Was das Elektroauto vom Pneu verlangt

Reifenentwicklung

Was das Elektroauto vom Pneu verlangt
Elektroautos stehen hoch im Kurs © Foto: Smart

Auch die Reifenentwickler müssen sich mit dem Elektroauto auf neue Gegebenheiten einrichten. Allerdings sind sie in dieser Beziehung deutlich weiter als andere Zulieferer.

Von Martin Woldt

„Mit dem Elektroauto mag vieles anders werden“, sagt Norbert Allgäuer, „aber vier Reifen werden ganz sicher dran sein.“ Der Fachmann der Reifenfirma Pirelli gibt sich betont gelassen. Für die Branche ist das Thema der energiesparenden Reifen so neu nicht. „Noch jede Öl-Preis-Krise hat uns mit dem Ruf nach spritsparenden Reifen konfrontiert.“ Der Übergang zum Elektroauto mag für die Reifenhersteller fließend sein, ist aber eine Herausforderung und eine Chance zugleich, etwas aus dem Schatten der Autobauer zu treten. So beansprucht etwa der japanische Reifenriese Toyo Tires seit Ende letzten Jahres einen maßgeblichen Anteil an einem Reichweitenrekord. 555 Kilometer ohne Nachladen soll das von ihm mit geförderte E-Auto auf der Basis eines Daihatsu auf der Strecke Osaka-Tokio-Osaka gefahren sein. Toyo Tires gibt immerhin zu, dass die beachtliche Distanz nicht nur den Reifen, sondern auch einer überarbeiteten Lithium-Ionen-Batterie von Sanyo zu verdanken ist. Allerdings werden keine Fahrzeug- und auch keine Reifendetails verraten.

Gewichtsreduktion

Doch man findet auch anderswo Anhalte für die Stellschrauben, an denen die Branche dreht. Beispielsweise stellte Dunlop Anfang März auf dem Genfer Autosalon einen speziell für das Elektroauto „BlueCar“ von Pinninfarina konstruierten Pneu vor. Der glänzte durch sein ungewöhnliches Profil und vor allem durch ein Viertel weniger Gewicht. Die Reduktion gelang, weil die sonst in der Reifenstruktur verwandten feinen Stahldrähte weitgehend durch Kevlar ersetzt wurden. Dabei handelt es sich um leichte, sehr feste Aramidfasern, die sonst etwa in Schusswesten verwebt werden. „Eine derart massive Gewichtsreduzierung führt zu niedrigerem Rollwiderstand und ist wie geschaffen für das elektro-getriebene BlueCar“, erläutert Bernd Löwenhaupt, Leiter der Dunlop-Pkw-Reifenentwicklung.

Neue Laufmischungen

Konzeptreifen von Dunlop für Pinninfarina Foto: Dunlop

Aber auch in der Gummimischung steckt Potenzial. So stellte der Leverkusener Chemiekonzern Laxness unlängst einen Hochleistungskautschuk vor, der nach Einschätzung seiner Entwickler die Reichweite künftiger E-Autos um 10 bis 15 Prozent verlängern kann. Das neue Material soll beim Abrollen weniger Energie verbrauchen. Anders ausgedrückt, die Mischung lässt weniger Verformungen zu, die in der Fahrpraxis dazu führen, dass Bewegungsenergie in Wärmeenergie umgewandelt wird, was die Reichweite verringert.

Mehr Umfang

Weiter kommt man auch durch andere Kniffe. Der französische Reifenspezialist Michelin zeigte 2009 auf der IAA in Frankfurt einen Prototyp, der schmaler und größer als üblich ist, also einen größeren Reifenumfang und eine kleinere Aufstandsfläche aufwies. Je größer der Umfang desto mehr Strecke soll dieser Reifen pro Umdrehung machen. Je kleiner die Aufstandsfläche um so geringer sei der Rollwiderstand, erklären die Entwickler den Nutzen für das Elektroauto. Weil das normalerweise auch den Grip und die Bremseigenschaften mindert, soll ein ungewöhnliches Längstrillenprofil für gute Fahrbahnhaftung und geringere Abrollgeräusche sorgen. Als Königsweg sieht man das allerdings nicht. Denn zugleich entwickelt Michelin unterschiedliche E-Auto-Räder für Stadt- und Überlandfahrten. Die für die Stadt sind kleiner und wendiger.

Kein Allheilmittel

Bei solchen Überlegungen wird deutlich, dass der Rollwiderstand für das E-Auto besondere Bedeutung hat, aber nicht unter allen Bedingungen. Mit wachsender Geschwindigkeit nimmt sein Einfluss ab, der des Luftwiderstandes dagegen deutlich zu. Aber das Elektroauto provoziert eben nicht nur neue Fragen.

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Frank Mertens
Nach dem Studium hat er in einer Nachrichtenagentur volontiert. Danach war er Sportjournalist und hat drei Olympische Spiele begleitet. Bereits damals interessierten ihn mehr die Hintergründe als das Ergebnis. Seit 2005 berichtet er über die Autobranche.

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