Alpine A 110: Mehr Fahrspaß mit der S-Version

Alpine A 110: Mehr Fahrspaß mit der S-Version
Der Alpine 110 S kostet 66.000 Euro. © Angelika Emmerling/Renault

Große Rennsport-Historie kennzeichnen den Sportwagen Alpine A 110. Mit 40 Zusatz-PS und modifiziertem Fahrwerk soll er als „S“-Version ambitionierten Besitzern künftig noch mehr Fahrspaß bieten.

Mit rund 6000 ausgelieferten Exemplaren hat der 2017 neu aufgelegte Zweisitzer bereits jetzt die in 16 Jahren erzielten Produktionszahlen der verschiedenen Vorgänger kassiert. Neben den Versionen „Pure“ und „Légende“ kommt Anfang nächsten Jahres das „S“-Modell hinzu. Wie ein über den Wetzstahl gezogenes Messer verspricht er mehr Schärfe, einen spitzeren Charakter und schneidige Fahrfreude mit präzisen Lenkreaktionen.

Die Wiederbelebung der Alpine-Sportwagen klingt wie eine automobile Märchengeschichte, denn es war einmal kleines flaches Coupé, das ebenso unscheinbar wie giftig, leicht, schnell und obendrein erster Champion in der Rallye-Weltmeisterschaft war. Seit 1962 lehrte es im Motorsport die Konkurrenz das Fürchten, was die Firma, die ihn herstellte, aber nicht vor der Übernahme durch den Renault-Konzern bewahrte.

Mehr Druck auf dem Turbo

Dessen mäßig erfolgreiche Versuche, mit den Modellen A310 oder A 610 adäquate Nachfolger zu kreieren, wurden 1995 eingestellt. Dem vor zwei Jahren neu aufgelegten Auto mit alt hergebrachtem Namen dürfte ein ähnliches Schicksal erspart bleiben, zumal es nun in neue Leistungsbereiche vorstößt. Sein Design hat bereits bewiesen, dass es Nostalgiker versöhnen kann, das auf Dynamikzuwachs ausgelegte Spitzenmodell dürfte die Sportlerfraktion darunter reanimieren.

Sportliche Sitzposition: unser Autor hinter dem Steuer des Alpine. Foto: Angelika Emmerling/Renault

Beim quer eingebauten 1,8-Liter-Turbomotor ist es geblieben. Mit einer Erhöhung des Ladedrucks um 0,4 aus 2,4 bar erreichte man die Leistungssteigerung auf 292 PS. Das Nenndrehmoment blieb mit 320 Newtonmetern gleich, es steht aber jetzt in einem breiteren Drehzahlspektrum zur Verfügung und reicht von 2000 bis 6400 Umdrehungen. Damit lässt sich dank des enorm fix schaltenden Siebengang-Doppelkupplungsgetriebes in 4,4 Sekunden aus dem Stand auf 100 km/h spurten. Bei 260 Stundenkilometer schiebt die Elektronik dem Vortrieb einen Riegel vor.

Gern würde der neue Alpine-Chef Patrick Marinoff die bevorzugt in Blau ausgelieferte Fahrmaschine als Vielzweckauto für die Bedürfnisse des Alltags verstanden wissen, doch das hieße, die A 110 S zu überfordern. Ja, aus Sicht der Franzosen ist die Alpine weiblich und keine testosteron-verseuchte Macho-Mühle, genauso wie „das Auto“ im Französischen auch „la voiture“ ist. Wer schlanken Körperbau und weiche Rundungen als Begründung heranziehen will, wird nicht daran gehindert. Aber das Auto eignet sich eben nicht zum Familienausflug oder zur Fahrt in den Wintersport. Was Spaß bringt, sind gewundene Landstraßen mit wenig Verkehr oder ein oktan-getränktes Wochenende auf dem Privat-Rundkurs.

Bescheidener Gepäckraum

Obwohl mit 4,18 Metern ein gutes Stück länger als die Ahnin aus den Sechzigern, wirken bei der A110 S die Proportionen stimmig und authentisch. Eine flache Schnauze, vier magische Leuchteinheiten, eine gewölbte Heckscheibe und ein senkrecht abfallendes Heck unter einem vorwitzigen Bürzel – all das sind Designzitate aus der ersten Generation.

Allerdings wanderte der Motor vor die Hinterachse, so dass eine nahezu ideale Gewichtsverteilung von 44:56 herauskam. Zwei Behältnisse für Gepäck, eines vor der Insassenkabine und eines hinter dem Motor, stellen eine konzeptionelle Verwandtschaft zum Porsche Cayman her, ebenso wie übrigens das mittig angeordnete Endrohr der Abgasanlage. Bei 196 Litern Kofferraum kommt man gar nicht erst in Versuchung, mit der Alpine ausgedehnte Reisen unternehmen zu wollen.

Eng geschnittene Sportsitze des italienischen Herstellers Sabelt bilden das Gestühl für die beiden Passagiere. Höhenverstellbar sind die Sitze nur mit Handwerkszeug, die Schiene für den Abstand zu den Pedalen ist aber geeignet, Zwei-Meter-Riesen ebenso lässig unter das 1,25 Meter niedrige Dach gleiten zu lassen, wie Menschen mit weniger Körpergröße. Wie die geringe Verstellbarkeit mit dem Aufpreis von 1785 Euro harmoniert, werden die Kunden entscheiden. Dass der kleine, leichte Zweisitzer für sommerliche Straßenverhältnisse besser geeignet ist, als für den Wintereinsatz, kann man auch daran erkennen, dass ein Aufbewahrungsfach für Handschuhe fehlt.

Tiefe Sitzposition

Die Sitzposition ist tief, der Schwerpunkt des Fuhrwerks, so versichern die Ingenieure, liege ziemlich genau in Beckenhöhe des Fahrers. Ein groß dimensionierter roter Startknopf auf der Mittelkonsole aktiviert den Vierzylinder hinter dem Rücken der Fahrgäste. In der Kombination mit kaum mehr als 1100 Kilogramm Leergewicht sind 3,8 Kg/PS zu protokollieren. Die Aufgabe eines Schalthebels wird von drei Tasten übernommen. Auch wenn auf der Testfahrt die Gelegenheit fehlte, die Tachonadel zum Anschlag zu bringen – berechtigte Zweifel an der Fähigkeit kann es nach der Performance nicht geben. Ein ebenfalls roter Knopf für den Fahrmodus (Normal, Sport und Track) verändert nicht nur die Grafik der Instrumente, sondern auch Gaskennlinie, Auspuffsound sowie die Eingriffsschwellen der Stabilitätssysteme.

Feinfühlige Lenkung

Der Alpine 110 S ist ein ausgesprochen sportlicher Zweisitzer. Foto: Angelika Emmerling/Renault

Das Geheimnis ihrer Dynamik liegt in der Leichtigkeit des Seins. Die geklebte, geschraubte, genietete und verschweißte Alukarosserie wiegt weniger als 200 Kilogramm. Sensibel reagiert die Alpine auf Gaszufuhr, im Sportmodus fast süchtig nach Bewegungen des rechten Fußes und unter Absonderung einer alles andere als synthetischen Klangkulisse. Das Sprotzeln beim Lupfen klingt wie der Protest des Treibsatzes gegen die vorübergehende Unterbrechung der Beschleunigung. Das Siebengang-Doppelkupplungsgetriebe von Getrac ist ein Vorbild der Anpassungsfähigkeit. Es scheint stets genau zu wissen, was der Fahrer oder die Fahrerin will. Bei hartem Bremsen schaltet es auch mal zwei Stufen zurück, um kurvenausgangs wieder genügend Drehmoment für einen rasanten Antritt zu haben.

Aber es kann auch lässig. Bei geringer Leistungsanforderung zieht es zügig in die langen Übersetzungen, erlaubt entspannte Gleitfahrt. Ebenso geschmeidig wie präzise werden schnelle Kurvenwechsel abgespult, stets mit vorbildlichem Feingefühl in der Lenkung. Das Heck meldet erhöhte Sensibilität, winzige Gegenbewegungen halten das Coupé mühelos auf Kurs. Die sanft dosierbaren Brembo-Bremsen helfen mit, die Längsdynamik zuverlässig im Zaum zu halten. Was der Turbo derweil aus dem 45 Liter kleinen Tank saugt, will man eigentlich gar nicht wissen. Die finstere Ahnung, dass es deutlich mehr als die norm-gemessenen 6,5 Liter sind, wird schleunigst wieder verdrängt. Spaß und Verbrauch beschreiben natürlich parallel laufende Steigungskurven, wenn man das Potenzial ausreizt und die Anzeige im Bordcomputer wird flugs zweistellig.

In einer kleinen Fabrik im nordfranzösischen Dieppe lässt Renault 15 Stück dieser Reinkarnation der Rallye-Legende pro Tag entstehen. Bis zu 40 Prozent des Gesamtvolumens, so die Annahme des Herstellers, könnten künftig auf die „S“-Variante entfallen. Knapp 300 deutsche Kunden fanden dieses Jahr bisher in der Alpine ihren mundgerechten Sportwagen. Mit dem Preis von 66.000 Euro gegenüber dem nächstgelegenen Modell in der Preisliste werden rechnerisch pro zusätzlicher Pferdestärke 170 Euro fällig.

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Axel F. Busse
Axel F. Busse ist gelernter Redakteur, sein kommunikations-wissenschaftliches Studium absolvierte er an der FU Berlin. Nach Tätigkeiten bei Tageszeitungen, wo er sich mit Auto- und Verkehrsthemen beschäftigte, arbeitet er seit 2003 als freier Autor ausschließlich in diesem Bereich. Außer für die Autogazette schreibt er für verschiedene Online- und Printmedien.

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