Donnergrollen wie am Alpenkamm

Ferrari California

Donnergrollen wie am Alpenkamm
Der Ferrari California © Foto: press inform

Das Auto mit der wohl niedrigsten Ladekante auf dem Markt hätte man sich irgendwie anders vorgestellt. Ferrari betritt mit dem California Cabrio-Neuland und wildert bei Mercedes, Bentley und Maserati.

Von Stefan Grundhoff

Ferrari baut ab sofort auch einen echten Cruiser. Kein Auto für Rennfahrer oder kompromisslose Piloten. Der California gehört genau dorthin, wo ihn sein Name verortet, im schmuckvollen Südwesten der USA. Der Ferrari California lockt Kunden, die sich bisher allein bei Bentley, Mercedes, Maserati oder Aston Martin bestens aufgehoben fühlten. Ganz unverhohlen spielt der Einsteiger-Ferrari mit historischen Anlehnungen an den begehrenswerten Ferrari 250 California. Für viele nicht nur eines der teuersten, sondern auch schönsten Autos aller Zeiten.

Kompromisssuche

Ferraris sind nicht bekannt für Kompromisse. Statt dem größten gemeinsamen Teiler sucht der Sportwagenhersteller das kleinste gemeinsame Vielfachen. Das ist beim ersten Coupé-Cabriolet anders. Hier sprang man auf einen einst mit dem legendären Peugeot 402 Eclipse initiierten Cabrio-Trend auf, um neue Kunden zu gewinnen, die bisher einen Bogen um die roten Renner machten. Gerade die heiß umworbene US-Kundschaft nimmt man mit einem Coupè-Cabriolet ins Visier.
Wem ein Mercedes SL zu langweilig, ein 6er BMW zu gewöhnlich und ein Bentley Continental GTC zu mächtig ist, der dürfte sich bei dem neusten Spielzeug von Ferrari aufgehoben fühlen. Noch bevor Maserati seine GranTurismo-Palette mit einem viersitzigen Luxuscabriolet krönt, bietet Ferrari ein Luxusgefährt für sonnige Tage.

Zahlreiche Neuerungen

Der Ferrari California Foto: press inform

Zwei Personen, vielleicht sogar mit Kind und leichtem Reisegepäck, haben im California einen mobilen Lebensraum, den man bisher allein bei der Konkurrenz vorfand. Grazile Front, üppiges Heck und eine beeindruckende Seitenlinie - aus diesem Stoff werden Traumcabriolets gebaut. Wenn dieser Beau 460 PS unter der Haube hat und ein Donnergrollen wie am Alpenkamm. So viele Neuerungen wie hier hat Ferrari selten in ein Auto gepackt: Doppelkupplung, Direkteinspritzung, Alu-Klappdach und Platz für vier statt zwei.

Geduld mit dem Dach

Der Ferrari California Foto: press inform

Ob das mächtige Aluklappdach in allen Belangen ein großer Wurf war, sei dahin gestellt. Es ist schwer und lässt das muskulöse Heck alles andere als dynamisch und filigran aussehen. Zudem ist ein Cabriodach, das nur im Stand bedienbar ist, alles andere als zeitgemäß. Und wer meint, dass dieses Klappdach im Stand schnell genug öffnet oder schließt, sind ausgedehnte Ampelstopps zu wünschen, um Hupkonzerte zu vermeiden. Der Kofferraum ist bei geschlossenem Dach bauartbedingt nur schwer zu nutzen. Geöffnet stehen immerhin 340 Liter zur Verfügung. Egal ob auf oder zu, nach hinten sieht man nicht viel.

Beschwerden im Fond

Die Sitzmulden in der zweiten Reihe machen den 4,56 Meter langen Ferrari erwartungsgemäß nicht zu einem Viersitzer. Der eigene Nachwuchs sollte das Schulalter noch nicht erreicht haben. Dann dürften Leder und der sonore Sound des Achtzylindertriebwerks reichen, um die Beschwerden im Fond zu überhören. Das Cockpit bietet die bekannten Formen und Komponenten wie den zentralen Drehzahlmesser oder den Manettino für verschiedene Fahrprogramme. Beleidigt wird das Auge jedoch mit einem Navigationssystem, das schon im Chrysler Sebring oder Jeep Patriot vieles vermissen ließ.

Standesgemäße Preise

Cockpit des Ferrari California Foto: press inform

Standesgemäß geht es für das Klappdach-Cabriolet bei 176.200 Euro los. Stellt sich die Frage, ob es sich beim Ferrari California um einen Sportwagen handelt. Natürlich bietet der alles andere als kompakte Sonnenanbeter dank seines V8-Frontmittelmotors mit 338 kW / 460 PS, 485 Nm Drehmoment, beeindruckende Fahrleistungen. Erfreulich direkt für einen Power-Cruiser zeigt sich die präzise Lenkung. 0 auf 100 km/h in weniger als vier Sekunden. Wie der 1,7 Tonnen schwere Hecktriebler seine Leistung auf den Asphalt zaubert, ist schlicht grandios. Auch die Höchstgeschwindigkeit von 310 km/h und das präzise Doppelkupplungsgetriebe mit sieben Schaltstufen räumen mit dem Vorurteil auf, man würde allzu zahm durch die Gegend flanieren. Nicht überspielen kann der Cruiser seine spürbaren Wankbewegungen bei flotter Gangart. Neue Ferrari-Dimensionen erreicht man auch beim Kraftstoffverbrauch. Mit 13,1 Litern SuperPlus soll er sich zufrieden geben. Immer noch eine Menge, aber ein Fortschritt, der insbesondere dem neu entwickelten Direktschaltgetriebe geschuldet ist. Man wird sehen, ob eine Marke, die für die Scuderia-Logos auf den vorderen Kotflügeln 1.170 Euro Aufpreis verlangen kann und für eine iPod-Vorrichtung 665 Euro veranschlagt, zu weniger, was mehr wäre, taugt.

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