Abschied vom eigenen Auto

Neue Mobilitätskonzepte

Die Zeiten, in denen man unbedingt ein eigenes Auto haben musste, könnten mittelfristig gezählt sein. Zumindest dort, wo es neue Mobilitätskonzepte gibt. So wie in Ulm mit seinem „Car2Go“-Projekt.

Wann immer der Programmierer Frank Müller in seiner Heimatstadt Ulm keine Lust mehr zum Laufen hat, kann er in ein Auto wechseln. Denn sobald er am Straßenrand einen blauweiß lackierten Smart sieht, reicht schon der Chip auf seinem Führerschein, um den Wagen zu öffnen und ihn zu starten. Und wenn Müller am Ziel ist oder doch wieder laufen will, lässt er den Wagen einfach stehen. «Einsteigen und losfahren wann immer ich will. Ohne Vorbestellung, ohne feste Abhol- oder Rückgabeplätze. Viel leichter kann man einem das Autofahren nicht machen», sagt Müller. Doch das ist nur eines von verschiedenen neuen Mobilitätskonzepten für die Zukunft.

In Ulm handelt es sich um das Daimler-Projekt «Car2Go», bei dem sich Müller als Testkunde angemeldet hat. 200 Autos hat der Fahrzeughersteller dafür mittlerweile in Ulm verteilt und ein simples Tarifmodell ausgearbeitet: «Man zahlt 19 Cent pro Minute, alle Kilometer und allen Sprit inklusive», erläutert Pressesprecher Andreas Leo.

17.000 Fahrer registriert

Im ersten Jahr war «Car2Go» ein Pilotprojekt. Doch nachdem sich mittlerweile 17 000 Fahrer registriert haben, ständig mindestens 50 Autos unterwegs sind, pro Woche 5000 Mieten registriert werden und die Autos bereits drei Millionen Kilometer gelaufen sind, wird nun der reguläre Betrieb gestartet. In Ulm wird die Flotte auf 300 Fahrzeuge ausgeweitet, außerdem läuft bereits ein Versuch in Austin im US-Staat Texas. «Und noch in diesem Jahr werden wir «Car2Go» auch in einer europäischen Großstadt starten», kündigt Geschäftsführer Robert Henrich an.

Peugeot startet unter dem Titel «Mu by Peugeot» ein vergleichbares Mobilitätskonzept, für das allerdings verschiedene Fahrzeuge zur Verfügung stehen. «Dieses Konzept bietet eine flexible Lösung für den eigenen Mobilitätsbedarf», sagt Pressesprecher Bernhard Voss in Saarbrücken: Ob ein Cabrio für das Wochenende, ein Transporter für den Umzug, ein Scooter für den Ausflug an den See oder Schneeketten für den Winterurlaub - alles ist vorhanden.

Mu-Konzept von Peugeot

Das Prinzip: Im Internet kann laut Peugeot jeder gegen eine Gebühr von 10 Euro sein «Mu»-Konto eröffnen und dieses online oder beim Händler mit Punkten aufladen, mit denen er dann ein Fahrzeug leihen kann. Der Preis hängt ab von der Mietdauer und der Fahrzeugkategorie: «So kostet beispielsweise ein Fahrrad für einen Tag 25 Punkte beziehungsweise 5 Euro und ein Peugeot 308 CC für einen Tag 450 Punkte oder 90 Euro», erläutert Voss. Nach dem offiziellen Projektstart im Februar in Paris wird «Mu by Peugeot» Anfang Mai an vier Standorten in Berlin eingeführt.

Zwar engagieren sich Autohersteller oder Unternehmen wie die Deutsche Bahn mit ihrem Schnell-Leihprogramm Flinkster erst seit kurzer Zeit für solche Mobilitätskonzepte. Doch die Idee von der gemeinsamen Nutzung des Autos ist nicht neu: Schon 1988 wurde in Berlin der erste Carsharing-Verein in Deutschland gegründet. Und mittlerweile erfreut sich dieses Prinzip wachsender Beliebtheit: Allein im Jahr 2009 sei die Zahl der Teilnehmer um rund 15 Prozent auf 158 000 Fahrberechtigte gestiegen, heißt es beim Bundesverband Carsharing in Hannover.

Manchem Visionär gehen die bisherigen Projekte noch nicht weit genug. So träumt der Schweizer Entwickler Frank Rinderknecht von einer Verknüpfung zwischen Straße und Schiene. Zu seinem gerade auf dem Genfer Autosalon präsentierten Elektro-Kleinwagen «UC?» hat der Chef des Tuners Rinspeed deshalb ein Konzept entworfen, mit dem der Stadtflitzer längere Strecken in Spezialwaggons zurücklegen kann, die an die konventionellen Züge angekoppelt werden. Dann ist auch die Reichweite der Batterie kein Problem mehr.

Noch weiter gehen die Vorausentwickler von General Motors, die unter Führung von Christopher Borroni-Bird sogenannte Electric-Networked Vehicles (EN-Vs) entworfen haben. Die einachsigen Zweisitzer werden elektrisch angetrieben, sind mit anderen Fahrzeugen vernetzt und machen mittelfristig sogar den Fahrer überflüssig. Denn dank eines Autopiloten kann dieser unterwegs die Zeitung lesen. Und nachdem das EN-V seinen Besitzer am Ziel abgeliefert hat, sucht sich das Auto alleine seinen Parkplatz oder den nächsten Fahrer. Bis es soweit kommt, wird es allerdings noch ein wenig dauern: Borroni-Bird spricht von einem Szenario für das Jahr 2030. (dpa/tmn)

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Frank Mertens
Nach dem Studium hat er in einer Nachrichtenagentur volontiert. Danach war er Sportjournalist und hat drei Olympische Spiele begleitet. Bereits damals interessierten ihn mehr die Hintergründe als das Ergebnis. Seit 2005 berichtet er über die Autobranche.

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