hierzulande sein Top-Modell Genesis in die Showrooms der Händler fährt, ohne die Hoffnung haben zu dürfen, es auch verkaufen zu können. Statt Geld soll die prunkvoll ausgestattete Nobellimousine nämlich Imagegewinn bringen. Und zeigen, wie weit es die koreanische Marke in den vergangenen zehn Jahren gebracht hat.

Hyundai Genesis mit stilistischen Besonderheiten

Zwar hatte Hyundai auch früher schon große Limousinen im Programm. Doch wirkten Modelle wie Grandeur oder Dynasty im besten Falle wie schlecht kopierte Ami-Schlitten. Der Genesis ist nun das erste Modell, das auf dem Firmenparklatz zwischen Audi A6, BMW 5er und Mercedes E-Klasse nicht sofort unangenehm auffallen würde.

Seriös bedient sich der Koreaner aus dem Kanon des internationalen Business-Designs und addiert hier und da ein paar stilistische Besonderheiten. Etwa die coupéhaft verkürzte Heckgestaltung oder das geflügelte Logo auf der Motorhaube. Dort nämlich prangt nicht das gewöhnliche stilisierte „Hyundai-H“, sondern ein Genesis-Wappenschild mit zwei seitlichen Schwingen, das an die Markenzeichen von Aston Martin oder Bentley erinnert. Bei Passanten sorgt das für einen typische Reaktion: Ein verwunderter, leicht ehrfürchtiger Blick, wenn sich der bullige Wagen nähert, und ein verwunderter, leicht enttäuschter Gesichtsausdruck, wenn das Heck sichtbar wird. Dort nämlich findet sich der einzige sichtbare Hinweis auf den wahren Hersteller – in Form des „Hyundai“-Schriftzugs.

Hyundai Genesis serienmäßig voll ausgestattet

Hyundai hat den Genesis ins Luxussegment gehievt.
Der Genesis hat alles an Bord, was Hyundai zu bieten hat Hyundai

Ironischerweise wird an dieser ambivalenten Reaktion die Richtigkeit der Hyundai-Strategie deutlich. Denn die Marke wird hierzulande immer noch unter Wert wahrgenommen. Der Genesis wird das wohl kaum kurzfristig ändern können, zeigt aber zumindest Interessierten, dass man mehr kann als allein günstige Autos bauen. Günstig ist der Genesis mit einem Listenpreis von 65.500 Euro nämlich nicht. Zumindest wenn man nicht die Vollausstattung in Rechnung stellt, die serienmäßig an Bord ist. Ankreuzen muss der Kunde nur noch Lack- und Lederfarbe, alles andere zählt zum Lieferumfang.

Für ein ähnlich üppig bestücktes Auto der deutschen Konkurrenz müsste man eher um die 80.000 Euro hinblättern. Um nur ein paar Highlights zu nennen: adaptives Xenonlicht mit Fernlicht-Assistent, Head-up-Display, gekühlte Nappaledersitze, Dreizonen-Klimaautomatik mit CO2-Überwachung, Panorama-Glasdach, Abstandsregeltempomat mit Notbremsfunktion, Soundsystem – all das kriegt der Käufer automatisch mit. Alles durchaus gehobener Stand der Technik; an die Spitze im Wettbewerbsumfelds (wo LEDs beispielsweise mittlerweile das Xenonlicht abgelöst haben) schaffen es die Koreaner aber noch in keinem Punkt. Auch der durchaus gefällig gestaltete und hervorragend verarbeitete Innenraum muss sich zwar vor der Konkurrenz nicht verstecken, Akzente kann er aber ebenfalls nicht setzen.

Nur ein Benziner für den Hyundai Genesis

Der Gewinn von Hyundai litt unter dem starken Won
Ein Dieselmotor fehlt dem Hyundai Genesis Hyundai

Der wahre Wettbewerbsnachteil des Genesis ist aber sein Antrieb. Einzige Option ist ein 3,8 Liter großer V6-Saugmotor. (Realistischer) Normverbrauch: 11,6 Liter. Einen sparsamen Diesel oder Downsizing-Benziner gibt es nicht – in Deutschland in diesem Segment fast ein wirtschaftliches Todesurteil. Damit kommen allenfalls explizite Performance- und Fahrspaßmodelle durch. Das ist der Genesis trotz seines vielversprechenden Beinamens „Sportlimousine“ aber nicht. 232 kW/315 PS liefert der Direkteinspritzer unter der langen Motorhaube und schickt 397 Nm über eine etwas zögerliche Achtgangautomatik und ein Verteilergetriebe an alle vier Räder. Das tut er in der Regel kultiviert und eher gemütlich und im Regelfall bei eher niedrigen Touren.

Nur wer den Fahrmodi-Schalter von „Normal“ auf „Sport“ schaltet, zwingt ihn zu höheren Drehzahlen und sportlichem Knurren. Doch trotz durchaus kerniger Beschleunigung und hoher Motorleistung entfaltet der Hyundai gefühlt nur wenig Dynamik. Dass er eher leicht träge wirkt, liegt an der wenig verbindlichen Lenkung und dem ausreichend komfortablen, aber unverbindlichen Fahrwerk. Wanken und Nicken der Karosserie haben die Wettberber mit ihren häufig ausgefuchsteren Konstruktionen eindeutig besser im Griff. Der Koreaner verzichtet hier weitgehend auf Spezialtechniken wie Luftfederung oder intelligente Stabilisatoren und kombiniert die Multilenker-Radaufhängungen lediglich mit einer elektronischen Dämpferverstellung.

Geringe Stückzahlen des Hyundai Genesis

Neuen Schwung erwartet Hyundai durch die neue Luxusmarke Genesis.
Der Hyundai Genesis hat zuerst Lexus und Infiniti im Visier Hyundai

Für einen Hyundai ist der Genesis unter dem Strich ein herausragendes Auto – für eine Limousine der gehobenen Mittelklasse nur ein gehoben mittelmäßiges. Auf dem deutschen Markt zumindest wird das koreanische Flaggschiff den nationalen Platzhirschen nicht gefährlich werden. Dafür fehlt es außer an dem Diesel auch an Raffinesse bei Antrieb und Technik. Und am Image: Im Wiederverkauf macht der Koreaner den Vorteil seines günstigen Basispreises mindestens teilweise wieder zunichte.

Die Folge: In der offiziellen Bestsellerliste des Kraftfahrt-Bundesamtes taucht der Genesis wegen zu geringer Stückzahlen nicht einmal auf. Und das wird sich erst einmal nicht ändern. Doch wenn die Koreaner mit derart großen Schritten weitermarschieren wie in den vergangenen zehn Jahren, müssen sich in den 2020ern wohl nicht mehr nur Exotenmodelle wie Infiniti Q70 oder Lexus GS in Acht nehmen. (SP-X)

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Thomas Flehmer
Der diplomierte Religionspädagoge arbeitete neben seiner Tätigkeit als Gemeindereferent einer katholischen Kirchengemeinde in Berlin in der Sportredaktion der dpa. Anfang des Jahrtausends wechselte er zur Netzeitung. Seine Spezialgebiete waren die Fußball-Nationalelf sowie der Wintersport. Ab 2004 kam das Autoressort hinzu, ehe er 2006 die Autogazette mitgründete. Seit 2018 ist er als freier Journalist unterwegs.

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