Kompromiss im Streit um Autoabgase

CO2-Grenzwert kommt 2012

Im Streit um strengere Klimaschutzvorgaben an die Autoindustrie haben Deutschland und Frankreich einen Kompromiss erzielt. Zwar kommt der CO2-Grenzwert von 120 Gramm, doch die Hersteller erhalten mehr Flexibilität.

Deutschland und Frankreich haben mit einer überraschenden Einigung im Klimastreit den Weg in die französische EU-Ratspräsidentschaft geebnet. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und Frankreichs Staatschef Nicolas Sarkozy vereinbarten am Montag in bayerischen Straubing Klimaschutzvorgaben für die Autoindustrie, die richtungweisend auch für die anderen EU-Länder werden sollen.

Einigung auf 120 g

Der Kompromiss beim deutsch-französischen Ministerrat bestätigt das Ziel der EU-Kommission, den Ausstoß von Kohlendioxid bis 2012 auf 120 Gramm pro Kilometer zu begrenzen. Er lässt aber den Autoherstellern mehr Flexibilität bei der Umsetzung mit längeren Übergangszeiten und reduziert die drohenden Strafzahlungen. Öko- Innovationen sollen mit 6 bis 6 Gramm angerechnet werden.

Merkel sprach von einem «wichtigen Durchbruch». Sarkozy unterstrich den deutsch-französischen Schulterschluss: «Wir haben die Absicht, Hand in Hand zu arbeiten gemeinsam mit Deutschland und gemeinsam mit der Bundeskanzlerin.» Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) begrüßte die Einigung als «einen vertretbaren Kompromiss». Der Präsident des Autoindustrie-Verbandes VDA, Matthias Wissmann sagte dem «Tagesspiegel» «Der Vorschlag ist besser als der der EU-Kommission, aber nicht ideal.»

Bei anderen Streitpunkten gab es keine Übereinkunft. Sarkozy kündigte an, dass er bei dem EU-Gipfel am 19. und 20. Juni in Brüssel seinen Vorschlag für niedrigere Mehrwertsteuersätze als Antwort auf die Explosion der Spritpreise erneuern werde. Das lehnen Deutschland und andere EU-Länder ab. Auch Sarkozys Vorstoß für einen CO2- Strafzoll für die Länder, die sich wie die USA nicht am Emissionshandel beteiligen, fand bei Merkel keine Gegenliebe.

Überschattet war das Straubinger Treffen auch von den Nachrichten aus Irland über eine laut Umfragen drohende Ablehnung des EU-Reform- Vertrags von Lissabon. Dies würde die EU in eine neue Krise stürzen. Es werde eine zwischen Frankreich und Deutschland abgestimmte Reaktion auf jedes Ergebnis in Irland geben, sagten Merkel und Sarkozy.

Flotten dezidiert betrachten

Im Streit um die Klimaschutz-Vorgaben für die Autohersteller wollte Merkel Nachteile für deutsche Oberklasse-Fahrzeuge verhindern. Sarkozy hatte vor allem die französischen Hersteller kleinerer und mittlerer Fahrzeuge im Auge. Beide verständigten sich schließlich in Verhandlungen in letzter Minute auf langfristig noch schärfere Auflagen. Die Autoflotten sollten dabei aber insgesamt betrachtet werden.

Das EU-Klimapaket bis Ende 2008 ist zentrales Ziel der französischen Ratspräsidentschaft, die am 1. Juli beginnt. Sarkozy warb in Straubing ausdrücklich für den Ausbau der Atomenergie. Dies sei auch angesichts der Preisexplosion bei Öl und Gas eine «Lösung der Zukunft». Frankreich wolle gemeinsam mit Deutschland Kernkraftwerke der neuen Generation bauen, aber die Entscheidung liege bei Deutschland.

Die Kanzlerin verwies im Gegenzug auf die große Koalition und die damit verbundenen Absprachen. Der Atomausstieg sei unter Rot-Grün beschlossen worden. «Meine Überzeugung ist, dass das nicht klug ist ... aber ich bin vertragstreu», sagte sie.

Am neunten deutsch-französischen Ministertreffen nahmen auch Außenminister Frank-Walter Steinmeier, sein Amtskollege Bernard Kouchner sowie weitere Kabinettsmitglieder beider Länder teil. Eine Verständigung gab es nach den Worten Sarkozys auch bei den Themen Einwanderung und Sicherheitspolitik. Auch bei internationalen Fragen bestehe weitgehende Einigkeit.

Merkel hatte Sarkozy vor dem Rathaus in Straubing empfangen. Bei einem Festakt zur Feier der militärischen Zusammenarbeit beider Länder seit 20 Jahren sagte Merkel die Unterstützung Deutschlands für den geplanten Ausbau der militärischen Zusammenarbeit in der EU zu.

Die Fraktionsvorsitzende der Grünen im Bundestag, Renate Künast, hat die deutsch-französische Einigung im Streit um die Klimaschutz-Auflagen für die Autoindustrie kritisiert. Der «Passauer Neuen Presse» sagte Künast über dieses Ergebnis des Treffens von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und Frankreichs Staatspräsident Nicolas Sarkozy in Straubing: «Die Einigung verheißt gar nichts Gutes für den europäischen Klimaschutz. Das ist typisch Merkel: Sie startet als Klimaretterin und am Ende zerlegt sie alles in Einzelteile, so dass am Ende keine Klimapolitik mehr drin ist.» Hier gehe sie wieder voll auf die Vorschläge der deutschen Automobilkonzerne ein, die «Spritschlucker» verkaufen wollten. «Das wird aber mittelfristig nicht Arbeitsplätze in Deutschland halten und ist eben kein Klimaschutz.» (dpa)

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