Gordon Roadster: Tschechische Liebelei

Der Gordon Roadster im 30er-Jahre-Stil ist der moderne Traum einiger tschechischer Studenten. Und die haben sich an einem Vorbild aus ihrer Heimat orientiert, wie Stefan Grundhoff weiß.

Die Geschichte klingt einfach gut und sollte helfen, den Brit-Roadster aus Pilsen unter die Leute zu bringen. Sechs Studenten aus der Tschechei realisieren ihren automobilen Traum und kreieren in Heimarbeit einen eigenen Sportwagen. Deutlich exklusiver als ein Morgan Roadster und knapp 80.000 Euro teurer soll der Purist bald in Einfahrten eingefleischter Roadsterfans stehen.

Der elegant und betont britisch gekleidete Eugen Müller ist für den Vertrieb zuständig. Er sitzt gelassen in einem modernen Glaspalast im beschaulichen Westerwald und freut sich auf die ersten Kunden. Die Europapremiere brachte Gordon den ersten Schub Aufmerksamkeit und ohne Werbung immerhin drei potenzielle Kunden. Die letzten Gespräche laufen noch. Die Bauzeit beträgt zwischen vier und sechs Monaten. Pro Jahr sollen mindestens 15 Fahrzeuge entstehen.

Lange Historie

Das Vorbild kommt aus Tschechien Foto: Press-Inform

Zwei Vorzeigemodelle wurden bereits gefertigt. Der eine rot, der andere schwarz - elegant sind sie beide. Das Design des Gordon Roadster geht zurück auf den tschechischen Aero aus den 30er Jahren. Von ihm wurden unter anderem der gesamte Frontbereich und die geschwungenen Kotflügel übernommen. Ein ähnlicher Morgan kam erst nach dem zweiten Weltkrieg rund 15 Jahre später auf den Markt«, erklärt Eugen Müller. Man sieht ihm seine Freude an dem offenen Spaßmacher an. Knapp 80.000 Euro sind ein stolzer Preis und die blumige Geschichte vom real gewordenen Studententraum reicht nicht aus, um sich im harten Markt der Exklusivroadster zu etablieren. Immerhin kostet ein vergleichbarer Morgan rund 20.000 Euro weniger.

Doch die Ankündigungen klingen nicht wie leere Sprechblasen und die Verarbeitung der beiden Vorzeigemodelle kann sich sehen lassen. Dieser Roadster lässt Männerträume wahr werden. Endlos lange Motorhaube, steile Wundschutzscheibe mit drei winzigen Scheibenwischern, zwei Ledersitze, das dunkle Wurzelholzarmaturenbrett, Speichenfelgen und die obligatorischen Speichenfelgen. Wer sieht dem Gordon schon an, dass er ein Frischling auf dem Roadsterparkett ist? Eugen Müller legt Wert darauf, dass der Gordon nicht eine laienhafte Bastelei, sondern ein echter Sportwagen ist. «Wir haben es zuerst mit einer Starrachse hinten versucht», erzählt er, «uns letztlich aber doch für eine Einzelradaufhängung vorn und hinten entschieden.»

Purer Irrsinn

Auf die Geschwindigkeit kommt es hier nicht unbedingt an Foto: Press-Inform

Der gerade einmal 1,1 Tonnen leichte Zweisitzer macht auf dem flotten Landstraßenritt eine gute Figur. Kein Wunder, unter der Motorhaube rasselt und klopft ein Sechszylinder moderner Bauart. Der Dreiliter-V6 mit 166 kW / 226 PS und 280 Nm Drehmoment arbeitet sonst in Modellen wie Ford Mondeo und Jaguar S-Type. 0 auf 100 km/h in 5,7 Sekunden und 220 km/h Spitze - wer will die überhaupt fahren? Damit nicht genug. Wer will, bekommt den Gordon auch mit einem einen Zweiliter-Reihenvierzylinder. Je nach Ausbaustufe zwischen 145 und 450 PS stark. Das Topmodell ist der pure Irrsinn, aber die exklusive Kundschaft hat oftmals ihren eigenen Kopf.

Gewöhnungsbedürftiger Radstand

Das Fahren erfordert einige Übung Foto: Press-Inform

Der echte Roadsterfan zerbricht sich darüber nicht den Kopf und wählt zielsicher den soliden V6. Der bietet genug Power, um den offenen Tschechen ambitioniert über die hügeligen Pisten des Westerwaldes auszuführen. Zum Vergleich mit historischen Originalen fällt die steife Karosserie auf. Sicherheitsanker wie ESP, ABS oder Airbags gibt es übrigens nicht. Dafür ist der tschechische Brite gutmütig und das Handling Dank der leichten Lenkung kalkulierbar - zumindest wenn man sich an den 2,70 Meter langen Radstand gewöhnt hat. Der ist bei den ersten Kurven nicht jedermanns Sache. Die Insassen sitzen kurz vor der Hinterachse; die vorderen Räder liegen direkt hinter der Stoßstange, dahinter der Motor. «Wir wollten ursprünglich einen Leichtroadster bauen, der unter 1000 Kilogramm wiegt und den Spurt 0 auf 100 km/h in unter fünf Sekunden schafft», erzählt Eugen Müller, «aber die letzten Kilos werden unglaublich teurer. Und sportlich genug ist der Gordon allemal.»

Konsequenter Leichtbau

Klassisches Design Foto: Press-Inform

Der Rahmen des 4,07 Meter langen Gordon besteht aus Aluminium, die Karosserieteile aus leichtem GFK-Kunststoff. Die Stühle pressen einen auf den ersten Sitz ins 21. Jahrhundert. Statt schwammig-weicher Polster ohne Seitenhalt, Kopfstützen oder Sicherheitsgurte gibt es eng anliegende Ledersitze mit erhabenen Wangen und Wülsten. Sicher nicht jedermanns Geschmack aber in Kurven eine prima Sache. Wie der gesamte Wagen ist auch der Innenraum nebst hölzerner Armaturentafel, Chromuhren und Ledersitzen reine Handarbeit. Britische Roadster sind zumeist british-racing-green, haben die obligatorischen Speichenfelgen, eine niedrige Seitenlinie und ein Flatterdach für die Wetterkapriolen auf der Insel.

Etwas moderner sieht die Mütze beim Gordon aus. Die Farbe von Karosse und Dach ist wie fast alles frei wählbar. Cabrio-Spezialist Sonnenland spendierte das solide Regendach, das einen nach ein paar Handgriffen und abgebrochenen Fingernägeln vor dem nächsten Schauer schützt.

Komfort gegen Aufpreis

Keiner kommt auf die Idee, dass dieser Roadster aus Tschechien stammt. Der Gordon animiert zu einem Wochenendtrip in die Alpen. Mit Sonne, kühler Bergluft und dem ein oder anderen Regentropfen - gehört einfach dazu. Wer die Tour über kurvenreiche Pisten wie das Timmelsjoch oder den Reschenpass lieber allein zelebrieren und den kartenerprobten Beifahrer gerne zu Hause lassen möchte: Gegen Aufpreis gibt es den pseudohistorischen Tschechen mit Wundern der Neuzeit wie Klimaanlage, Sitzheizung und Navigationssystem und dem eigenen Familienwappen in der Kopfstütze. Kann man für 65.540 Euro zzgl. 19 Prozent Mehrwertsteuer aber auch eigentlich verlangen.

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