Amerikanische Handarbeit

Cadillac ist auf dem Sprung: Die ur-amerikanische Automarke aus dem Hause General Motors will die Weltmärkte erobern. Eine Schlüsselrolle dabei soll der der CTS spielen – mit Design, Luxus und «Craftsmanship».

Von Jürgen Wolff

Cadillac ist so amerikanisch wie Cheerleader, Football, blutige Steaks oder das Recht, eine Waffe zu tragen. Oder wie Elvis. So kam es schon einer kleinen Kulturrevolution gleich, als Cadillac 2002 den neuen Caddy vorstellte. Der hieß nicht mehr «Fleetwood» oder «Eldorado», sondern unprosaisch CTS. Und sah auch so aus: Futuristisch, kantig - ein bisschen wie ein Tarnkappenbomber. Und die Botschaft, die er mitbrachte war eine doppelte: Wir wollen die Jungen - und wir wollen die Welt.

Fast reif für die Welt

«Global» ist das Wort, das Cadillac-Chef Jim Taylor am meisten benutzt, wenn er von seiner «neuen» Marke spricht: Sie soll «globale Bedürfnisse befriedigen» mit einer «globalen Architektur» und einem «global in sich schlüssigen Marketing». Bleibt nur die Frage: Ist der Cadillac auch reif für die Welt da draußen?

Wer mit dem gerade frisch überarbeiteten Cadillac CTS unterwegs ist, der hat schnell die Antwort: Noch nicht so richtig - aber lange kann es nicht mehr dauern. Zu amerikanisch sind noch viele seiner Eigenschaften. Zu wenig passgenau für Märkte, auf denen der Liter Benzin fast 1,50 Euro kostet. Oder in denen Mercedes, Audi und BMW die Benchmarks in der Luxusklasse setzen. Der CTS startet in Deutschland mit zwei V6-Benzinern. Die haben satte 211 beziehungsweise 311 PS - durchaus üppig in der gehobenen Mittelklasse: 6,3 Sekunden reichen dem (leer) 1,8-Tonner zum Spurt auf Tempo 100, mit 249 km/h Höchstgeschwindigkeit verpasst er nur um Haaresbreite die 250er-Marke.

Durstiger Amerikaner

Straffes Fahrwerk, straffer Durst Foto: Cadillac

Der Fahrspaß ist also garantiert - denn der CTS ist, wenn er nach Europa kommt, auch ganz unamerikanisch straff ausgelegt. Das Fahrwerk ebenso wie die massiv eingesetzten elektronischen Helfer halten ihn auch in flotten Kurven satt auf der Straße. Unebenheiten werden von den Dämpfersystemen nahezu spurlos weggebügelt. Die 6-Stufen-Automatik arbeitet sanft und passgenau, die gut dosierbaren Bremsen greifen kräftig zu.

Nur die etwas zu indirekte Lenkung passt noch nicht so ganz in dieses ansonsten in Europa absolut konkurrenzfähige Paket. Und nicht der Durst. 16,6 Liter gibt Cadillac für den CTS 3.6 V6 schon ganz offiziell als Stadtverbrauch an, 16,8 mit Automatik. Man hört am Blubbern des Motors schon, was da bei jedem Kick durchrauschen muss. 11,1 Liter nennen die Amerikaner als Durchschnitt. Dafür braucht man aus dem Mercedes-Stall schon eine S-Klasse mit 4,6 Litern Hubraum und zwei Zylindern mehr. Die 6-Zylinder in der E-Klasse kommen mit höchstens 9,7 Liter aus. Aber: Cadillac lernt global denken. Der kleinere 2.8-Liter-Benziner steht schon zum Verschiffen bereit. Und - für einen Amerikaner früher undenkbar - ab 2009 soll es den CTS sogar mit einem Diesel unter der Haube geben.

Edler Innenraum

Ganz unamerikanisch edel Foto: Cadillac

Ein anderes Beispiel ist der Innenraum: Amerikanische Autos glänz(t)en meist mit phantasielosen Orgien aus Billigplastik, schwabbeligen Sitzen und hakeligen Schaltern. Wer im CTS Platz nimmt, erlebt eine völlig andere Welt. Die Materialien wirken teuer und edel, die Lederbezüge für Sitze, Armaturenbrett und Türverkleidungen sind, sagt Chefdesigner John Manoogian stolz, »Hand Craftsmanship«: Handwerkskunst.

Der Chrom ist echt, die Formen klar, übersichtlich und in sich stimmig, die Farben gediegen. Die Sitze passen und bieten ordentlichen Seitenhalt, lassen sich auch für große Fahrer gut verstellen. Platz ist reichlich - außer im Heck: Der Kofferraum ist mit 373 Litern für die Klasse eher bescheiden.

Ein bisschen mehr Kunst

Eine Art Kunst Foto: Cadillac

Und auch an der Qualität wird Cadillac - anders als bei dem in Schweden gebauten BLS - noch weiter arbeiten müssen: Der liegt zwar deutlich über dem früherer Jahre und überall ist die neue Liebe zum Detail deutlich erkennbar - aber ab und an wackelt doch noch, was nicht wackeln sollte - bei unserem Testfahrzeug unter anderem zum Beispiel die Chrom-Zierleisten über den hinteren Türen.

Immerhin gibt es zum Ausgleich serienmäßig Luxus wie Xenon-Scheinwerfer, Bose Soundsystem, oder Zwei-Zonen-Klimaanlage. Optional sind Bequemlichkeiten wie Festplatten-Navigation, Einparkhilfe, Regensensor, Allradantrieb und mehr. 44.490 Euro sind für den 3.6-Liter CTS mindestens fällig, das teuerste Ausstattungspaket bringt ihn auf 49.090 Euro. Klingt viel, ist viel - aber ausstattungsbereinigt immer noch rund 20 Prozent weniger als ein vergleichbares Fahrzeug aus deutscher Produktion kosten würde. Aber mit denen, findet John Manoogian, ist sein Cadillac CTS ohnehin nur bedingt vergleichbar: «A little more art and a little less science.»

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