Einigung «reine Scharlatanerie»

Autofahrer befürworten «Strafsteuer»

Die Einigung zwischen Frankreich und Deutschland bei den Klimaschutzauflagen für die Autoindustrie ist auf Kritik gestoßen. Während die Autofahrer eine «Strafsteuer» befürworten, sprach der Autoexperte Wolfgang Meinig von einer «Farce».

Die deutsch-französische Einigung über Klimaschutz- Auflagen für die Autoindustrie ist von Umweltverbänden kritisiert worden. «Frau Merkel tritt zwar immer wieder als Klimakanzlerin auf, doch sie knickt erneut vor der Autoindustrie ein», sagte der Verkehrsexperte von Greenpeace, Marc Specowius, am Dienstag der Autogazette. «Wenn es zu einer Absenkung der Strafzahlungen kommt, dann haben die Hersteller kaum noch Anreize, um ihre Emissionen schnell abzusenken», fügte Specowius hinzu. Für Greenpeace steht deshalb fest, dass es auf jeden Fall mindestens bei den 120 Gramm bis 2012 bleiben muss. Alles andere sei aus klimapolitischen Gesichtspunkten nicht zu vertreten, sagte der Verkehrsexperte.

Auch der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) kritisiert den Kompromiss. Es sei ein klimapolitischer Irrweg, wenn ausgerechnet deutsche Autohersteller bei den CO2-Einsparvorgaben bevorzugt werden sollten. Gerade Volkswagen, Mercedes, Porsche und BMW seien regelmäßig als Verhinderer ambitionierter Umwelt- und Klimaschutzziele aufgefallen, teilte der BUND am Dienstag in Berlin mit.

Schonfrist für Spritfresser

Unverständlich sei auch, dass der Zeitplan zur Einhaltung der Verbrauchslimits gestreckt werden solle. Damit werde der ab 2012 von der EU-Kommission geforderte Kohlendioxid-Grenzwert für Neuwagen von durchschnittlich 120 Gramm pro Kilometer endgültig ad acta gelegt. Der Übergangszeitraum bis 2015 sei nichts anderes als eine Schonfrist für Produzenten von Spritfressern. Auch das Anrechnen angeblicher Öko-Innovationen bei Neuwagen verwässere die Vorgaben.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und der französische Präsident Nicolas Sarkozy hätten sich dem Druck der Autoindustrie gebeugt. «Das beschädigt die Glaubwürdigkeit beider Länder beim Klimaschutz», sagte BUND-Verkehrsexperte Richard Mergner. Nach monatelangem Streit hatten sich Merkel und Sarkozy am Montag im Grundsatz verständigt. Details müssen aber noch verhandelt werden.

Mehrheit für Strafsteuer

Dagegen hat die Mehrheit der Autofahrer in Deutschland eine Strafsteuer befürwortet. Einer repräsentativen Umfrage des Marktforschungsinstituts Maritz Research aus Hamburg zufolge sprachen sich 57 Prozent der 1581 befragten Autobesitzer für eine höhere Kfz-Steuer für Autos mit schlechter Klimabilanz aus. 69 Prozent hätten sogar gerne eine zusätzliche Steuer für die spritdurstigen Sports Utility Vehicles (SUVs), wie es sie bereits in Frankreich, Spanien und den Niederlanden gibt.

Darüber hinaus sind 40 Prozent der Befragten der Umfrage zufolge für eine vom CO2-Ausstoß abhängige City-Maut. Jeder Dritte (34 Prozent) fordert ein generelles Fahrverbot für Autos mit schlechter Kraftstoff- und CO2-Bilanz in Deutschlands Innenstädten. «Die Einstellung der Menschen zu Auto und Umwelt verändert sich», sagte Christian Vorwerck, Marketingdirektor von Maritz Research. «Nicht kraftvolle, große Autos, sondern intelligente, umweltfreundliche Wagen könnten das Statussymbol des nächsten Jahrzehnts werden.»

«Reine Scharlatanerie»

Gar eine «Farce» nannte der Bamberger Automobil-Experte Wolfgang Meinig die Einigung. «Die vereinbarten Obergrenzen sind von deutschen Herstellern überhaupt nicht erreichbar, weil damit alle physikalischen Gesetze außer Kraft gesetzt werden müssten», sagte der Leiter der Forschungsstelle Automobilwirtschaft am Dienstag in einem Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur. Dazu seien die in Deutschland hergestellten Wagen mit viel zu starken Motoren ausgestattet.

Zudem seien die bei dem Kompromiss unterstellten Messmethoden fragwürdig. Als Maßstab bei den offiziellen Werten werde lediglich der CO2-Ausstoss im Stadtverkehr und auf der Autobahn herangezogen. «Das entspricht aber nicht dem täglichen Fahrbetrieb mit häufigen Brems- und Beschleunigungsmanövern», gab Meining zu bedenken. «Wenn ein Porsche von 40 auf 200 Stundenkilometer beschleunigt, ist kaum vorstellbar, was dabei an CO2-Mengen ausgestoßen werden.» Große Limousinen lägen weit über den angepeilten 120 Gramm pro Kilometer. «Bei einigen liegt der Ausstoß von CO2 im Kilobereich», betonte Meinig. Daher sei die Einigung zwischen Bundeskanzlerin Angela Merkel und Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy «reine Scharlatanerie». (dpa/FM)

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