Falsch gespart

BMW 740i

Mit dem 7er baut BMW derzeit die vielseitigste Luxuslimousine der Welt. In Europa liebt man den Vorzeigebayern als 730d, in den USA als 750 Li und China wartet sehnsüchtig auf den Zwölfzylinder. Doch wer entscheidet sich für den Einstiegsbenziner 740i?

Von Stefan Grundhoff

Als BMW in der elegant-dynamischen Baureihe mit dem allzu schwächlich motorisierten BMW 725 tds erstmals ein Dieseltriebwerk in einem 7er BMW vorstellte, bahnte sich zumindest in Europa Böses an. War die Nachfrage aufgrund wenig standesgemäßen Vortriebs damals noch alles andere als befriedend, so sah es beim Nachfolger schon anders aus. Die beiden E65-Dieselmodelle 730d und 745d zeigten, dass Selbstzünder trotz üppiger Dimensionen auch Spaß machen können. Seither tun sich nicht nur bei BMW besonders die Einstiegsbenziner schwer. Das trifft auch den aktuellen BMW 740i. Wer der Nomenklatur und entsprechender Vorgängermodelle einen Achtzylinder mit mehr oder weniger vier Litern Hubraum vermutet, schaut in die Röhre. Hinter dem betont nasalen Kühlergrill arbeitet ein alter Bekannter aus den kleineren Baureihen 1er und 3er.

Fahrdynamischer Bodensatz

Landauf, landab wurde der doppelt aufgeladene Reihensechszylinder gelobt. Seidenweich drehend, spurtstark, mit akzeptablem Verbrauch und mit satten Leistungsreserven fuhr er sich auch in die noch junge 7er Baureihe. Das Mehrgewicht war offensichtlich. So drehten die Motorenentwickler an ein paar Stellschrauben an Motorelektronik und Turboaufladung und statt 306 PS stellt der rund zwei Tonnen schwere BMW 740i nunmehr 326 PS und ein maximales Drehmoment von 450 Nm zur Verfügung. Das steht bereits ab 1500 U/min zur Verfügung und bringt auf dem Papier somit auch einen verwöhnten Dieselfahrer zum Schwitzen.

240 kW / 326 PS, 0 auf 100 km/h in 5,9 Sekunden und eine abgeregelte Höchstgeschwindigkeit von 250 km/h sind Werte, die vor Jahren noch für anerkennende Aaahs und Ooohs gesorgt hätten. Doch in der Luxusliga ist das kaum mehr als fahrdynamischer Bodensatz. Weniger sollte es im Sinne eines standesgemäßen Fortkommens sowieso kaum sein. Ein Volltreffer ist das ansonsten prächtige Sechszylinder-Triebwerk in der Siebener Baureihe keineswegs.

Klingt wie ein Diesel

Benziner mit Dieselanmutung Foto: BMW

Nicht nur bei geöffneter Motorhaube ist der Sechszylinder kein Leisetreter. Der Motorenklang erinnert an einen Commonrail-Diesel. Und wenn einen der dritte Mitfahrer darauf hinweist, dass dieser Diesel aber schön leise sei, weiß man, dass von einem BMW 740i hier mehr zu erwarten ist. Gerade in dieser Klasse kommt man um den Slogan „wenn schon - denn schon“ kaum herum. Dass brennt sich einmal mehr in der Hinterkopf, wenn man an der Zapfsäule zum wiederholten Male früher als erwartet Nachschub ordert.

Geradezu schleierhaft erscheint einem der von BMW versprochene EU-Durchschnittsverbrauch. 9,9 Liter SuperPlus verbraucht der 5,07 Meter lange Bayer aus Dingolfing allenfalls im seichten Landstraßengalopp. In der Innenstadt oder auf der Autobahn hat der doppelt aufgeladene Sechszylinder mit dem zwei Tonnen schweren Luxusmobil seine Mühe und Not. Durchschnittlich rannen in der Praxis 12,7 Liter durch die Hightech-Einspritzdüsen. Zum Vergleich: ein BMW 735i der Vor-Vorgängergeneration E38 gab sich damit bei ähnlichen Abmessungen auch zufrieden. Und einen standesgemäßen Achtzylinderklang gab es noch dazu.

Warten auf den Hybrid

Die Wahl des rechten Motors kann einen beim 7er BMW daher kaum zum 740er führen. Entweder der Pilot will sparsam unterwegs sein und entscheidet sich für den 730d, den bald auf den Markt kommenden 735d oder man greift gleicht zum 750i.

Der hat mit seinem 4,4 Liter großen Turbo-V8 und mehr als 400 PS nicht nur den standesgemäßen Klang, sondern bietet auch den entsprechend standesgemäßen Motor, den man von einem 7er mit Benzinantrieb erwartet. Wer die Mischung aus beidem sucht: im kommenden Frühjahr kommt mit Verspätung der 7er Hybrid.

Fahrwerk ohne Konkurrenz

Absolut perfektes Fahrwerk Foto: BMW

Doch der an diesem Platz wenig stimmige Sechszylinder mit drei Litern Hubraum ist das einzige, an das man sich beim 7er BMW nicht gewöhnen möchte. Das elektronisch einstellbare Fahrwerk bietet eine größtmögliche Spreizung und ist in der Luxusklasse derzeit ohne Konkurrenz. Die Lenkung dürfte gerade in den beiden Sportmodi noch etwas direkter sein. Doch bereits die Normal-Abstimmung des Fahrwerks liefert kaum nennenswerte Kritikpunkte.

Wer es noch komfortabler oder eben sportlicher will, muss nur den Kippschalter neben dem Automatikhebel bedienen, der in die Vernetzung des Komplettfahrzeugs eingreift. Mit Freude nimmt man zur Kenntnis, dass der Getriebehebel zwar mittlerweile ebenfalls die Form eines Lady-Shavers hat, aber vom Lenkrad wieder auf den Getriebetunnel gewandert ist. Das Getriebe arbeitet dezent im Hintergrund und täuscht über einige Unzulänglichkeiten des Sechszylinders gekonnt hinweg.

Anknüpfung an perfekte Zeiten

Der Innenraum des 7ers Foto: BMW

Die Bedienelemente mit dem sehr guten iDrive und den sinnvoll angeordneten Direktschaltern an der Armaturentafel erinnern an die alte Perfektion der E38er-Baureihe, als man ein paar Dutzend weniger Funktionen zu verwalten hatte. Endlich ist der Tempomat wieder am Lenkrad und nicht an einem sich versteckenden Lenkstockhebel zu bedienen. Der 10,2 Zoll große Bildschirm ist eine Wonne - Rückfahr- und die beiden Frontkameras für unübersichtliche Ausfahrten ebenso. Gerade im Innenraum haben Entwickler und Designer im Vergleich zur alles andere als überzeugenden Vorgänger-Generationen einen guten Job gemacht.

Vergessen hat man dabei wohl den unsichtbaren Schalter für die Bedienung der elektrischen Kofferraumklappe im Fußraum. Bekannt gute Noten gibt es auch für die Komfortsitze, die sich abgesehen von einer ebenso unbequemen wie wenig ansehnlichen Kunststoffleiste bei ausgefahrener Beinauflage perfekt dem Körper anpassen und nicht umgekehrt.

Irritierende Aufpreise

Nahezu perfektes Auto, wenn das Kleingeld bereit liegt Foto: BMW

Nicht nur bei flotter Gangart freut man sich über die verstellbaren Seitenwangen, die einem dem nötigen Halt geben, auch einmal sportlich unterwegs zu sein. Gerade hierbei setzt der 7er BMW derzeit Maßstäbe. Komfortabel und wenn gewünscht sportlich kann derzeit keiner besser. Wer genug Geld in die Hand nimmt, bekommt nicht nur ein nahezu perfektes Auto, sondern auch alle nur erdenklichen Sicherheitsausstattungen für Überholen, Spurhalten, Abstand und so weiter.

Im gewohnt nackten Ausstattungszustand empfängt einen der BMW 740i ab 76.500 Euro. Die besser ausgestattete Langversion kostet 7.000 Euro mehr. Dass der BMW 740i als Basisbenziner noch serienmäßig mit unbeheizten Stoffsitzen und ohne Navigationssystem ausgeliefert wird, ist mehr als peinlich. Ledersitze kosten mindestens 2.310 Euro Aufpreis. Mit ebenso sinnvollen wie standesgemäßen Details wie Komfortsitzen, Navigationssystem, Vierzonen-Klimaautomatik, Sonnenschutzrollo oder Kurvenlicht knackt man problemlos die 85.000-Euro-Marke. Irritierend: das komplette Angebot von intelligenten Fahrerassistenzsystemen schlägt nochmals mit über 7.000 Euro zu Buche.

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