Ducati Multistrada 1260 S: Leistung allein reicht nicht

Bulle trifft Ballerina

Ducati Multistrada 1260 S: Leistung allein reicht nicht
Die Ducati Multistrada 1260 S bietet gute Fahrleistungen. © Ducati

Wer im Segment der Reise-Enduros bestehen will, der muss mehr bieten als nur Leistung. Das hat sich auch Ducati gesagt und kommt mit der Multistrada 1260 S.

Leistung alleine ist es nicht, die im Segment der großvolumigen Reiseenduros über den Erfolg entscheidet. Auch Ducatis Marketing-Strategen in Bologna blieb nicht verborgen, dass die gewaltige Leistung von 152 PS, die ihre Multistrada 1200 seit Anfang 2015 brachte, nicht genug ist; neben reichlich Elektronik sind auch die Punkte Ausgewogenheit des Triebwerks und ein jederzeit stabiles Fahrverhalten von größter Bedeutung, will man Absatzzahlen dauerhaft auf hohem Niveau stabilisieren.

Deshalb zündet Ducati schon nach drei Jahren die nächste Stufe: Multistrada 1260 heißt die neueste Version; es handelt sich dabei nicht um ein neues Motorrad, sondern um eine tiefgreifende Modellüberarbeitung. Motor, Schwinge und Rahmen, Räder, Fahrwerksabstimmung sowie das TFT-Display im Cockpit sind neu.

Ducati ausgesprochen drehfreudig

Geblieben sind die vier Modellvarianten Basis, also Multistrada 1260, darüber rangiert die deutlich besser ausgestattete 1260 S, noch höher die besonders sportliche Pikes Peak. Und es gibt die D-Air-Version mit werksseitiger integrierter Airbag-Komponente, deren sonstiger Ausstattungsumfang der S-Version entspricht. Alle vier haben dasselbe Herz: Einen neuen V2 – natürlich in bewährter L-Bauweise – mit exakt 1262 Kubikzentimetern Hubraum und einer Maximalleistung von 116 kW/158 PS sowie einem maximalen Drehmoment von 129,5 Nm. Ein echter Bulle, zugleich aber drehfreudig wie eine Ballerina.

Für den deutschen Markt seit jeher bei weitem am bedeutendsten ist die S-Version der Multistrada: Von ihr verkaufen die Italiener etwa viermal so viele wie von der Basisversion; dass die S 2.400 Euro mehr kostet, stört die Käufer nicht – genauso wenig wie die absolute Höhe des Kaufpreises. Immerhin 20.659 Euro repräsentiert die Testmaschine, die wir einen Tag über die extrem kurvigen Straßen Gran Canarias trieben, um die Qualitäten des neuen Multi-Jahrgangs zu ergründen. Von dem genannten Preis entfallen 19.390 Euro auf die S-Version in Basisfarbe Rot, dazu addieren sich 200 Euro für die graue Metallic-Lackierung und weitere 1.069 Euro für das Touring-Paket. Es umfasst sehr gut integrierte Gepäckkoffer, feine Heizgriffe und den ausreichend leicht bedienbaren Hauptständer.

Ducati mit satter Beschleunigung

Am deutlichsten spürbar ist die neue Motor-Charakteristik: Statt eines Durchhängers zwischen 3.500 und 5.500 Umdrehungen liefert das neue Triebwerk nun in jedem Drehzahlbereich eine satte, bestens nutzbare Leistung. Mag sein, dass die Leistungsabgabe bei 6.000 U/min. nun weniger spektakulär erfolgt – in der Praxis fährt sich die 1260er deutlich ausgewogener und angenehmer. Die neue Motorsteuerung sorgt zudem für eine feine Gasannahme bereits ab 2.000 Touren, ohne „obenraus“ Leistung zu kappen. Selbst in engen Serpentinen wird der erste Gang nun nicht mehr gebraucht – so soll es sein bei einer überlegen motorisierten Reiseenduro. Wer das drehfreudige Triebwerk nicht permanent „jubeln“ lässt, wird zudem mit einem moderaten Verbrauch belohnt.

Eine neue Qualität liefert auch der weiterentwickelte Serien-Schaltassistent: Die Gänge lassen sich jetzt äußerst geschmeidig ohne Kupplung wechseln – ein echtes Plus während der Kurvenorgien auf Gran Canaria; für Fans von Alpenstraßen ein Schmankerl. Nur geringfügig wirkt sich die fünf Zentimeter längere Schwinge auf die Handlichkeit der Multistrada aus: Auch die 1260er gehört zur leicht dirigierbaren Gruppe der großvolumigen Reiseenduros. Dafür soll die Fahrstabilität bei sehr hohem Tempo noch besser geworden sein; „soll“ deshalb, weil sich das beim ersten Fahrtest in nicht überprüfen ließ. Weitere Maßnahmen zum Erreichen dieses Ziel sind ein veränderter Lenkkopfwinkel und ein vergrößerter Nachlauf des Vorderrades. Die deshalb unumgängliche Änderung der Fahrwerksabstimmung behagt uns, das präzisere Einlenkverhalten gefällt ebenfalls.

Gewicht von 235 Kilogramm

Unverändert aufwändig ist die Ausstattung der 235 Kilogramm wiegenden Multistrada S mit elektronischen Assistenzsystemen: Kurven-ABS, elektronische Traktionskontrolle, Wheelie-Kontrolle, vier Fahrmodi – alles ist an Bord, alles funktioniert tadellos. Dass man angesichts des Preises Voll-LED-Beleuchtung samt adaptivem Kurvenlicht, eine automatische Blinkerrückstellung, Tempomat, Berganfahrhilfe und manches mehr geliefert bekommt, ist nur recht und billig. Schön wäre freilich, wenn der Tankdeckel ins Keyless-System integriert wäre; wer diesen Komfort auch noch will, muss zuzahlen.

Absolut gelungen sind Fahrkomfort und Ergonomie: Die Sitzposition ist entspannt, Schalter und Hebel am Lenker finden sich fast intuitiv, die wichtigsten sind sogar hinterleuchtet. Deutlich verbessert präsentiert sich die Menüstruktur des umfangreichen Bordcomputers, der ins gut ablesbare TFT-Display integriert ist.

Dem einhändig leicht verstellbaren Windschild gebührt die Note gut, der Sitz-Höhenverstellung um zwei Zentimeter nur ein befriedigend, weil dafür Werkzeug benötigt wird. Geringfügig unterhalb des maximal möglichen bleibt die Multistrada bei der Fahrwerkseinstellung: Statt einer vollautomatischen Einstellung der Feder-Vorspannung bedarf es des Knöpfchendrückens – wir können damit gut leben. (SP-X)

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Frank Mertens
Nach dem Studium hat er in einer Nachrichtenagentur volontiert. Danach war er Sportjournalist und hat drei Olympische Spiele begleitet. Bereits damals interessierten ihn mehr die Hintergründe als das Ergebnis. Seit 2005 berichtet er über die Autobranche.

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