Klimaschützer streiten mit «Bleifuß-Lobby»

Diskussion um Tempolimit

Bremen hat gerade ein Tempolimit von 120 km/h eingeführt. Geht es nach den Umweltverbänden, sollten andere Bundesländer diesem Beispiel schnell folgen.

Von Felix Rehwald

Das Thema ist nicht neu, die Argumente in der aktuellen Diskussion sind es schon: Bislang begründeten die Befürworter eines Tempolimits auf Autobahnen ihre Forderung vor allem mit der Verringerung der Unfallzahlen. Inzwischen sehen sie Tempo 120 oder 130 auch als Beitrag zur Verringerung der klimaschädlichen CO2-Emissionen. Mit der Klimadebatte ist das Verkehrssicherheitsthema auch zu einem umweltpolitischen geworden. Unverändert ist dagegen die Ablehnung durch die «Bleifuß-Lobby», die Geschwindigkeitsbegrenzungen als unzumutbare Einschränkung der persönlichen Freiheit geißelt.

Senkung der C02-Diskussionen

Nach Angaben des Verkehrsclubs Deutschland (VCD) in Berlin hätte ein generelles Tempolimit auf den Autobahnen in Deutschland eine unmittelbare Auswirkung auf den Klimaschutz. «Man kann damit direkt Spritverbrauch und CO2-Ausstoß senken», sagt VCD-Sprecher Daniel Kluge. Denn ab Tempo 100 steige der Spritverbrauch «exponentiell».

Das verdeutlicht ein Verbrauchstest der Zeitschrift «Auto Bild» aus Hamburg: Demzufolge schluckt etwa ein VW Golf GT 1.4 TSI (125 kW/170 PS) bei 100 km/h 6,5 Liter Super Plus. Bei 130 km/h sind es bereits 8,7 Liter, bei 140 km/h 10,6 Liter, bei 180 km/h 13,9 Liter, bei 200 km/h 16,4 Liter. Bei Vollgas und Höchstgeschwindigkeit 220 km/h werden dann sogar 20,5 Liter durch die Brennräume des von VW als «sparsam» beworbenen Motors gejagt.

Berechnungen des Umweltbundesamtes zufolge brächte eine Autobahn-Höchstgeschwindigkeit von 120 km/h - wenn sie eingehalten wird - eine Verringerung der CO2-Emissionen durch den Autobahnverkehr um neun Prozent, sagt Daniel Kluge. Das entspreche einer Einsparung von rund drei Millionen Tonnen CO2 pro Jahr. Dagegen spare das von der Bundesregierung mit einer Milliarde Euro jährlich geförderte Wohnungsbausanierungsprogramm pro Jahr nur eine Million Tonnen ein.

Entwicklung effizienterer Motoren

Hinzu kommen dem Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) in Berlin zufolge mittel- und langfristige Auswirkungen. So könne ein Tempolimit wesentlich zur Entwicklung effizienterer Motoren und spritsparender Autos beitragen. «Statt superschnelle und extrem schwere Neuwagen zu konstruieren, würden die deutschen Autobauer motiviert, ab sofort leichte und sparsame Pkw zu bauen», so der BUND.

Auch VCD-Sprecher Kluge versteht ein Tempolimit als «Signal zum Downsizing»: «Das ergäbe zusätzliche erhebliche Einspareffekte.» Die Fahrzeuge müssten nicht mehr auf so hohe Höchstgeschwindigkeiten ausgelegt sein, man könnte sie dadurch viel leichter konstruieren. Laut BUND verringert bereits eine Reduzierung des Pkw-Gewichts um 100 Kilogramm den Spritverbrauch um etwa einen Liter.

Weil sich mit einem Tempolimit die zurzeit noch sehr hohen Geschwindigkeitsdifferenzen zwischen den schnellsten und langsamsten Fahrzeugen verringern, reduziere sich auch das Staurisiko, sagt Daniel Kluge. Der spritzehrende «Ziehharmonika-Effekt» aus Abbremsen und Beschleunigen entfalle zugunsten eines gleichmäßigeren Verkehrsflusses, was ebenfalls eine Verbrauchsersparnis bewirke.

Vernachlässigbare Auswirkungen

Dagegen lehnt der ADAC in München die Einführung eines generellen Tempolimits auf Autobahnen ab. Die Auswirkungen auf den Klimaschutz seien «vernachlässigbar», behauptet Michael Niedermeier, Referent für Verkehr und Umwelt beim größten deutschen Automobilclub. Lediglich zwei Prozent der CO2-Emissionen ließen sich damit einsparen. «Das Argument «Damit retten wir das Klima» ist Blödsinn.» Der Club halte es für besser, effizientere Fahrzeugtechnologie einzusetzen. Dass diese allerdings erst einmal von den Herstellern entwickelt und von den Autofahrern in neuen Fahrzeugen für viel Geld gekauft werden müsste, scheint der Club für nachrangig zu halten.

Auch einen Anreiz zum «Downsizing» der Fahrzeuge durch ein Tempolimit sieht Niedermeier nicht. Das Beispiel USA, wo es in allen Bundesstaaten scharfe Tempolimits gebe und dennoch vor allem PS-starke Fahrzeuge mit viel Hubraum sehr beliebt seien, beweise das Gegenteil. Außerdem gebe es auf deutschen Autobahnen bereits eine Durchschnittsgeschwindigkeit, die nahe an den geforderten Tempolimits sei. Auf rund einem Drittel aller Autobahnkilometer gebe es dauerhafte Tempo-Begrenzungen, so Niedermeier. Auf zusätzlichen zehn bis 15 Prozent der Strecken gebe es zeitlich begrenzte Tempolimits.

Aus Sicht des ADAC reichten die Argumente für ein Tempolimit nicht aus, um dafür die persönlichen Freiheiten der Autofahrer einzuschränken, fasst Niedermeier zusammen. «An der einen oder anderen Stelle hat es der eine oder andere vielleicht etwas eiliger - oder möchte einfach mal Spaß haben und 180 fahren.» Auch der Verband der Automobilindustrie (VDA) in Frankfurt/Main wettert gegen das Tempolimit als «Gängelei der Bürger», die keinen zusätzlichen Nutzen für den Klimaschutz bringe.

Standardargumente der Bleifußfraktion

VCD-Sprecher Kluge sieht darin die Standardreaktionen der «Bleifußfraktion». Niemand behaupte, mit einem Tempolimit würden die Probleme des Klimawandels gelöst. Es könne aber einen Beitrag leisten. «Wir brauchen eine Vielzahl von Einzelmaßnahmen, um die Klimaschutzziele zu erreichen», sagt Kluge. Das sieht mittlerweile auch Bundesumweltminister Sigmar Gabriel so: Um die CO2-Emissionen bis 2020 wie beabsichtigt um 40 Prozent zu verringern, werde nach 2009 auch ein Tempolimit unumgänglich. Nach dem Motto «Kleinvieh macht auch Mist» müsse es in die Überlegungen einbezogen werden.

Langfristig laufe ohnehin alles darauf hinaus, so Kluge: Die Bevölkerung finde Gefallen an der Idee eines Tempolimits und wenn Deutschland nicht selbst eins verhängt, werde es eben spätestens in zwei Jahren von der EU verordnet - um die Höchstgeschwindigkeiten auf den Straßen in Europa zu harmonisieren: «De facto ist Deutschland das einzige verbleibende Land weltweit ohne Geschwindigkeitsbegrenzung.» (dpa)

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