«Autoindustrie muss revolutionärer denken»

Zukunftsgipfel vor Beginn der IAA

Auf dem Weg zu einer nachhaltigen Mobilität ist ein Umdenken der Autoindustrie notwendig. Die Branche müsse ihren Kunden in Zukunft eine andere Art von Automobil anbieten, sagte der ehemalige Bundesaußenminister Joschka Fischer kurz vor Beginn der IAA.

Von Frank Mertens

Der ehemalige Bundesaußenminister Joschka Fischer hat die deutsche Autoindustrie aufgefordert, sich dem Thema der nachhaltigen Mobilität stärker als bisher zuzuwenden. «Es darf nicht sein, dass die Industrie bei diesem Thema länger auf der Bremse steht, es muss in Richtung Nachhaltigkeit gehen», sagte Fischer am Montag auf dem Zukunftsgipfel der Wochenzeitung «Die Zeit» in Frankfurt/Main.

Die Anforderungen an den Klimaschutz machen für Fischer ein Umsteuern der Autoindustrie in der Modellpolitik notwendig. «Wir brauchen in der Zukunft eine höhere Effizienz», fügte Fischer vor dem Beginn der Internationalen Automobil-Ausstellung (IAA) hinzu. Für den einstigen Vordenker der Grünen kommt auf dem Weg zur nachhaltigen Mobilität dabei der Elektromobilität eine entscheidende Rolle zu. «Die E-Mobilität ist keine Modeerscheinung.»

Voraussetzungen jetzt schaffen

Wer zukünftig eine nachhaltige Mobilität wolle, der müsse jedoch schon heute dafür die Voraussetzungen schaffen, sagte Regine Günther vom WWF Deutschland. «Der Klimaschutz ist ein Lauf gegen die Zeit», sagte die WWF-Direktorin. Es muss darum gehen, die Effizienz der Autos deutlich zu steigern. Zwar habe beispielsweise ein Autohersteller wie BMW in der Vergangenheit in diesem Bereich durchaus Fortschritte gemacht, doch es könne nicht sein, dass beispielsweise ein Fahrzeug wie der BMW X6 auf einen CO2-Ausstoß von 231 Gramm pro Kilometer komme, sagte Günther. Ein solches Fahrzeug sei auf dem Weg zur Nachhaltigkeit inakzeptabel. Kritik übte sie in diesem Zusammenhang am Autobauer Daimler. Die Stuttgarter bezeichnete sie dabei als «Underdog».

BMW-Chef Norbert Reithofer kommentierte diesen Seitenhieb auf den SUV seines Hauses nicht. Mit Blick auf die Antriebe der Zukunft stellte Reithofer in der Halle 11 der Frankfurter Messe vielmehr fest, dass es zukünftig drei Antriebsbereiche geben würde, auf die man sich zu konzentrieren habe. Da sei neben einer Optimierung der Verbrennungsmotoren die Hybridisierung und auch der Wasserstoffantrieb. «Wir müssen noch zehn Jahre verschiedene Wege gehen, um dann zu sehen, was sich durchsetzen wird.»

Vision Efficient Dynamics

Enthüllt, der Vision Dynamics von BMW Foto: AG/Mertens

Natürlich komme der Elektromobilität eine maßgebliche Rolle zu. Dieser Zukunftstechnologie werde man selbstverständlich Rechnung tragen und ein Elektrofahrzeug für die Mega-Citys anbieten. Dass es kommt, ist bereits beschlossene Sache. Wann es kommt, sagte Reithofer indes nicht. Zu sehen war auf dem Zukunftsgipfel dafür der BMW Vision EfficientDynamics, ein Supersportwagen mit Elektroantrieb und 356 PS. Er soll nur 3,8 Liter auf 100 Kilometer verbrauchen und nur 99 Gramm CO2 pro Kilometer emittieren. So stellt sich BMW die Zukunft vor.

Vom Autohersteller zum Mobilitätsunternehmen

Der ehemalige Bundesumweltminister Klaus Töpfer forderte von der Autoindustrie eine Neuausrichtung. «Ich erwarte, dass jeder Autohersteller zu einem Mobilitätsunternehmen wird.» Laut Töpfer könne es nicht allein darum gehen, effizientere Autos zu bauen. Schließlich gingen Berechnungen davon aus, dass es bis zum Jahr 2050 gut neun Milliarden Menschen auf der Welt geben wird, die dann 1,3 Milliarden Autos fahren würden.

Angesichts dieses Anstieges reiche es schlicht nicht aus, nur die Effizienz der Autos zu steigern. «Autos, die man bislang noch kaufen kann, sind dann unverkäuflich», prognostizierte Töpfer. Die von der EU-Kommission festgelegten Grenzwerte von 120 Gramm bis zum Jahr 2015 bezeichnet Töpfer als unzureichend. Um wirklich etwas erreichen zu wollen, müssten diese Werte deutlich geringer sein. «Wir brauchen Autos mit einem Verbrauch von vier Litern, nicht Autos, die noch schneller werden.»

Etliche Entwicklungsschritte

Reithofer hielt dem entgegen, dass für eine Reduzierung des CO2-Ausstoßes bis zum Jahr 2020 auf 95 Gramm pro Kilometer etliche Entwicklungsschritte notwendig seien, die die Autoindustrie vor größere Herausforderungen stellen werde. Das Erreichen dieses Wertes sei aber nur mit einer Hybridisierung und der Elektromobilität möglich. Reithofer stellte indes auch fest, dass beispielsweise der neue BMW 7er Active Hybrid mehr verbrauche, als ein 7er mit dem effizientestem Verbrennungsmotor. In der Folge werde es auch in naher Zukunft weiter Verbrennungsmotoren geben, die man jedoch Schritt für Schritt verbrauchsgünstiger machen müsse.

Fischer betonte, dass es zur Nachhaltigkeit bei der Mobilität nur dann kommen werde, wenn auch die Energieversorger verstärkt auf regenerative Energien setzen. «Wir kommen um die Frage der großtechnischen Nutzung der regenerativen Energie nicht umhin, wenn wir nicht in der Nuklearfalle sitzen wollen», betonte Fischer. «Die Diskussion um E-Mobilität macht nur Sinn, wenn wir sie mit erneuerbaren Energien verbinden.»

Darüber hinaus seien enorme Infrastrukturveränderungen auf dem Weg zu einer nachhaltigen Mobilität nötig. Eines steht für Fischer auf jeden Fall fest. «Die Autoindustrie wird in Zukunft revolutionärer denken müssen. Es wird eine andere Form von Automobil geben.»

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