Abarth 695 «esseesse»: Auf die Spitze getrieben

Abarth 695 «esseesse»: Auf die Spitze getrieben
Auf der Rennstrecke fühlt sich der Giftzwerg am wohlsten. © Abarth

Klein, aber oho. Mit dem 695 „esseesse“ treibt Fiat-Tochter Abarth den kultigen 500er auf die Spitze.

Am meisten Spaß macht Autofahren, wenn man schön sportlich dahinbraust. Das herrliche Gefühl kann einem ein kräftiger Motor bescheren, ein gut abgestimmtes Fahrwerk – oder am besten beides. Und doch gibt es eine kleine Steigerung: Dann nämlich, wenn die anderen gar nicht ahnen, womit man da unterwegs ist – und warum, verdammt noch mal, derart zügig.

Dachte sich auch Carlo Abarth, ein im Sternzeichen Skorpion geborener Italiener mit österreichischen Wurzeln, der in den 1950er- und 1960er-Jahren vornehmlich kleine, leichte Autos wie Simca, Alfa und insbesondere Fiat rennsporttauglich und erfolgreich machte. Seine Philosophie: Was wenig wiegt, braucht für die Flottfahrt keinen dicken Motor.

Knallbonbon mit 17-Zöllern

Mittlerweile ist der Name Kult – und Abarth eine Fiat-Tochter. Jüngste Kreation mit Stachel: der 695 „esseesse“.  Die Zusatzbezeichnung steht für zwei italienisch buchstabierte „S“ und bedeutet „Super Sport“. Dass das nicht in Lettern auf dem Heck steht, hat wohl triste historische Gründe abseits der Welt schneller Autos.

Natürlich steht da erstmal ein Abarth 695 am Rande des Testzentrums der Italiener bei Mailand. Aber eben ein ganz besonderer. Pechschwarz, aber mit schneeweiß lackierten 17-Zoll-Felgen, Spiegelgehäusen und einem langgezogenen Aufkleber mit dem Firmennamen. Die Alu-Motorhaube ist nach oben gewölbt, unter dem treuen Glubschaugen-Doppelblick des Genspenders macht der breite Lufteinlass eine dicke Lippe.

Dachspoiler in 13 Stufen einstellbar

Auf den ersten Metern gibt sich der Sound des 180 PS starken 1,4-Liter-Turbos noch schnurrend. Foto: Abarth

Das Auffälligste kommt zum Schluss: Der Spoiler an der Dachkante, der in 13 Stufen justiert werden kann. Beim Maximum von 60 Grad drückt reckt er sich so kraftvoll dem Fahrtwind entgegen, dass er im Vergleich zu anderen Abarth-Modellen wie dem „Competitione“ mit 42 Kilo mehr auf die Hinterachse drückt. Gut fürs Rumwieseln durch flotte Kurven und den sportlichen Gesamteindruck. Allerdings muss vor Fahrtbeginn entschieden werden, in welcher Stellung der Spoiler fixiert werden soll. Dazu muss ein Imbus-Schlüssel aus der Werkzeugtasche geholt werden.

Innen fallen gleich die integralen Sportsitze vom Spezialisten Sabelt auf, die den Abarth schon im Stand „schnell“ machen. Durch das Dreispeichen-Lenkrad öffnet sich der Blick auf das bunt leuchtende digitale Zentralinstrument, das mit dem mittigen Monitor für die Navigation und mehr korrespondiert. Der kurze Schaltknüppel ist ebenso in Karbonoptik gehalten wie dessen Kugelgriff. Vor dem klassischen Drehen eines Zündschlüssels ist also zumindest optisch alles angerichtet für die Hatz auf der firmeninternen Rennstrecke an Rande des Örtchens Balocco.

Sprint auf 100 in 6,7 Sekunden

Durch das Dreispeichen-Lenkrad öffnet sich der Blick auf das bunt leuchtende digitale Zentralinstrument. Foto: Abarth

Auf den ersten Metern gibt sich der Sound des 180 PS starken 1,4-Liter-Turbos noch schnurrend. Mit jedem Gramm mehr Druck aufs rechte Pedal mogeln sich Bässe aufs Abarth-Notenblatt. Sie mutieren bei Vollgas auf der Geraden zu einem helleren Dröhnen, bleiben aber deutlich unter der Gebrüll-Grenze. All das ist die akustische Begleitmusik für den Sprint auf 100 km/h in 6,7 Sekunden, fürs rabiate Runterbremsen mit kraftvoller Hilfe der rot lackierten Vier-Kolben-Anlage von Brembo und ihren vorderen 30,5-Zentimeter-Scheiben. Hinten sind es immerhin 24. Mit 225 km/h ist der Esseesse derzeit wohl der schnellste Athlet im Fiat-500-Kleid.

Klar, dass er sich auf einer Rennstrecke zu Hause fühlt. Aber wohl kaum einer der künftigen Kunden, von denen es wegen der limitierten Auflage nur 1390 geben wird, hat wohl einen Rennkurs vor der Haustür. Also muss sich so ein Knallbonbon auch im richtigen Leben bewähren. Da der Abarth weder als Familienauto noch als Ausflugsdampfer dienen soll, ist der Verzicht auf hintere Türen ebenso verschmerzbar wie der mühsame Durchstieg auf die hinteren Sitze. Die unvermeidliche Enge des 3,66-Meter-Alberich macht ihn wie schon das Original mit Fiat-Logo zum perfekten Stadt-Zweisitzer, der in der engsten Parklücke einen Platz findet. Nicht wirklich alltagstauglich ist die betont sportliche Auslegung des Fahrwerks. Aber echte Fans wollen es eben hart und heftig.

Ernüchternd ist der Blick aufs Preisschild. Fast 34.000 Euro sind eine selbstbewusste Ansage für ein Autochen, dass zwar mehr Wumms unter der Haube bietet als all die anderen im Liliput-Land. Beim Thema Assistenzsysteme und allem, was mit Elektro zu tun hat, muss er jedoch blankziehen. Aber so ein Esseesse hat nun mal eine andere Kundschaft, sagt Abarth – und hat sogar vermutlich recht damit. (SP-X)

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