Hendricks vermisst Demut und Einsicht von Autoindustrie

Fahrverbote bleiben möglich

Hendricks vermisst Demut und Einsicht von Autoindustrie
Der Dieselgipfel wurde begleitet von Protesten von Umweltschützern. © dpa

Die Autoindustrie hat sich durchgesetzt – vorerst. Statt einer Nachrüstung der Hardware von Dieselfahrzeugen gibt es nur ein Software-Update. Damit sind Fahrverbote nicht vom Tisch.

Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) sieht nach dem Dieselgipfel mit der Autobranche "eine sinnvolle Basis" für eine schnelle Reduzierung von Emissionen. Das erzielte Ergebnis sei "richtig und gut", sagte Dobrindt am Mittwoch in Berlin. Neben der zugesagten Software-Umrüstung von 5,3 Millionen Autos würden sich die deutschen Hersteller an einem Bundes-Fonds für umweltfreundlichere Mobilität in Städten beteiligen. Der Bund werde zudem seine Förderung für die Umrüstung von Bussen und Taxis sowie für Radwege erhöhen.

Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) äußerte sich zufrieden mit den Ergebnissen, die einen "beachtlichen Fortschritt" darstellten. Die deutschen Unternehmen hätten "deutlich zu ihrer Verantwortung gestanden". Der CSU-Chef machte sich zugleich für eine stärkere Differenzierung bei der Kfz-Steuer nach Schadstoffklassen stark.

Hendricks spricht von erstem Schritt

Umweltministerin Barbara Hendricks (SPD) hat die Vereinbarungen des Dieselgipfels begrüßt, gleichzeitig aber weitere Maßnahmen angemahnt. "Natürlich reicht das heute erzielte Ergebnis am Ende noch nicht aus", sagte sie. Die zugesagten Software-Updates seien ein erster, wichtiger Schritt. Um deren Wirksamkeit nachzuweisen, seien künftig aber Messfahrten vor und nach dem Update der Fahrzeuge vorgesehen. Für eine Verringerung der Stickoxid-Belastung sei dies allein nicht ausreichend, betonte Hendricks. Deshalb sei sie froh über zugesagte Kaufprämien von Herstellern für neue, umweltfreundliche Fahrzeuge. Gleichzeitig könne sie "nicht verhehlen, dass der Duktus der von der Automobilindustrie verbreiteten Erklärung zu wenig von Einsicht und Demut geprägt" sei.

Man dürfe die - mehr als zwei Stunden vor der gemeinsamen Pressekonferenz - veröffentlichte Darstellung des Branchenverbands VDA keinesfalls als Abschlusserklärung verstehen: "Da würden Sie sich täuschen. (...) Das ist aus meiner Sicht nicht die Art von kritischer Selbstbetrachtung, die angemessen ist."

Für Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) sind die Ergebnissen des Berliner Diesel-Gipfels nur ein erster Schritt hin zur besseren Luft. «Das wird aber leider nicht reichen, um die Grenzwertein den belasteten Städten unter die gesetzlichen Vorgaben zu bringen», teilte Kretschmann mit. Weitere Schritte müssten schnell und in einem verbindlichen Zeitrahmen folgen. Ein Baustein könne dabei sein, dass die Hersteller den Verbrauchern eine Prämie dafür anbieten, um alte Diesel-Autos durch moderne Fahrzeuge zu ersetzen. «Hier ist die Automobilindustrie eindeutig in der Bringschuld und nicht der Staat.»

Für BUND sind Fahrverbote unausweichlich

Greenpeace-Plakat vor dem Bundes-Verkehrsministerium.
Protest von Greenpeace am Verkehrsministerium dpa

Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) hat die Ergebnisse des Dieselgipfels als unzureichend bezeichnet. "Mit der Entscheidung für reine Software-Updates, die nicht einmal verpflichtend sind, werden Fahrverbote unausweichlich", erklärte der BUND-Vorsitzende Hubert Weiger am Mittwoch. "Erneut haben sich die Autohersteller gegen die Interessen von Verbrauchern und Umweltschützern durchgesetzt." Die Bundesregierung habe es versäumt, die Verantwortlichen des Abgasskandals angemessen in die Pflicht zu nehmen und starke Maßnahmen gegen die hohe Stickoxid-Belastung zu ergreifen. "Offensichtlich haben die kurzfristigen Gewinne der Automobilindustrie in den Augen der Bundesregierung noch immer ein größeres Gewicht als Umwelt- und Gesundheitsschutz."

Auch Greenpeace kritisierte die Ergebnisse scharf: „Die Mär von 5 Millionen Software-Updates ist so falsch wie die Abgaswerte deutscher Autos. Sie sorgen kaum für bessere Luft, und der Großteil der Rückrufe ist lange vor dem Gipfel in die Werkstätten beordert worden. Statt Millionen Menschen vor Dieselabgasen zu schützen, legt die Bundesregierung heute einen sterbenden Motor unters Sauerstoffzelt", so die Umweltschutzorganisation. "Saubere Diesel sind den Konzernen zu teuer, und die Politik lässt es ihnen durchgehen. Wenn Dieselautos mit neuer Software den Grenzwert fünffach statt siebenfach überschreiten, macht sie das längst nicht sauber. Das reicht nicht, um Hunderttausende Stadtbewohner vor giftigen Stickoxiden zu schützen, die uns Hersteller mit manipulierten Autos eingebrockt haben", so Greenpeace weiter. (AG/FM/dpa)

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