Das Schönwetter-Prinzip

BMW «Efficient Dynamics»

Mit seinen Erfolgen bei der Senkung der CO2-Emission hat sich BMW in jüngster Zeit viel Lob und Anerkennung verschafft. In der Praxis entpuppt sich das als «Efficient Dynamics» bezeichnete Paket jedoch als Mogelpackung.

Von Jochen Knoblach

Der Image-Wandel ist bemerkenswert. War BMW vor noch nicht allzu langer Zeit das Stamm-Label der Vollgasfraktion, so gilt der Münchener Hersteller heute als Deutschlands Vorzeigemarke in punkto CO2-Senkung. 27 Modelle haben die Bayern im Programm, die pro Kilometer höchstens 140 Gramm Kohlendioxid aus dem Auspuff blasen sollen.

Umfangreiches Maßnahmenpaket

Was die sparsamen Modelle eint, nennt der Bayer globalsprachlich «Efficient Dynamics» und meint ein Maßnahmenpaket, das die Bremsenergie-Rückgewinnung, eine Start-Stopp-Automatik, verbesserte Aerodynamik sowie Leichtbau zum Zwecke der Verbrauchsreduzierung bündelt und den BMW auch dem Hardcore-Mülltrenner sympathisch machen soll.

Anzeige der Start-Stop-Funktion und der Schaltempfehlung im BMW 118d Foto: BMW

Der BMW 118d ist eines dieser Autos. Unter der Motorhaube des 4,24 Meter langen Kompaktwagens liegt ein Zwei-Liter-Diesel mit 143 PS. 210 km/h sind möglich. Das hat dieser BMW also nicht verlernt. Umso mehr überraschen die Verbrauchsangaben. In der Stadt sollen diesem Einser 5,4 Liter Diesel je 100 Kilometer genügen, außerorts werden ihm 4,0 Liter zugestanden - macht im Schnitt 4,5 Liter. Das schafft in dieser Fahrzeugklasse sonst keiner, nicht mit 143 PS.

Mit einem Blick in den Fahrzeugschein beginnt «Efficient Dynamics» allerdings seinen Charme zu verlieren. 1395 Kilogramm bringt der 118d auf die Waage. Leichtbau ist anders. Ein vergleichbarer Golf wiegt gut zwei Zentner weniger. Und sogar der auch von BMW-Chef Norbert Reithofer als schwer gegeißelte zweimotorige Toyota Prius ist leichter!

Ein sportliches Auto

Seitenansicht der BMW 1er Foto: BMW

Dass der Einser ein sehr sportliches Auto ist, bleibt indes ohne Zweifel. Man sitzt sehr tief, die Lenkung ist feinfühlig und direkt, das Fahrwerk von einer Straffheit, die als angenehm empfunden wird, weil das Auto mit jedem Lenkeinschlag die nachvollziehbare und spürbare Erklärung dafür liefert. Der Motor ist kräftig, bissig ist er nicht. 1,4 Tonnen sind eben 1,4 Tonnen.

Von der Start-Stopp-Automatik ist nach einem Kilometer noch nichts zu merken. Dass sie beim Ampelstopp nicht einschreitet, um auch dem Motor eine Pause zu gönnen, fällt auf, beunruhigt aber nicht. Sicher ist der Motor noch zu kalt. Als der Vierzylinder aber auch vor der übernächsten roten Ampel nutzlos im Standgas läuft, keimt die Ahnung, dass hier etwas nicht stimmen könne. Nach zehn Kilometern ist es Gewissheit. Das Auto steht, der Motor dreht. Ein Defekt?

In New York zum World Green Car of the Year gewählt- der BMW 118d Foto: BMW

Der Autor fingert im Handschuhfach nach der Betriebsanleitung und findet auf Seite 57 die Erklärung. Denn im Kleingedruckten des Beipackzettels verrät BMW, dass das System den Motor erst dann abgestellt, wenn «bestimmte Bedingungen im Zusammenhang mit Sicherheit und Komfort erfüllt sind». So werde das Aggregat beispielsweise nicht abgeschaltet, wenn es draußen kälter als drei Grad Celsius ist, sich der Innenraum des Autos in der Aufheiz- oder Abkühlphase befindet sowie hohe Außentemperaturen herrschen und die Klimaanlage eingeschaltet ist. Das war die Erklärung. Das Außenthermometer des BMW 118d zeigt gerade zwei Grad über null.

Schönwetter-Technologie

Somit ist diese Start-Stopp-Automatik kaum mehr als eine Schönwetter-Technologie, die dem Kunden Sparsamkeit nur vorgaukelt. Denn im sogenannten europäischen Fahrzyklus, mit dem Verbrauch und CO2-Emission ermittelt werden, sind die Bedingungen für das BMW-System perfekt. Die Messung erfolgt bei einer Außentemperatur von 20 bis 30 Grad Celsius. Über insgesamt 13 Minuten werden auf dem Prüfstand Fahrten mit 15, 32, 40 und 50 km/h sowie elf Ampelstopps simuliert - mit abgeschalteter Klimaanlage.

So überrascht es nicht mehr, dass der 118d im Stadtverkehr statt der versprochenen 5,4 Liter 7,4 Liter Diesel fordert. Das ist keiner Auszeichnung würdig. Im Sport würde man dafür disqualifiziert werden und müsste die Medaille zurückgeben. Aber so sportlich ist diese sich sonst so sportlich gebende Marke freilich nicht.

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