Land Rover Defender: Das letzte automobile Abenteuer

Geländewagen-Veteran

Land Rover Defender: Das letzte automobile Abenteuer
Der Land Rover Defender hat seine Gene über 64 Jahre erhalten © AG/Flehmer

Beim Land Rover Defender müssen Fahrer und Passagiere auf viele Annehmlichkeiten verzichten, die heute schon Standard sind. Trotzdem ist der Dino unter den Geländewagen immer wieder nicht nur eine Reise wert.

Von Thomas Flehmer

"Das ist ja wie im Krieg", schallt es vom Rücksitz nach vorn. Mutter muss es wissen. Die mittlerweile betagte Dame hat ihre Erfahrungen in den Wirren der vierziger Jahre des letzten Jahrhunderts gemacht. Möglichweise erinnerte sie die Fahrt an die Flucht aus den deutschen Ostgebieten. Allerdings hat der Land Rover Defender erst drei Jahre nach dem Kriegsende das Licht der Welt erblickt. Und doch hat Mutter irgendwie Recht: Der Defender bietet dem Fahrer das wohl – abgesehen vom Lada Niva – letzte automobile Abenteuer in dieser Zeit.

Kaum veränderte Formen beim Land Rover Defender

Seine Form hat sich in den letzten 64 Jahren kaum verändert. Eckig und kantig sehen SUV teilweise auch heute aus, aber nicht so. Eine hohe Motorhaube beherbergt den 2,2 Liter großen Diesel, der mittlerweile immerhin Euro 5 erfüllt, und auf 90 kW/122 PS zurückgreift. Auf den ausgestellten Radhäusern könnte sogar ein schnelles Frühstück bequem eingenommen werden. Die kurze Version TD4 90 Station Wagon bietet nur Fahrer und Beifahrer den Einstieg an der Seite. Die beiden Personen auf den Rücksitzen müssen über die Hintertür hinein. Selbstverständlich, dass dort das Reserverad angebracht wurde, um dem Heckfenster etwas die Sicht zu nehmen.

Die Stahlfelgen mit 7,5 R16-Bereifung verstärken den martialischen Eindruck weiter und lassen die Gedanken wieder in Richtung Mutters Kindheit schweifen lassen. Im Innenraum verstärkt sich der Eindruck. Die Frontscheibe geht gerade herunter, das Plastik wurde auch schon in früheren Versionen eingesetzt, die Instrumente und Schalter entstammen noch aus der Zeit, als die Beatles ihre ersten Erfolge feierten. Wer nicht ganz auf Komfort verzichten möchte, investiert 1690 Euro in eine Klimaanlage und weitere 780 Euro in das "Exklusiv-Paket" mit elektrischen Fensterhebern und Zentralverriegelung.

Geduld im Land Rover Defender gefragt

Der Land Rover Defender hat seine Gene über 64 Jahre erhalten
Die Schaltvorgänge des Land Rover Defender sind deutlich vernehmbar AG/Flehmer

Eine Zeitreise in die Vergangenheit bietet auch die Fahrt an sich. Der Diesel röhrt wie ein Lkw, beim Einlegen der immerhin sechs Gänge ist die Getriebestange im Motorraum deutlich zu hören. Sind auf der Fahrt die beiden hinteren Sitze nicht besetzt und nicht zur Seite geklappt, quietscht es auf glattem Asphalt, als würde sich der Allradler bereits im Gelände bewegen.

Auf der Autobahn bleibt dem 3,90 Meter langen Defender die Fahrt auf den beiden rechten Spuren. In 15,8 Sekunden hat der Dino die 100 km/h erreicht. Bereits 45 km/h später streckt der Defender die Fühler, wie der erste von Mutter geschenkte Kleinwagen, der Mitte der achtziger Jahre noch mit 45 oder 55 PS anstatt – wie heute - mit 95 PS bestückt ist. Geduld ist also angesagt.

Land Rover Defender mit enormen Wendekreis

Und Vorsicht! Denn zu forsch sollte auf der Straße nicht gefahren werden. Der Defender verfügt über kein ESP. Wird die Autobahnausfahrt zu schnell genommen, rutscht der Defender schnell weg. Und auch Kurven sollte vorsichtig genommen werden, da der Defender doch über einen enormen Wendekreis von 12,3 Metern verfügt. Da kommen die Radhäuser schnell mal den abgestellten Fahrzeugen nahe.

Während der Defender alles in allem Charaktereigenschaften aufweist, die auch solche Fahrzeuge an Bord haben, die aktuell und demnächst mit einem H-Kennzeichen bedacht werden, ist der Verzicht auf fast jeglichen Komfort recht teuer. Bei 28.890 Euro beginnen die Preise für die Basisausstattung als Station Wagon, die Topvariante SE startet bei 32.220 Euro.

Uriger Innenraum des Land Rover Defender

Der Land Rover Defender hat seine Gene über 64 Jahre erhalten
Der Innenraum ist ebenfalls sehr karg ausgefallen AG/Flehmer

Doch echte Puristen und Anhänger kann der Preis nicht stören. Sie verzückt der robuste Charakter mit der hohen Motorhaube und den Stahlfelgen. Das Frühstück nehmen sie auf den ausgestellten Radhäusern ein. Das am Heck angebrachte Reserverad macht einen coolen Eindruck und dank einer abklappbaren Trittstufe können die Rücksitze gut erreicht werden. Die hohe Sitzposition sorgt für ein Mehr an Sicherheit. Der Innenraum fühlt sich urig an, das Abenteuer kann beginnen.

Pfiffig ist der Lichtschalter unter dem Lenkrad angebracht, der heruntergedrückt werden muss; erst wenn die Lichter ausgeschaltet sind und der Lichtschalter sich wieder in seiner Ausgangsposition befindet, kann der auf der linken Seite angebrachte Zündschlüssel gedreht und der 1,8 Tonnen schwere Wagen ausgeschaltet werden.

Entspanntes Reisen im Land Rover Defender

Auf der Fahrt sorgen die langsam stattfindenden Schaltvorgänge für Entspannung beim Reisen. Bei mehr als 140 km/h wird sowieso nicht auf die Uhr geschaut, um möglichst schnell zum Ziel zu kommen. Und der Verbrauch, der auf der Autobahn 11,2 Liter betrug (Land Rover gibt insgesamt zehn Liter an), kann auch etwas gesenkt werden.

Wer auf diesen Typ Automobil steht, wird beim Defender schnell in Verzückung geraten. Die ganz harten Typen halten dann selbst Klimaanlage und elektrische Fensterheber für überflüssig. Sie wünschen sich den kernigen Charakter des Geländewagens und werden dabei bestens bedient – auch wenn es sich manchmal "wie im Krieg" anfühlt.

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Thomas Flehmer
Der diplomierte Religionspädagoge arbeitete neben seiner Tätigkeit als Gemeindereferent einer katholischen Kirchengemeinde in Berlin in der Sportredaktion der dpa. Anfang des Jahrtausends wechselte er zur Netzeitung. Seine Spezialgebiete waren die Fußball-Nationalelf sowie der Wintersport. Ab 2004 kam das Autoressort hinzu, ehe er 2006 die Autogazette mitgründete. Seit 2018 ist er als freier Journalist unterwegs.

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