Erdgas bei Nutzfahrzeugen führt eine noch stärkere Außenseiterrolle als bei den Pkw. Dag-Arnulf Schlaf, Bereichsleiter bei Volkswagen Nutzfahrzeuge, im Interview mit der Autogazette über fehlende Werbung und Chancen für den alternativen Kraftstoff.
Dag-Arnulf Schlaf kann durchaus nachvollziehen, warum Erdgas als Kraftstoff im Nutzfahrzeugbereich ein Schattendasein führt. «Es ist wird zu wenig Werbung für den Kraftstoff gemacht sowohl von den Kraftstoffherstellern als auch von der Autoindustrie, um die Wahrnehmung zu schärfen. Letztendlich passiert noch nicht allzu viel, um die Ängste zu tilgen und die Stärken hervorzuheben», sagte der Leiter des Bereiches Nutzfahrzeug Konzepte Produktdatenmanagement, Simulation und Virtuelle Fahrzeugentwicklung für Volkswagen Nutzfahrzeuge im Interview mit der Autogazette.
Gute Chancen für Erdgas im Nutzfahrzeugbereich
Auch die Preisdifferenz spiele eine Rolle angesichts von Unterschieden von 30.000 bis 50.000 Euro im Lkw-Bereich. «Es könnte sich etwas ändern, wenn die Lkw-Hersteller Konzepte anbieten, mit denen die Differenz gesenkt werden könnte», so der ausgebildete Maschinenschlosser und Diplom-Ingenieur weiter.
Allerdings sieht Schlaf, der seit 2012 seinen Bereich in Hannover leitet, auch gute Chancen für einen Durchbruch von Erdgas als Kraftstoff im Nutzfahrzeugbereich. Zum einen werde die Entwicklung der großen Dieselmaschinen durch Euro 6 immer aufwändiger und damit teurer, sodass auch die Preisdifferenz zum Erdgas schwindet. Zum anderen nehme die Bereitschaft der gewerblichen Kunden in Richtung CO2-Reduktion weiter zu. «Wenn man sich die Ausschreibungen für Fuhrparks anschaut, sind Autos mit überdurchschnittlichem CO2-Ausstoß nicht mehr erwünscht. Hier besteht für den Kraftstoff Erdgas die Chance, wenn es preislich passt.»
Allerdings müsse der Umschwung bald einsetzen angesichts von gerade einmal 37 im Jahr 2014 zugelassenen schweren Lkw mit Erdgas in Deutschland. «Erdgas bei Lkw-Fahrzeugen sieht fast wie ein Hobby aus. Bei den leichten Nutzfahrzeugen sollte eine Zahl von mehr als 10.000 Neuzulassungen pro Jahr angestrebt werden.»
«Bestehen immer noch Ängste vor Explosionsgefahren»
Autogazette: Herr Schlaf, Erdgas wird im gewerblichen Bereich als gute Alternative zu Benzin und Diesel angesehen. Wieso hat der Kraftstoff den Durchbruch in Deutschland noch nicht geschafft?
Dag-Arnulf Schlaf: Es ist wird zu wenig Werbung für den Kraftstoff gemacht sowohl von den Kraftstoffherstellern als auch von der Autoindustrie, um die Wahrnehmung zu schärfen – es ist ein Henne-Ei-Problem. Dabei könnten die Stärken von Erdgas bei den Emissionswerten stärker herausgestellt werden. Zudem bestehen immer noch Ängste vor Explosionsgefahren. Letztendlich passiert noch nicht allzu viel, um die Ängste zu tilgen und die Stärken hervorzuheben.
Autogazette: Macht die Elektromobilität dem Kraftstoff Erdgas zu schaffen?
Schlaf: Nicht unbedingt. Erdgas ist der Kraftstoff für lange Strecken, da hat die Elektromobilität ihre Grenzen. Selbst bei einem Tesla, wenn er sportlich gefahren wird. Erdgas hat auch langfristig neben dem Elektroantrieb Chancen, sobald das Gas nicht ausschließlich aus fossilen Energieträgern kommt.
Autogazette: In Asien und Afrika ist der Kraftstoff bereits viel weiter verbreitet. Warum dort und nicht auch auf unserem Kontinent?
Schlaf: Bei uns sind Diesel und Benzin etabliert. Die Autofahrer bleiben gewohnheitsmäßig bei den fossilen Kraftstoffen und ziehen Erdgas gar nicht in Erwägung. Im Pkw-Bereich führt der Einbau von Erdgastanks zum Teil zu Einschränkungen im Kofferraum.
«Preisdifferenz schreckt potenzielle Kunden ab»
Autogazette: Die fehlende Infrastruktur dürfte ja gerade bei langen Fahrten nicht als Hinderungsgrund zählen. Oder ist die beschränkte Reichweite ein Hinderungsgrund?
Schlaf: Die Reichweite mit den modernen Erdgas-Turbomotoren ist sehr viel besser als mit den früheren Aggregaten. Von daher ist die Reichweite sehr gut beherrschbar. Ich würde mir wenig Sorgen machen, dass ich nicht ankomme, zumal ja auch viele Fahrzeuge bivalent – also noch mit einem zweiten Kraftstoff – unterwegs sind. Es dürfte eigentlich kein Thema sein, unterschwellig ist es aber doch vorhanden. Der Grund liegt sicher auch an der fehlenden Information.
Autogazette: Wie groß ist die Preisdifferenz bei Lkw zwischen Diesel-Lkw und Erdgas-Lkw? Rechnet es sich wirtschaftlich oder eher nicht?
Schlaf: Sicherlich ist die Preisdifferenz sehr groß und schreckt potenzielle Kunden womöglich ab. Es könnte sich etwas ändern, wenn die Lkw-Hersteller Konzepte anbieten, mit denen die Differenz gesenkt werden könnte.
«Entwicklung der großen Dieselmotoren wird immer teurer»
Autogazette: Mit flüssigem Erdgas sind die Lkw besonders in China und den USA unterwegs. Wird der Kraftstoff auch bei uns als weitere Alternative einziehen?
Schlaf: Im Lkw-Bereich sind Chancen vorhanden, vor allem, wenn Biogas angeboten wird. Denn der Trend geht in Richtung CO2-Reduktion, was natürlich neue Chancen eröffnet. Die monovalenten Gasmotoren stoßen bis zu zehn Prozent weniger CO2 aus als Dieselaggregate. Zudem wird die Entwicklung der großen Dieselmaschinen durch Euro 6 immer aufwändiger und damit teurer, sodass auch die Preisdifferenz zum Erdgas schwindet.
Autogazette: Wird die Erdgas-Angebotspalette bei Nutzfahrzeugen noch zunehmen oder ist erst einmal abwarten gefragt?
Schlaf: Speziell bei den leichten Nutzfahrzeugen, die überwiegend im Stadtverkehr eingesetzt werden, sehe ich Chancen. Denn gerade im innerstädtischen Bereich hört man die lauten Diesel auch nicht gerne.
«Erdgas bei Lkw sieht fast wie ein Hobby aus»
Autogazette: Ist die bevorstehende Steuerbegünstigung ein Muss für den Kraftstoff Erdgas?
Schlaf: Sie hilft auf jeden Fall, denn das Ziel muss es sein, dass sich ein Erdgasfahrzeug für den Kunden rechnet. Wobei auch bei den gewerblichen Kunden die Bereitschaft in Richtung CO2-Reduktion zunimmt, zwar nicht durchgängig, aber der Kundenanteil vergrößert sich. Wenn man sich die Ausschreibungen für Fuhrparks anschaut, sind Autos mit überdurchschnittlichem CO2-Ausstoß nicht mehr erwünscht. Hier besteht für den Kraftstoff Erdgas die Chance, wenn es preislich passt.
Autogazette: 846 leichte und 37 schwere Nutzfahrzeuge wurden 2014 mit Erdgas in Deutschland verkauft. Reicht das für die Hersteller zum Aufrechterhalten der Produktion?
Schlaf: Die Gefahr besteht bei den geringen Stückzahlen. Erdgas bei Lkw-Fahrzeugen sieht fast wie ein Hobby aus. Bei den leichten Nutzfahrzeugen sollte eine Zahl von mehr als 10.000 Neuzulassungen pro Jahr angestrebt werden. Damit sind wir wieder bei der Aufklärungsarbeit der Kraftstoff- und Fahrzeughersteller gelandet. Zudem können die Autohersteller finanzielle Anreize für den Händler schaffen, damit der Händler sieht, dass es sich lohnt Erdgasfahrzeuge zu verkaufen.
Das Interview mit Dag-Arnulf Schlaf führte Thomas Flehmer