Die Versager vom Dienst

Fahrzeugtechnik

Die Batterie gilt als Achillesferse des modernen Autos. Selten ist sie so gefordert wie in diesen Tagen, insbesondere in Deutschlands Nordosten.

Von Martin Woldt

Das anhaltende Eisschrankklima setzt nicht nur dem Autofahrer selbst zu. Es stresst auch die Fahrzeugtechnik erheblich. Zu den frostempfindlichsten Komponenten zählen noch vor versulztem Dieselkraftstoff insbesondere kältesensible Batterien. Nicht von ungefähr herrschte im dauerfrostgeplagten Nordosten in den letzten Wochen eine angespannte Situation, wie das ADAC-Pannenhilfezentrum Ost in Ludwigsfelde zuständig für Berlin/Brandenburg, Sachsen und Sachsen/Anhalt wissen lässt. „Sobald es an die Null-Grad-Grenze ging, stiegen bei uns die Batterieprobleme auf das Doppelte bis Dreifache an“, berichtet Regionalleiter Frank Buchholz vom Einsatzalltag. Was unter anderem die Zahl der ausgetauschten Akkus beweist. Müssen sonst pro Monat um die 1200 Batterien vom Pannendienst gewechselt (deutschlandweit: 10.000) werden, waren es im Dezember 2.700 (18.000) im Januar 3200 (20.000). Der Februar lässt auf eine leichte Entspannung hoffen, so Buchholz: „Wahrscheinlich haben wir die Anfälligsten so nach und nach aus dem Verkehr gezogen.“

Dauerbrenner in der Pannenstatistik

Die jüngste Jahresstatistik des ADAC registrierte unter den rund vier Millionen Einsätzen der Gelben Engel im vergangenen Jahr 616.833 Notrufe wegen „defekter oder kraftloser Batterien“. Demnach streikten bei jedem vierten Pannenfahrzeug die Akkus, eine Steigerung gegenüber 2008, als die Werkstattwagen deshalb 542.869 Mal gerufen wurden. Die Bordnetzversorger zeigen sich immer öfter als die „Versager vom Dienst“. Dabei ist es keineswegs so, dass die Batterie, wie es ADAC-Experte Helmut Schmaler sieht, „ein qualitativ schlechtes Bauteil ist. Aber sie ist hoch beansprucht.“ Noch vor zehn Jahren bestand ihre Aufgabe im wesentlichen in der Starthilfe für den Motor. In modernen Fahrzeugen sind seither immer mehr Verbraucher an Bord, deren Strombedarf erheblich ist. Sitzverstellung, Sitzheizung, Klimaanlage, beheizte Heckscheiben usw. tragen einzeln und im Zusammenspiel zum Akku-Stress bei. „Während der Fahrt kann das zu einem großen Teil über den Generator (Lichtmaschine) abgefangen werden.

Ruhelose Steuergeräte

Große Auswahl an Bleiakkus Foto: GTÜ

Aber es gibt auch Steuergeräte, die noch zwei Stunden nach Abziehen des Zündschlüssels keine Ruhe geben,“ so Helmut Schmaler. Ein Beispiel sei die Wegfahrsperre, die permanent das Fahrzeug überwacht. Solche dauerhafte Beanspruchung wirkt sich insbesondere im Kurzstreckenverkehr sehr nachteilig aus. Nach statistischen Berechnungen führen 40 Prozent der täglichen Pkw-Fahrten in Mitteleuropa nicht weiter als fünf Kilometer. 70 Prozent der Tagesfahrten haben eine Reichweite von höchstens 30 Kilometern. Was für die Batterie zur Folge hat, dass die Fahrzeit selten ausreicht, um einen optimalen Ladezustand zu erreichen. An kalten Wintertagen verschärft sich das Problem. Die Batterie ist ein temperaturabhängiger elektrochemischer Speicher. Kühlt der Akku stark aus, lässt er sich nur mühsam wieder aufladen. Mag auch genügend Ladestrom aus der Lichtmaschine fließen, bei strengem Frost bewirkt das nur wenig, bisweilen gar nichts. Überbeansprucht gibt der Energiespeicher irgendwann auf.

Problemfall: Säureschichtung

Batterieladegerät von Waeco Foto: Waeco

Wann das passiert, hängt stark von seiner Lebensgeschichte ab. „Betrug die Lebensdauer eines Akkus vor einer Weile noch fünf bis sechs Jahre, sind heute viele schon nach vier, manchmal nur drei Jahren hinüber“, sagt Frank Buchholz. Denn in gewissem Sinne besitzt eine Batterie durchaus ein Langzeitgedächtnis. Wird sie häufig tief entladen, wie in diesen Frosttagen, versucht sie diesen Zustand mittels hoher Ladeströme zu kompensieren. Das aber provoziert einen chemischen Prozess, den man Säureschichtung nennt. Der zwischen den Bleiplatten befindliche flüssige Elektrolyt, ein Gemisch aus Wasser und Schwefelsäure, verändert seine Beschaffenheit. Die Schwefelsäure sinkt zu Boden, während oben an den Platten bald nur noch Wasser schwimmt. Richtig geladen wird die Batterie so nur im immer schmaler werdenden Mittelteil. Im Wasser- wie im Säurebereich ist eine leistungsfähige Stromversorgung nicht mehr möglich. Gleichzeitig altert der Akku an diesen Stellen schneller, bis er irgendwann völlig den Dienst quittiert.

Tipps

[*]Wer an Frosttagen hauptsächlich auf Kurzstrecken unterwegs ist, sollte seine Fahrzeugbatterie vorsorglich ab und an ausbauen und bei normaler Raumtemperatur mit dem Ladegerät für volle Speicher sorgen, um tiefe Entladungen zu minimieren.

[*]Wer in diesen Tagen von einem Batterieausfall verschont geblieben ist, und einen etwa drei Jahre alten Stromversorger an Bord hat, dem empfiehlt sich rechtzeitig vor dem nächsten Winter eine gründliche Vermessung der Leistungswerte mit einem geeigneten Gerät.

[*]Nicht in jedem Fall ist bei einem Batterieversagen der Akku selbst der Verursacher. Auch der Generator, der Regler, die Keilriemenspannung oder die Kabelverbindungen kommen infrage. So sollte der Massekontakt des Akkus korrosionsfrei, die Anschlusspole sauber sein, um sogenannte Kriechströme zu verhindern.

[*]Zu den größten Stromverbrauchern an Bord zählen das Motormanagement (150 Watt), die Beleuchtung (150 Watt), die Heckscheibenheizung (mindestens 120 Watt), das Gebläse (mindestens 100 Watt), die Scheibenwischer (80 Watt) oder die Sitzheizung (70 Watt).

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Frank Mertens
Nach dem Studium hat er in einer Nachrichtenagentur volontiert. Danach war er Sportjournalist und hat drei Olympische Spiele begleitet. Bereits damals interessierten ihn mehr die Hintergründe als das Ergebnis. Seit 2005 berichtet er über die Autobranche.

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