Citroen Cactus: Charmanter Blender

Nette Ideen an Bord

Citroen Cactus: Charmanter Blender
Die Airbumps charakterisieren den Citroen Cactus. © Cactus

Citroen hat mit dem Cactus Mut bewiesen. Mit seinem Design und seinen mutigen Ideen haben sich die Franzosen eine Nische geschaffen. Mal sehen, ob sie damit erfolgreich sind.

Es gibt Automarken, die man stets mit bestimmten Modellen zusammenbringt oder die ein fest im kollektiven Gedächtnis verankertes Image haben: VW = der Käfer, Porsche = der Elfer, Alfa = die Giulietta, Opel = der Kadett, Citroen = avantgardistisch, Volvo = Sicherheit stehen hier nur beispielhaft. Mit der Gegenwart, geprägt von Kostendruck, Gleichteilestrategie und Umweltauflagen haben diese Reminiszenzen überwiegend nicht viel zu tun. Umso stärker fiel der Applaus der Medien aus, als Citroen Anfang des Jahres den neuen Cactus vorstellte. Endlich wieder ein richtiger Citroen hieß es fast unisono, ein Fahrzeug in der Tradition der „Ente“ 2CV (deux chevaux) oder der DS (die „Göttin“). Aber sind solche Vergleiche tatsächlich gerechtfertigt?

Zumindest darf man festhalten, dass die Franzosen mit dem Citroen Cactus einen mutigen Schritt zurück und damit gleichzeitig auch nach vorne gehen. Mit seinem unaufgeregten, unaggressiven Design, der Mischung aus netten neuen Ideen und Großserientechnik sowie seiner Marktpositionierung steht das Fahrzeug zumindest im Moment ziemlich alleine da.

Zwischen Polo und Golf

Bei der ersten Begegnung mit dem Cactus fällt auf, dass der Franzose in die Kategorie charmanter Blender gehört. Denn er wirkt von außen größer, als er eigentlich ist. Mit seiner Länge von 4,16 Meter ordnet er sich etwa zwischen einem Polo und einem Golf ein. Er könnte also je nach Sichtweise als kleiner Kompakter oder großer Kleinwagen bezeichnet werden. Der Auftritt ist eher rustikal als elegant, die kurzen Überhänge sorgen für einen stämmigen Stand auf der Straße. Ja und dann sind da natürlich noch diese sogenannten Airbumps, an Flanken und Schürzen des Fahrzeugs angebrachte, mit Luft gefüllte Plastikplanken.

Sie stehen sinnbildlich für die Gesamtidee des Cactus: pfiffige, preiswerte Lösungen zu suchen, die im Alltag nützlich sind – in diesem Fall, Lackkratzer am eigenen oder fremden Auto etwa auf dem Parkplatz verhindern.

Sitzen wie auf Omas Sofa

Mit dem C4 Cactus hat Citroen einmal mehr seine Innovationskraft unter Beweis gestellt.
Innenraum des Cactus Citroen

Wobei man unter Alltag auf jeden Fall den in der Stadt verstehen muss. Der Cactus ist weniger für die Landstraße und ganz bestimmt nicht für die Autobahn konzipiert, zumindest nicht für die deutsche BAB. Die breiten Sitze erinnern eher an Omas Sofa oder an die im nicht mehr erhältlichen Nissan Cube. Die Lenkung ist nicht ganz so unpräzise wie im 2CV, der Schalthebel wirkt luschig, die Verarbeitungsqualität teilweise nachlässig und die Motoren sind modern aber eher müde. All dies wurde in vielen Testberichten der letzten Monate immer wieder moniert, genauso wie die fehlende Tiefenverstellung des Lenkrads, oder die nur zum Ausstellen konzipierten hinteren Fenster.

Das alles ist wahr, man hätte es gerne anders und trotzdem geht diese Kritik am Kern des Fahrzeugs vorbei. Denn der Cactus ist trotzdem ein tolles Stadtauto. Wer sich überwiegend im urbanen Umfeld bewegt, dem sind hohe Motorkraft und absolute Lenkpräzision schon mal ziemlich egal. Die Antriebe bewegen das Auto ausreichend schnell, sind zudem recht sparsam und die Lenkung tut ihren Dienst. Die Sitze sind auf kurzen Strecken sogar ziemlich bequem, man muss den Cactus ja nicht gleich von Köln zum Comer See bewegen.

Im Vergleich zu normalen Stadtautos der Klein- und Kleinstwagenklasse bietet dieser Citroen richtig viel Platz, auch hinten und stellt rund 350 Liter Kofferraum zur Verfügung, er ist einigermaßen übersichtlich und hat genügend Ablagen. Zum Beispiel ein großes Handschuhfach, das auch durch einen neuartigen, im Dachhimmel angebrachten Beifahrerairbag möglich wurde.

Neben den vielen praktischen und pfiffigen Ideen bietet der Cactus aber vor allem ein großartiges Fahr-Gefühl. Nicht im Sinne von Kurvenhatz, sondern im Gegenteil von Entschleunigung. Fast hätten wir – Fahrer und Beifahrer - uns während der Testfahrt eine Gauloises angezündet, dabei rauchen wir doch gar nicht. Trotzdem hatten wir das Gefühl, den Kölner Feierabendstau irgendwie lässiger zu sehen.

Parkpiepser von und hinten

Der Citroen Cactus ist nur schwer zu klassifizieren.
Das Heck des Cactus Citroen

Schön auch, dass man im Cactus zumindest auf einige Annehmlichkeiten der aktuellen Autowelt nicht verzichten muss. So gibt es auf Wunsch Parkpiepser vorn und hinten, eine Rückfahrkamera, ein Navi natürlich und einiges mehr. Und die Motoren – 1,2-Liter-Dreizylinder-Benziner mit Leistungen von 55 kW/75 PS bis 81 kW/110 PS und ein 1,6-Liter-Diesel (73 kW/99 PS) – sind selbstverständlich bewährte Konzern-Aggregate.

Zaubern kann der PSA-Konzern natürlich auch bei einem solchen Auto nicht. Daher ist der sehr günstige Grundpreis von 13.990 Euro (1,2-Liter-Benziner, 55 kW/75 PS, Basisausstattung Start) reine Augenwischerei – was der Cactus aber praktisch mit allen anderen Modellen auf dem Markt gemeinsam hat. Doch wer zum Beispiel 18.540 Euro anlegt, erhält den nächststärkeren Benziner (60 kW/82 PS) in der höchsten Ausstattungsstufe Shine. Dann ist inklusive Audio-System, Rückfahrkamera, Klimaautomatik, 16-Zoll-Alus und Navi alles an Bord, was das Herz des normalen Städters begehrt.

So bleibt der Gesamteindruck deutlich positiv. Und er würde noch positiver ausfallen, wenn die Franzosen die ärgsten Mängel bei Verarbeitung und Komfort (Lenkradverstellung, Fenster hinten) in den Griff kriegen würden. Abgesehen von BMW mit der Marke Mini hat es bisher auf jeden Fall kein anderer Hersteller geschafft, seine Vergangenheit so geschickt mit der Gegenwart zu verbinden. So frech und so mutig könnte die Marke wieder in eine rosigere Zukunft fahren. (SP-X)

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Frank Mertens
Nach dem Studium hat er in einer Nachrichtenagentur volontiert. Danach war er Sportjournalist und hat drei Olympische Spiele begleitet. Bereits damals interessierten ihn mehr die Hintergründe als das Ergebnis. Seit 2005 berichtet er über die Autobranche.

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