Ducati Diavel: Auf ihr tobt das Leben

Ducati Diavel: Auf ihr tobt das Leben
Mit ihr hat man Spaß: die Ducati Diavel 1260 S. © Ducati

Der italienische Motorradhersteller Ducati hat die neue Diavel vorgestellt. Und wie bereits das Vorgänger-Bike ist auch die Neue ein richtiges Statement.

Manche Motorräder stellen hohe Ansprüche, entweder an die Fahrkünste der Fahrerin oder des Fahrers, an die Körpergröße, an das Bankkonto oder an die Fakir-Fähigkeiten des Sozius oder der Sozias.

Nur wenige Motorräder dagegen stellen Ansprüche an die Persönlichkeit ihres Besitzers – die Ducati Diavel, eben in zweiter Generation erschienen, gehört zu dieser Spezies. Man muss schon ein ziemlich extrovertierter Mann sein –eine Frau wird kaum auf dieses nach 300 Kilogramm Leergewicht ausschauende Teufelsding abfahren –, um sich mit diesem Italo-Supersportcruiser sehen zu lassen. Marbella, wo Ducati die zweite Generation der Diavel jetzt von der Leine ließ, ist so eine Gegend, auch Rimini, Monte Carlo oder Nizza weisen genügend Diavel-People auf. Aber Essen-Kettwig? Wolfsburg? Kiel? Kaum vorstellbar, dass man dort einmal eine Ducati Diavel zu Gesicht bekommt.

Diavel – von Mainstream keine Spur

Das ist schade. Denn Ducatis Teufelsbike – im Bologneser Dialekt bedeutet das Wort „Diavel“ eben Teufel – ist ein Statement. Schick‘ alle Harleys zum Teufel, ignoriere alle BMWs, Triumphs und sogar die KTM 1290 Super Duke R: Auf dem Teufelsding tobt das Leben! Einzig – vielleicht – eine Horex VR6 könnte ihr Paroli bieten, doch auch diese Rarität erscheint gegenüber der Diva aus Italien schon fast zu normal.

Denn ein Heck wie die Diavel, dazu eine Front und auch einen solchen Resonanzkörper direkt hinterm Motor hat kein anderes Bike. Es ist aber vor allem die Kombination aus Nakedbike, Supersportler und Cruiser, welche die Diavel so einzigartig macht, denn alle diese Gene beeinflussen ihre DNA. Und dazu muss man als Fahrer eben passen.

Die neue Ducati Diavel. Foto: Ducati

Schon die Maße sind enorm: Einen Meter sechzig misst der Radstand, und der Tank ist der breiteste, den die Motorradwelt derzeit kennt. Weil erst hinterm Motor genug Platz ist, um einen Sitz in akzeptablem Abstand zum Boden montieren zu können, nimmt der Fahrer schon fast auf dem Hinterrad Platz. Das bedingt zumindest bei normalgroßen Männern eine deutlich über den auch langen Tank gespannte Sitzhaltung.

Sonderbeifall in der Applauskurve

Die Füße finden keineswegs cruisertypisch direkt unterhalb des Fahrers Platz auf den Rasten, werden also nicht nach vorne gestreckt. Das ist weder unbequem noch unsportlich, aber gewöhnungsbedürftig. Traut man sich dann auch noch, das bescheidene 244 Kilogramm wiegende Teufelsding mit seinem 159 PS starken Motor so um die Kurven pfeilen zu lassen, wie die Konstrukteure das dank 41 Grad Schräglagenfreiheit ermöglichen, ist man fraglos ein Kandidat für Sonderbeifall in der Applauskurve. Anders gesagt: Die Diavel 1260S weist angesichts ihres Äußeren ein unerwartet agiles Fahrverhalten auf, das man sich selbst als erfahrener Tester erst erarbeiten muss. Dass so viel Agilität angesichts eines 240 Millimeter breiten Hinterreifens möglich ist, verwundert eben.

Die neue Diavel 1260S weist alles auf, was sich im Hightech-Kochtopf der Bologneser Hexenküche finden ließ: Assistenzsysteme jeglicher Couleur vom Quickshifter über eine Wheelie-Kontrolle bis zum Kurven-ABS, eine variable Ventil-Desmodromik im mattschwarz lackierten V2-Reaktor und natürlich auch allerfeinste Komponenten für Bremsen und Radführungen der Nobel-Hersteller Brembo und Öhlins.

Nicht Everybodys Darling

Weil Ducati in punkto Abstimmung aller Details höchste Anerkennung genießt, ist jede Einzelheit über jede Kritik erhaben. Dennoch kann eine Diavel niemals Everybodys Darling werden. Sie ist speziell, fordert ihren Fahrer, sein Zutrauen, seine Hingabe und, ja, auch sein Zupacken. Es ist durchaus Druck am breiten Lenker nötig, um den vorzüglichen Diablo Rosso III bis an den Rand seiner Lauffläche zu nutzen.

Hat man sich auf die besonderen Umstände der Diavel aber eingeschossen, wächst die Gefahr, Stammgast in „Flensburg“ zu werden: Ihr extrem durchzugsstarkes Triebwerk reißt unbändig an, mittels des tadellos funktionierenden Quickshifters ist man blitzartig jenseits von Gut und Böse. Andererseits ist es kein Problem, sich im Urban-Fahrmodus mit Tempo 10 bis 30 kilometerweit durch Staus zu wühlen, denn viel mehr als Leerlaufdrehzahl und gelegentlich eine flinke Kupplungshand sind nicht nötig für solche Übungen.

Technisch anspruchsloses Motorrad

Von Mainstream keine Spur: die Ducati Diavel 1260 S. Foto: Ducati

Bei aller Exotik, die das Äußere der Diavel 1260S ausstrahlt: Technisch ist sie so anspruchslos wie jede andere Ducati: Der Ölservice ist nur alle 15.000 Kilometer nötig, der Desmo-Service für die speziell gesteuerten Ventile alle 30.000 Kilometer. Selbst ihr Benzinverbrauch ist maßvoll; im ersten Test war die Realisierung des Normverbrauchs kein Problem, zumindest laut Bordcomputer. Mit dessen Hilfe lässt sich an zahllosen Rädchen „drehen“: Der Fahrer kann praktisch alle Assistenzsysteme individualisieren.

Unter 20.000 Euro ist der Zutritt zum Club der Teufelstreiber nicht möglich, gerne darf’s auch deutlich mehr sein, denn es gibt reichlich Zubehör, teils zu Paketen geschnürt, beispielsweise um die Liebste beim Beschleunigen mittels Rückenstütze vor dem Totalverlust zu bewahren. Auch zierliche Seitenköfferchen für Zahnbürsten und anderes Kleinzeug sind im Angebot, aber auch mehr Leistung verheißende Dinge gibt’s. Schließlich kann man von manchem nie genug haben. (SP-X)

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Frank Mertens
Nach dem Studium hat er in einer Nachrichtenagentur volontiert. Danach war er Sportjournalist und hat drei Olympische Spiele begleitet. Bereits damals interessierten ihn mehr die Hintergründe als das Ergebnis. Seit 2005 berichtet er über die Autobranche.

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3 Kommentare

  1. Hallo Maria, warum? Fahrerin und Fahrer steht gleich im ersten Absatz.

    Manche Motorräder stellen hohe Ansprüche, entweder an die Fahrkünste der Fahrerin oder des Fahrers, an die Körpergröße, an das Bankkonto oder an die Fakir-Fähigkeiten des Sozius oder der Sozias.

  2. Aufgrund der niedrigen Sitzhöhe wird die Diavel – zumindest in der Schweiz – verhältnismässig oft von Frauen gefahren. Technisch anspruchslos ist sie sicher nicht. Der Ausdruck passt hier gar nicht. Sie hat lediglich lange Wartungsintervalle. Aufgrund des komplexen Motors resp. der anspruchsvollen Technik mit variabler Ventilsteuerung und Desmodromik ist die Wartung selber aufwändig und leider nicht besonders kostengünstig.

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