Diesel – Opfer seiner selbst

Experten erwarten Absatzrückgang

Der Selbstzünder ist nicht länger sexy. Die Absatzzahlen gehen zurück. Und doch wird er in bestimmten Segmenten durchaus seine Bedeutung behalten, woanders, etwa in den USA, sogar wachsen.

Der Diesel gerät ins Stottern. Seit der Liter Diesel an den Zapfsäulen nur noch wenige Cent billiger ist als Benzin und manchmal sogar mehr kostet, schrumpft der Preisvorteil von Diesel-Autos. Experten sehen bereits das Ende des Diesel-Booms in Deutschland. Der Selbstzünder hat in den vergangenen Jahren dank seines geringen Verbrauchs und moderner Technik eine bemerkenswerte Karriere gemacht. Fast jedes zweite zugelassene Auto in Deutschland ist ein Diesel. Doch nun müssen sich die deutschen Autobauer, die sich selbst als weltweit führend in der Dieseltechnologie bezeichnen, auf sinkende Absatzzahlen einstellen. In den Konzernen wird eifrig an Innovationen getüftelt.

Trend weg vom Diesel

Seit 1991 hat sich der Diesel-Bestand laut Kraftfahrt-Bundesamt mehr als verdoppelt. Vielfahrer nahmen den höheren Neupreis und die höhere Kfz-Steuer gerne in Kauf und freuten sich über Ersparnisse an der Zapfsäule und den Fahrspaß. Fast jedes zweite zugelassene Auto in Deutschland war auf dem Höhepunkt 2007 ein Diesel, in Westeuropa waren es sogar 53 Prozent. Nun hat sich der Trend gedreht: Laut Verband der Automobilindustrie (VDA) waren im Mai noch 44,5 Prozent der Neuzulassungen Diesel - deutlich weniger als vor einem Jahr mit 47,4 Prozent. «Die Preissituation an der Zapfsäule macht uns Sorge, weil sie den steuerlichen Unterschied nicht abbildet», klagt der VDA. Der Steuervorteil beim Diesel-Kraftstoff betrage rund 20 Cent - die Ölfirmen gäben diesen Vorteil wegen der gestiegenen Nachfrage aber nicht weiter.

Verunsicherte Verbraucher

Es gibt mehrere Risiken, die den Diesel-Absatz bedrohen. «Die größte Gefahr für den Diesel ist das Thema Kraftfahrzeug-Steuer», sagt Ulrich Winzen vom Marktforschungsunternehmen Polk Marketing Systems. Der Verbraucher wüssten einfach nicht, wie Diesel künftig besteuert werde und hielten sich beim Kauf zurück. Zudem bedrängen Innovationen bei den Benzinmotoren und hohe Umweltauflagen den Selbstzünder - die Diesel brauchen mehr Abgasreinigung. «Die deutschen Hersteller müssen nun viel schneller als gedacht die nächste Generation von Benzinmotoren einführen», sagt Autoanalyst Christoph Stürmer vom Prognoseinstitut Global Insight. «Sie müssen die geplanten Investitionen massiv vorziehen und die Milliardensummen jetzt in die Hand nehmen.» Die Nase vorn werde derjenige Hersteller haben, der seine Otto-Motoren schnell auf den neuesten Stand bringe und dem Kunden die klarste Orientierung gebe.

Vorteil noch bei schweren Autos

Dieselmotor im VW-Passat Foto: Press-Inform

Das CAR-Institut der FH Gelsenkirchen sagt voraus, dass der Dieselanteil in Europa bis zum Jahr 2015 auf rund 35 Prozent sinkt. «Die Erfolgskurve setzt sich nicht fort, der Markt wird sich spätestens in zwei Jahren drehen», sagt CAR-Leiter Ferdinand Dudenhöffer. «Da die deutschen Autobauer besondere Vorteile bei Diesel besitzen, wird die Wettbewerbssituation für die deutsche Autoindustrie durch diesen Trend verschlechtert.» Doch die meisten Experten sind nicht ganz so skeptisch. Zwar sei die Steigerungsrate für den Diesel in Deutschland weitgehend erreicht, sagt Professor Willi Diez vom Institut für Automobilwirtschaft in Geislingen. Vor allem bei großen, schweren Fahrzeugen habe der Diesel aber wegen seiner Vorteile beim Verbrauch eine gute Zukunft. Bei Kleinwagen indes seien Benziner wegen neuer Konzepte im Aufwind. Mit Blick auf die gestiegenen Diesel-Preise an den Tankstellen sagt Diez: «Der Diesel wird zum Opfer seines eigenen Erfolgs.» Weltweit sei die Diesel-Nachfrage drastisch gestiegen - vor allem auch wegen des Booms bei Lastwagen.

Jahreslaufleistung entscheidend

Autoexperte Winzen meint, für den Verbraucher sei immer noch die Jahreslaufleistung und der Neupreisunterschied entscheidend. Und für die Hersteller sei das Ausland ein wichtiger Absatzmarkt. «Der Diesel hat weltweit noch Potenzial und ist in vielen großen Ländern der Welt unterrepräsentiert.» In den USA zum Beispiel sehen Experten angesichts stark gestiegener Spritpreise ein enormes Potenzial für einen verbrauchsarmen und sauberen Diesel. Bisher hat der Selbstzünder in den Vereinigten Staaten auf dem Pkw-Markt keinen nennenswerten Anteil. Branchendienste wie das US-Institut J.D. Power halten aber bis 2015 einen Marktanteil von 15 Prozent für möglich - davon will allen voran die deutsche Automobilindustrie profitieren. (dpa/AG)

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